Der Wechsel kommt schnell. Schon zum 1. Mai soll Werner Baumann die Nachfolge von Marijn Dekkers als Bayer-Chef übernehmen. Das ist der neue Mann an der Spitze:
Seine Herkunft
Marijn Dekkers bleibt eine Ausnahme. Der Niederländer, der Bayer nun nach der Hauptversammlung im April verlässt, war der erste Bayer-Chef, der von außen kam – und ein Glücksgriff für Bayer. Dekkers hat den Bayer-Umsatz zwischen 2011 und 2015 von 36 Milliarden Euro auf etwa 46 Milliarden Euro gesteigert und den operativen Gewinn (Ebit) von 2,7 auf etwa sechs Milliarden Euro mehr als verdoppelt.
Die Chemie-Sparte brachte der Niederländer unter dem Namen Covestro an die Börse, fortan konzentriert er den Leverkusener Konzern auf Medikamente und Agrarchemikalien.
Mit der Berufung von Baumann an die Spitze kehrt Bayer nun zur gewohnten Routine zurück. Wie alle seine Vorgänger – außer Dekkers – hat sich Baumann in Jahrzehnten im Unternehmen nach oben gearbeitet. Seit 1988 trägt Baumann einen Bayer-Werksausweis bei sich. Aufgewachsen ist der 53-Jährige im Schatten des Bayer-Werks Krefeld-Uerdingen. Später studierte er Wirtschaftswissenschaften in Aachen und Köln – innerhalb der nordrhein-westfälischen Landesgrenzen. Der künftige Bayer-Chef ist verheiratet und Vater von vier Kindern.
Sein Förderer
1991 ging Baumann als Controller für Bayer nach Spanien. Dort traf er auf seinen großen Förderer Werner Wenning – den späteren Bayer-Vorstandschef und heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden. Wenning leitete damals die Bayer-Landesgesellschaft in Spanien und genoss nebenbei die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona. Die Chemie zwischen beiden stimmte. Ebenso wie Baumann ist Wenning im Umfeld eines Bayer-Werks – in Leverkusen – groß geworden.
Der Ältere förderte den Jüngeren nach Kräften. 1995 wurde Baumann in Spanien Assistent der Geschäftsführung. Ein Jahr später ging er für Bayer in die USA und übernahm eine Führungsaufgabe im Geschäftsbereich Diagnostika.
Zurück in Deutschland – Wenning war inzwischen zum Vorstandschef aufgestiegen – machte Baumann in der Gesundheits-Sparte von Bayer Karriere. Von 2006 an half er seinem Förderer bei der Integration des Berliner Pharmakonzerns Schering, den Bayer seinerzeit für 17 Milliarden Euro erworben hatte.
Wer bei Bayer für Gewinn sorgt
Umsatz 2014: 42,2 Mrd. Euro
Gewinn* 2014: 8,4 Mrd. Euro
*vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, Ebitda; Quelle: Unternehmen
Umsatz 2014: 19,834 Mrd. Euro (47 Prozent vom Umsatz insgesamt)
Gewinn* 2014: 5,124 Mrd. Euro (61 Prozent vom Gewinn insgesamt)
*vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, Ebitda; Quelle: Unternehmen
Umsatz 2014: 11,816 Mrd. Euro (28 Prozent vom Umsatz insgesamt)
Gewinn* 2014: 1,092 Mrd. Euro (13 Prozent vom Gewinn insgesamt)
*vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, Ebitda; Quelle: Unternehmen
Umsatz 2014: 9,284 Mrd. Euro (22 Prozent vom Umsatz insgesamt)
Gewinn* 2014: 2,184 Mrd. Euro (26 Prozent vom Gewinn insgesamt)
*vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, Ebitda; Quelle: Unternehmen
Umsatz 2014: 1,266 Mrd. Euro (3 Prozent vom Umsatz insgesamt)
Dabei, so bekennt Baumann freimütig, habe er auch „einige Böcke geschossen“. Der Truppe gelang es jedoch, Baumanns Fehler wieder wettzumachen. 2010 wechselte Wenning an die Spitze des Aufsichtsrats. Baumann wurde Vorstand. Zunächst – wie Wenning früher – für Finanzen.
Fortan galt Baumann als Kronprinz, war aber beileibe nicht der einzige Kandidat. Auch der Ire Liam Condon, der agile Chef der Agrarsparte, wäre an der Spitze denkbar gewesen. Und auch Innovationsvorstand Kemal Malik soll Chancen gehabt haben, obwohl er selbst entsprechende Ambitionen dementierte. Letztendlich brachte Wenning aber seinen Favoriten für die Konzernspitze durch.
Diese Herausforderungen muss Baumann bewältigen
Seine Stärken und Schwächen
Analysten schätzen seine Klarheit und seine Fähigkeit, Sachverhalte kompetent und strukturiert zu erläutern. Operative Erfahrungen sammelte Baumann vor allem in der wichtigsten Bayer-Sparte – dem Gesundheitsgeschäft. Ende 2014 übertrug ihm Dekkers die Verantwortung für die Konzernstrategie. Zudem kümmerte er sich um die anstehende Neuorganisation von Bayer und übernahm die Leitung der Gesundheits-Sparte.
Wie er das alles gleichzeitig schaffen sollte, war dem designierten Konzernchef auch nicht immer klar. Ein Kollege habe ihm geraten, schneller zu schlafen, erzählte Baumann vor gut einem Jahr. Und eigentlich hab er ja mehr Sport machen wollen und sich dazu eigens ein schnittiges Fahrrad gekauft: „Das kann ich jetzt wohl bei Ebay einstellen.“
Im persönlichen Gespräch wirkt Baumann umgänglich, reflektiert und humorvoll. Weniger gute Erfahrungen haben einige Arbeitnehmervertreter mit ihm gemacht. Baumann sei kein großer Freund der Mitbestimmung, heißt es. Er gehe nicht auf die Arbeitnehmervertreter zu. Dekkers dagegen habe die Betriebsräte gut eingebunden.
Seine Herausforderung
Der designierte Konzernchef ist jetzt 53 Jahre alt; gut zehn Jahre Amtszeit dürften vor ihm liegen. Wie Bayer dann wohl aussieht? Sicher ist: Sein Noch-Vorgänger Dekkers hat hohe Maßstäbe gesetzt. Der Niederländer hat Umsätze und Gewinne kräftig gesteigert, in Marketing und Vertrieb investiert und zahlreiche neue Top-Medikamente – etwa gegen Krebs und Schlaganfall – auf den Markt gebracht.
Das Niveau muss Baumann halten – und möglichst noch verbessern. Leicht wird das nicht.
Gerade in den Bayer-Kerngeschäften Gesundheit und Pflanzenschutz konsolidiert sich derzeit die Branche. Baumann muss aufpassen, dass Bayer dabei nicht zurückfällt. Dabei kann sich der baldige Chef auf seine jahrzehntelange Erfahrung und sein ausgeprägtes Netzwerk verlassen.