Für Midea ist Kuka vor allem ein strategisches Investment. Mit einer Quote von 49 Robotern auf 10.000 Arbeiter liegt China bei der Automatisierung im Vergleich zu Deutschland mit 301 Robotern noch weit zurück. Das soll nicht so bleiben. China hat sich zum weltweit wichtigsten Abnehmer von Robotern entwickelt. Allein 2016 wurde bereits fast jeder dritte weltweit installierte Roboter in dem Land aufgestellt, insgesamt 90.000 Stück. 2020 sollen 40 Prozent aller Industrieroboter dort verkauft werden. Zugleich treibt die Regierung den Aufbau von eigenen Roboterherstellern mit Fördergeldern, niedrigen Steuern und kostenlosen Grundstücken voran.
Vor der Kuka-Übernahme hatte Midea bereits mit dem japanischen Industrieroboterbauer Yaskawa und einem der erfolgreichsten chinesischen Roboterhersteller, Efort, ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Langfristig will Midea das Wissen aus der Industriesparte in das eigentliche Kerngeschäft transferieren. Der Konzern will dann etwa auch Spezialroboter für die Alten- und Krankenpflege bauen.
Insgesamt laufen die Geschäfte gut: Midea rechnet dieses Jahr bei Kuka mit 12 Prozent Umsatzwachstum auf 3,3 Milliarden Euro. Bis September stieg die Zahl der Neuaufträge um fast sechs Prozent auf knapp 2,8 Milliarden Euro. Doch es liegen noch große Herausforderungen auf dem Weg in die Zukunft für den chinesischen Kuka-Eigner.
Denn der Markt in der Heimat ist viel schwieriger, als es von außen erscheint, auch wenn Kuka-Chef Reuter sich selbst immer wieder zuversichtlich gibt. Zwar werden alle großen ausländischen Hersteller 2017 wieder Rekorde bei den Absatzzahlen hinlegen, sagt Georg Stieler von der Techberatung STM aus Shanghai. Dieser Erfolg werde aber mit immer geringeren Margen bezahlt. „Der Wettbewerb unter den führenden Roboterherstellern ist enorm“, sagt der Industrieexperte.
Zudem drängen immer mehr subventionierte einheimische Hersteller in Anwendungen vor, die bis vor Kurzem nur von ausländischen Lieferanten abgedeckt werden konnten. In den vergangenen Jahren sind über 3000 Robotikfirmen in China entstanden. Viele davon seien allerdings „leere Hüllen“, sagt Stieler, die in erster Linie Subventionen abgreifen wollten. Immerhin: Das chinesische Industrieministerium geht nun stärker gegen die Scheinhersteller vor. Stieler geht davon aus, dass künftig nur etwa 30 reine Roboterhersteller überleben werden. „Und selbst da wird es zu weiteren Konsolidierungen kommen“, sagt er.
Ob ausgerechnet Kuka und Midea als Sieger aus dem Verdrängungskampf hervorgehen, ist ungewiss. Denn bei den wichtigsten Kunden, in der Automobilindustrie, schwindet langsam das Vertrauen in den deutschen Hersteller, seit dieser von Midea kontrolliert wird.
Mit der neuesten Generation der Roboter, die in Halle 3 in Shanghai hergestellt werden, gibt es bald keine Geheimnisse mehr. Dank zunehmender Vernetzung kennen die Roboter bald jeden Handgriff. Und wissen auch, wie viele Autos bei welchem Autobauer vom Band gelaufen sind, welche Teile fehlen und was bei neuen Modellen anders ist. Die Kehrseite der Industrie 4.0 ist totale Transparenz.
Sich ausgerechnet einem chinesischen Roboterzulieferer und womöglich danach einem chinesischen Autobauer auszuliefern ist für viele westliche Autobauer eine Horrorvision. Offiziell will zwar niemand etwas dazu sagen, aber hinter vorgehaltener Hand äußern gerade deutsche Autobauer Zweifel an der Zukunft der Partnerschaften.
Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, sagt: „Ich freue mich über jede ausländische Investition. Aber wenn nur investiert wird, um dann das Knowhow aus der Firma zu ziehen, dann macht mir das Sorgen. Genau das ist bei Kuka mit Ansage passiert. Dort beginnt nun stückchenweise die Verlagerung nach China. In Augsburg gehen die Arbeitsplätze verloren und bei den Kunden gibt es Datenschutzprobleme. Deshalb müssen wir unsere Industrien vor solchen Übernahmen schützen. Das Problem ist, dass die Chinesen Mondpreise zahlen. Mondpreise für Knowhow zu zahlen, ist für sie billiger, als selbst in Forschung zu investieren. Da beißt sich das chinesische System der Planwirtschaft mit unserer Marktwirtschaft. Das ist ein Dilemma. Der deutsche Unternehmer, der seine Firma verkaufen will, freut sich. Aber wir tragen die Verantwortung für die gesamte Gesellschaft.“
Dank der verschärften Internetsicherheitsgesetze und des zunehmenden politischen Einflusses auf ausländische Unternehmen ziehen ohnehin immer mehr deutsche Firmen ihre Forschungszentren aus China ab. Das „Tafelsilber“, sagt einer aus der Industrie, versuche man außerhalb des Landes zu lagern.
Viele Roboter aus der Halle 3 in Shanghai werden auch an die Autoindustrie verschickt. Man ist hier stolz auf die Maschinen. In der Eingangshalle werden manche von ihnen wie in einem Museum ausgestellt. Daneben hängen Schwarz-Weiß-Bilder, die die Firmengeschichte erzählen. Die Ausstellung beginnt mit Porträts der Unternehmensgründer 1898 in Augsburg und endet Mitte der 2000er-Jahre. Auf die Übernahme durch Midea fehlt jeder Hinweis.