Lafarge und Holcim Fusion von Zement-Giganten alarmiert Behörden

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Bauwirtschaft ist besorgt

Entsprechend besorgt äußert sich die Bauwirtschaft. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, glaubt an eine „Verschlechterung für Mittelständler in der Bauwirtschaft, da diese nicht die Chance haben, größere Margen auszuhandeln“. Burkhard Schmidt, Geschäftsführer der Zech Group in Bremen und dort für das internationale Baugeschäft zuständig, weiß aus Erfahrung der vergangenen Jahre, „dass das Entstehen von markdominanten Anbietern zu Preissteigerungen führen kann“. Dadurch entstünde beim Zement „ein unkalkulierbares Kostenrisiko“.

Eigentlich ist die Zementindustrie recht überschaubar. So gibt es in Deutschland 22 Unternehmen, die 55 Werke betreiben und gerade mal 7500 Mitarbeiter beschäftigen. Branchenprimus hierzulande ist HeidelbergCement mit einem weltweiten Umsatz von rund 14 Milliarden Euro. Weitere große Spieler sind Dyckerhoff (1,6 Milliarden Euro) aus Wiesbaden, Schwenk Zement aus UIm (eine Milliarde Euro), gefolgt von den deutschen Tochterunternehmen des mexikanischen Herstellers Cemex sowie den beiden Fusionskandidaten Holcim und Lafarge.

Bedeutung der Zementbranche

Die Bedeutung der Zementbranche für die Volkswirtschaft ist aber weit wichtiger, als diese Zahlen vermuten lassen. Denn ihr Abnehmer, die Bauwirtschaft, ist einer der größten Wirtschaftszweige Deutschlands. Der Anteil der Bauinvestitionen an der gesamten hiesigen Wirtschaftsleistung beträgt knapp zehn Prozent. Preiserhöhungen beim unverzichtbaren Baustoff Zement treffen nicht nur Unternehmen und Häuslebauer. Auch Staat und Steuerzahler zahlen drauf, schließlich kommt die öffentliche Hand für knapp 30 Prozent der Bauumsätze auf.

Während große Baukonzerne genug Marktmacht besitzen, um sich von den Zementlieferanten nicht alles gefallen lassen zu müssen, dürften besonders die vielen kleinen und mittelständischen Baufirmen leiden. Stark betroffen wären auch Spezialisten für den Bau von Betonstraßen, Hallen oder Hochhäusern, weil sie vorwiegend Zement verwenden. Zech etwa könne „die steigenden Zementkosten in der Regel nicht an die Kunden weiterreichen, sagt Geschäftsführer Schmidt, dessen Gruppe zuletzt etwa das Düsseldorfer Prestigeprojekt Kö-Bogen stemmte.

Preisabsprachen der Zementhersteller

Die Eigenschaften des Produkts

Die Neigung der Zementhersteller, Marktmacht aufzubauen, vielfach ohne Rücksicht auf das Verbot von Kartellen und Preisabsprachen, resultiert aus den Eigenschaften des Produkts, mit dem sie ihr Geld verdienen. Zement ist eines der ödesten und zugleich häufigsten Produkte der Welt. Außer Wasser wird kein Material auf dem Planeten in größerer Menge verbraucht. Das graue Pulver wird vorwiegend aus Kalksteinen und Ton gemahlen, vermischt mit Wasser, Sand und Kies wird es später zu Beton, dem Synonym für Hässlichkeit und Langeweile. Was aus Sicht der Kunden bei dem homogenen Produkt zählt, ist daher allein der Preis.

Doch wie sich aufreibende Preiskämpfe verhindern lassen, wissen die Zementmanager nur zu gut. Einziger Abnehmer von Zement und dem daraus entstehenden Endprodukt Beton ist die Bauwirtschaft. Die ist regional zersplittert, viele kleine Firmen haben anders als die wenigen Platzhirsche eine schwache Verhandlungsposition gegenüber den Baustofflieferanten. Und so tobt hinter der staubigen Kulisse des ewig gleichen Geschäfts ein gnadenloser Kampf der Lieferanten gegen die Kunden, bei dem die Zementhersteller ihre Claims rund um den Globus abstecken sowie Abbau- und Liefergebiete untereinander aufteilen, damit sie sich nicht in die Quere kommen.

Genormte Ware

Die Branchengrößen wie Holcim, Lafarge oder HeidelbergCement haben kaum Möglichkeiten, sich im Wettbewerb voneinander abzuheben. Ihre Ware ist genormt, Regierungen in den meisten Staaten schreiben vor, wie sie den Baustoff zu mischen haben, um Panscherei und einstürzende Neubauten zu verhindern. Das Reinheitsgebot für Zement lässt den Herstellern kaum Spielraum für Innovation und drückt die Chance auf null, sich als Markenanbieter zu etablieren. Kein Architekt schreibt auf seinen Wolkenkratzer, von welchem Hersteller der Zement stammt, mit dem das Bauwerk geschaffen wurde.

Den Zementlieferanten spielt in die Hände, dass die Werke einen begrenzten Lieferradius von 150 bis 200 Kilometern haben, denn das Material ist schwer und die Transportkosten auf der Straße hoch. Gleiches gilt auch für Transportbeton, der schon wenige Stunden nach Anmischen erstarrt und daher schnell und zur direkten Verarbeitung zur Baustelle gekarrt werden muss. Das ermöglicht beiden, Zement- wie Betonwerken, auf ihrem Gebiet als Monopolist aufzutreten, sofern kein benachbarter Konkurrent dazwischenfunkt. Die Verlockung der Hersteller ist daher groß, Absatzgebiete aufzuteilen, um den Wettbewerb auszuschalten.

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