Lafarge und Holcim Fusion von Zement-Giganten alarmiert Behörden

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Zementbranche im Dauerfadenkreuz der Kartellbehörden

Grafik Zement

Deshalb befindet sich die Zementbranche weltweit im Dauerfadenkreuz der Kartellbehörden. In Europa haben die beiden Fusionäre Holcim und Lafarge, aber auch Cemex aus Mexiko sowie die deutschen Hersteller HeidelbergCement und Schwenk gerade mal wieder eine juristische Niederlage erlitten. Die EU-Kommission hatte 2010 ein Verfahren gegen die Unternehmen wegen Behinderung des Wettbewerbs gestartet. Dagegen wehrten sich die Verdächtigten juristisch, um den Ermittlern nicht die verlangten Geschäftsdokumente aushändigen zu müssen. Doch im März gab der Europäische Gerichtshof den Wettbewerbsaufsehern recht. Der Abschluss des Verfahrens und die mögliche Höhe der Bußgelder stehen noch aus.

Solche hässlichen Szenen spielen sich in vielen Ländern ab. In Indien haben die Behörden 2012 ein Kartellverfahren gegen die dortige Zementindustrie abgeschlossen und die betroffenen Unternehmen zu Strafen verurteilt. In England hat die Kartellaufsicht 2012 Lafarge dazu verdonnert, nach der Fusion mit der Anglo-American-Tochter Tarmac das größte britische Zementwerk zu verkaufen. Der indische Konzern Lakshmi Mittal griff zu. Nach Ansicht der Aufseher ist der Wettbewerb unter den Zementherstellern auf der Insel aber immer noch nicht intensiv genug, weil die Preise zu hoch seien. Anfang des Jahres haben die englischen Behörden daher angekündigt, dass Lafarge dort weitere Werke abtreten müsse.

Kartellbehörden

Die Hoffnung der betroffenen Bauunternehmen und der öffentlichen Hand, dass die Zementpreise durch die Fusion von Holcim und Lafarge nicht in den Himmel schießen, ruht denn auch auf den Kartellbehörden rund um den Globus. Das gilt vor allem in den Ländern, in denen die beiden Konzerne zusammen auf riesige Marktanteile kommen, etwa auf den Philippinen (64 Prozent), Frankreich (53 Prozent) oder Kanada (54 Prozent). In Deutschland vereinigt das geplante Firmengebilde der vier Zement-Zaren immerhin rund 20 Prozent des Marktes auf sich.

Die größten Baukonzerne Europas
Bauarbeiter arbeiten auf einem Gerüst Quelle: AP
Bauarbeiter arbeiten auf einer Baustelle des Konzerns Strabag Quelle: dpa
Platz 8: COLAS SADer französische Konzern hat sich auf Straßen- und Schienenbau spezialisiert. Der Name des Konzerns, für den 73.600 Menschen arbeiten, setzt sich aus den englischen Wörtern "cold" und "asphalt" zusammen.Umsatz 2012: 13 Milliarden Euro Quelle: dpa
Baukräne unter grauem Himmel Quelle: AP
Ein Bauarbeiter erhitzt auf einer Baustelle Rohre Quelle: APN
Bauarbeiter in einem neu gebauten U-Bahn-Schacht Quelle: dpa/dpaweb
Ein Arbeiter des Bauunternehmens Hochtief weist einen Container ein Quelle: dpa

Vor diesem Hintergrund haben die beiden alten und neuen Marktführer vorsorglich angekündigt, Produktionsstätten mit einem Umsatzvolumen von fünf Milliarden Euro abzustoßen. Das soll die Wettbewerbsaufseher gnädig stimmen. Beobachter gehen davon aus, dass es sich bei dem Angebot nur um die unterste Grenze an möglichen Zugeständnissen handelt. Im Fusionsverfahren, dass sich länger als ein Jahr hinziehen wird, müssen beide dann wohl nachlegen. Das war auch bei vergleichbaren Zusammenschlüssen in der Vergangenheit so.

Konkurrent HeidelbergCement

Profiteur der zu erwartenden Trennung von Konzernteilen könnte Konkurrent HeidelbergCement sein. Die Deutschen dürfen sich insgeheim die Hände reiben, denn ihnen winkt im Gegensatz zum mexikanischen Wettbewerber Cemex viel Geld, um sich an Zementwerken von Holcim und Lafarge zu bedienen. Grund: Im zweiten Halbjahr will HeidelbergCement sein Randgeschäft mit Dachziegeln und Betonbauteilen an die Börse bringen oder an einen Finanzinvestor verkaufen. Mit dem Erlös könnte sich das Unternehmen dann auf Kosten von Lafarge und Holcim im Kerngeschäft Zementproduktion verstärken.

Für Holcim und Lafarge bleiben trotzdem Vorteile. Sind sie erst mal unter einem Dach, könnten die Vermählten beim Einkauf, in der Verwaltung und der IT, aber auch beim hoch entlohnten Top-Management die Kosten drücken. Nicht gespart werden solle bei den Mitarbeitern, wie die designierte neue Konzernführung unter Lafarge-Chef Bruno Lafont beteuert.

Bedenken der Belegschaft

Die Belegschaften in Deutschland hegen dennoch Bedenken. „Wir spüren Nervosität bei den Beschäftigten in den deutschen Werken von Holcim und Lafarge“, sagt Harald Schaum, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft IG Bau. „Wir werden aber dafür sorgen, dass die Fusion nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen wird.“

Beim Versuch, Holcim und Lafarge zusammenzufügen, müssen sich die vier Zement-Zaren nicht nur auf ihre eigenen Qualitäten verlassen. Ihnen zur Seite steht der scheidende Chef des Münchner Industriegasekonzerns Linde, Wolfgang Reitzle. Der 65-Jährige ist als Präsident des Verwaltungsrats des geplanten Zementgiganten vorgesehen und schweißte Linde 2006 mit einem ebenfalls großen Wettbewerber, dem britischen Industriegasehersteller BOC, zusammen.

„Es ist ein langweiliges, aber stabiles Geschäft“, hat Reitzle unlängst über das Industriegasegeschäft gesagt. Wenn er künftig über LafargeHolcim wacht, käme wohl noch das Prädikat „von Kartellen verseucht“ hinzu.

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