WirtschaftsWoche: Herr Richenhagen, neben Klaus Kleinfeld vom Rohstoffkonzern Alcoa sind Sie der einzige Deutsche unter den Chefs der 500 größten US-Unternehmen. Was denken die Amerikaner über uns?
Richenhagen: Deutschland genießt in den USA einen hervorragenden Ruf. Es gelten die bekannten Vorurteile: pünktlich, zuverlässig, präzise. Die deutsche Ingenieurkunst gilt als Maß aller Dinge.
Bei der Energiewende geht Deutschland voran. Ist sie aus Ihrer Sicht richtig?
Es gibt eine Entscheidung, aber leider bis heute kein Konzept. Die Politik hat vorher nicht gründlich analysiert. Jetzt traut sich keiner zu sagen, was das für Bürger und Unternehmen bedeutet.
Was bedeutet es für Ihre deutsche Konzerntochter Fendt? Fürchten Sie einen Blackout?
Nein. Strom bekommen wir im Notfall auch aus Österreich oder Polen. Kurze Stromausfälle machen bei uns auch nichts kaputt. Die Bänder würden kurz stillstehen; für die IT haben wir Notstromaggregate. Das wäre alles kein Drama.
Nicht nur Energie wird teurer, auch die Preise für Nahrungsmittel sind gestiegen. Sind Spekulanten schuld?
Nur zu einem ganz geringen Teil. Die Verknappung durch die erhöhte Nachfrage ist der Haupttreiber: Die Weltbevölkerung wächst pro Minute um 156 Menschen – bald sind zehn Milliarden auf diesem Planeten. Und Chinesen und Inder essen mehr Fleisch – für die Zucht von Hühnern, Schweinen und Rindern aber braucht es riesige Mengen Getreide. Hinzu kommt: Die Erzeugung von Biosprit verschlingt zusätzliche Anbauflächen.
Wie sehr belastet die Euro-Schwäche Ihr Ergebnis?
Wir machen fast die Hälfte unseres Umsatzes in der Euro-Zone und haben mit einem Euro-Kurs von 1,28 Dollar kalkuliert. Jetzt liegt er niedriger. Das tut schon weh, denn wir bilanzieren in Dollar.
Wie wichtig die deutsche Marke Fendt für Agco ist
Ziehen Sie sich aus Europa zurück?
Das nicht. Aber wir werden den Anteil der Fertigung außerhalb der Euro-Zone vergrößern. Wir investieren derzeit in China, Russland und Argentinien.
Wie wichtig ist Ihre deutsche Marke Fendt für den Agco-Konzern?
Fendt ist Technologiemarktführer mit dem höchsten Entwicklungsbudget im Konzern. Das bleibt auch so. Wir weihen demnächst unser neues Werk in Marktoberdorf im Allgäu ein, in das wir 175 Millionen Euro investiert haben.
Welche Strategie verordnen Sie Agco?
Wir wollen sämtliche Motoren in spätestens fünf Jahren selber herstellen. Das erhöht unsere Marge. Zudem differenzieren wir uns so besser von Wettbewerbern. Derzeit kaufen wir noch rund 50 Prozent unserer Motoren von Zulieferern ein. Fendt erhält zum Beispiel pro Jahr rund 10 000 Motoren vom Kölner Hersteller Deutz.
Deutz geht in Zukunft leer aus?
Nicht unbedingt. Deutz tritt künftig in Konkurrenz mit unseren Motorenwerken in Finnland, Russland, China und Brasilien. Wir werden sehen, wer am Ende die Nase vorne hat. Wenn uns Deutz ein gutes Angebot macht, ist innerhalb des Konzerns auch eine individuelle Fendt-Lösung mit Deutz-Motoren denkbar. Das Insourcing ist aber eine strategische Entscheidung.
Afrika leidet immer noch Hunger. Kann moderne Landwirtschaft da helfen?
Absolut. Derzeit werden in Afrika nur 20 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche genutzt. Das Potenzial ist also gigantisch. Vor dem Hintergrund haben wir uns entschlossen, in Afrika eine eigene Produktion zu starten.