Landwirtschaft Bauern fürchten existenzbedrohendes Preistief

Die Preise für Milch, Fleisch und Getreide sind im Keller. Vielen Bauern geht es deshalb inzwischen an die Existenz. Die Landwirte wollen nun Druck machen - und bei den Kunden werben.

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Die Landwirte Christoph und Jochen Rohwer auf ihrem Hof in Rade bei Hohenwestedt (Schleswig-Holstein). Quelle: dpa

Die deutschen Bauern befürchten ein länger andauerndes Tief bei wichtigen Produkten wie Milch und dringen auf einen größeren Anteil an den Lebensmittelpreisen im Supermarkt. „Die Preiskrise ist mittlerweile dramatisch“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied vor einem bundesweiten Aktionstag an diesem Mittwoch.

„Wir sehen leider kein Licht am Ende des Tunnels.“ Für Milch, aber auch für Schweinefleisch oder Brotweizen seien die Preise abgestürzt, die Erzeuger erzielen können. Der Verband kritisierte auch die Supermarktketten. Der Handel wies Vorwürfe vehement zurück.

Rukwied sagte zum geplanten Aktionstag: „Wir wollen den Verbraucher informieren, dass von seinem Geld, das er an der Ladentheke ausgibt, der große Anteil nicht bei den Bauernfamilien ankommt.“

Am Mittwoch wollen Landwirte auf mehr als 100 Plätzen, in Fußgängerzonen und vor Supermärkten für höhere Preise werben. Auch Kunden sollten animiert werden, „dass sie bereit sind, ein bisschen mehr auszugeben, um die deutsche Landwirtschaft zu unterstützen“, sagte Rukwied. Wenn Verbraucher nun mehr hiesige Produkte kauften, „dann hilft das unseren Bauernfamilien in der derzeit sehr schwierigen Situation“.

Die Weltmarktpreise für zahlreiche Produkte sind seit Monaten im Keller. Hinzu kommt ein Importstopp Russlands als Reaktion auf EU-Sanktionen wegen der Ukraine-Krise. Der Bauernverband kritisiert außerdem gestiegene Margen bei Handel und Lebensmittelwirtschaft, obwohl diese derzeit günstiger Grundstoffe einkaufen könnten.

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Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels wies die Kritik zurück. „Die Ursachen für die niedrigen Milchpreise liegen doch nicht in den Margen des Handels“, sagte Hauptgeschäftsführer Franz-Martin Rausch der dpa. „Es ist derzeit einfach zu viel Milch am Markt.“ Die deutsche Milchbranche sei inzwischen auch viel stärker vom Weltmarkt abhängig als vor zehn Jahren. „Geht die Nachfrage dort zurück, kann der stagnierende Inlandskonsum diesen Überschuss nicht auffangen.“

Der Handelsverband Deutschland hob hervor, nur 37 Prozent der in Deutschland produzierten Milch gingen an den Einzelhandel. Von einer einseitigen Abhängigkeit der Milchwirtschaft könne keine Rede sein, sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Zwischen 2010 und 2014 seien die Verbraucherpreise bei Frischmilch zudem um 24 Prozent gestiegen.

Der Bauernverband kritisierte in diesem Zusammenhang auch die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erlaubte Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka. Dies sei „ein Schlag in das Gesicht der Bauernfamilien“, sagte Rukwied. Die nicht mehr gegebene Balance werde damit noch weiter zulasten der Landwirtschaft verschlechtert. Der Gewinn der deutschen Bauern war im vergangenen Wirtschaftsjahr 2014/15 im Schnitt um 35 Prozent eingebrochen. Eine baldige Trendwende sei nicht in Sicht, sagte Rukwied. „Im Moment gibt es keine Anzeichen, dass die Preise sich wieder bessern.“

Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) betonte, er setze sich für weitere EU-Liquiditätshilfen für Milchbauern ein. Die Krise könne aber nur im Markt gelöst werden. „Die Wirtschaftsbeteiligten sind auf allen Stufen in der Verantwortung, ein besseres Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu finden.“ Ruinöser Mengenwettbewerb drücke immer mehr die Preise. Der Grünen-Agrarexperte Friedrich Ostendorff kritisierte: „Preiserhöhungen beim Endverbraucher bleiben im Handel stecken. Das ist nicht akzeptabel.“

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