Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzles Comeback

Wolfgang Reitzle kehrt zu Linde zurück. Der frühere Chef soll das Amt des Aufsichtsratschef übernehmen. Auf der Hauptversammlung des Industriegaskonzerns saß er zwar schon in der ersten Reihe, blieb aber noch stumm.

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Viele Aktionäre sehen seiner Rückkehr zuversichtlich entgegen. Quelle: Imago

Ein letztes Mal war Wolfgang Reitzle in der Zuschauerrolle: Auf der Linde-Hauptversammlung nahm der Ex-Chef in der ersten Reihe Platz, doch durch die Versammlung führte der scheidende Aufsichtsratschef Manfred Schneider. Am 21. Mai wird Reitzle die Nachfolge antreten. Dann endet die zweijährige Abkühlphase, die die Regeln für die gute Unternehmensführung vorschreiben.

Wehmut wollte Manfred Schneider gar nicht verbergen. Kurz nach der Linde-Hauptversammlung gibt der Aufsichtsratschef, der die Deutschland AG lange mitgeprägt hat, sein letztes großes Amt ab. Ja, da sei Wehmut, sagte er vor dem Aktionärstreffen dem Handelsblatt: „Mir hat es ja Spaß gemacht.“

Doch habe er ja einige Zeit gehabt sich innerlich darauf vorzubereiten – und Linde stehe gut da. Und im Alter von 77 Jahren solle man ja auch einmal an sich selber denken. Und nun? „Ich werde jetzt sicher nicht zu Hause sitzen und Zeitung lesen oder Rosen züchten.“

Stellvertreter Michael Diekmann dankte Schneider für sein Engagement. „Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass eine Ära zu Ende geht.“ Er lobte die hohe Glaubwürdigkeit und die Standfestigkeit Schneiders, die Linde in den entscheidenden Stunden immer geholfen habe. Unter seiner Führung seien mutige und wegweisende Entscheidungen getroffen worden, vom Verkauf der Gabelstaplersparte bis zu den Großübernahmen von BOC und Lincare. „Die große Bühne der deutschen Wirtschaft wird ein Stück leerer.“

Langen Applaus gab es für Schneider, der sichtlich bewegt dankte und betonte, die Zukunft Lindes sei gesichert. Und launig merkte er an: „Der Aufsichtsrat kann nur noch besser werden, wenn ich jetzt ausscheide.“

Reitzle erhob sich zwar kurz, als er vorgestellt wurde. Er sprach an diesem Tag aber nicht. Viele Aktionäre sehen seiner Rückkehr zuversichtlich entgegen. Der Industriegasekonzern ist etwas aus dem Tritt geraten. Im vergangenen Jahr wurden die Ziele zum zweiten Mal in Folge teilweise verfehlt, nach einer Gewinnwarnung Ende 2015 stürzte der Aktienkurs ab. „Die Linde-Aktie hat sich eindeutig nicht so entwickelt, wie wir uns das gewünscht hätten“, zeigte sich Linde-Chef Büchele zerknirscht auf der Hauptversammlung.

Im Verbund mit Reitzle soll es nun besser werden. „Er hat hier Großes geleistet“, sagte Daniela Bergdolt, Geschäftsführerin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, dem Handelsblatt. Allerdings müsse Reitzle „sich auch mal zurückziehen und Büchele in Ruhe arbeiten lassen“. Die beiden müssten sicher erst zueinander finden. Sie sei aber zuversichtlich, dass die heikle Konstellation in diesem Fall funktionieren könne.


„Da haben Sie gepatzt“

Auf Büchele und Reitzle warten einige Herausforderungen, das Umfeld ist nicht leichter geworden. Im ersten Quartal sank der Umsatz bereinigt leicht auf 4,3 Milliarden Euro. „Im Anlagenbau spüren wir nach wie vor die Ölpreis bedingte Zurückhaltung unserer Kunden bei Großinvestitionen“, sagte Büchele. Er warnte zugleich: „Auch in den kommenden Jahren bewegen wir uns in einem von Unsicherheit geprägten Umfeld.“ Daher müsse Linde noch agiler werden.

Zunächst einmal aber müssen Reitzle und Büchele wohl das Team umformen. Vorstand Thomas Blade wechselt als Chef zu Bilfinger. Zudem wird schon länger über den Abgang von Finanzvorstand Georg Denoke in den kommenden Monaten spekuliert. Die Chemie zwischen ihm und Büchele stimmt laut Branchenkreisen nicht.

Von den Aktionären gab es Kritik für den kommunikativen Zickzackkurs im vergangenen Jahr. „Da haben Sie gepatzt“, sagte Aktionärsschützerin Bergdolt. Linde müsse das Vertrauen an den Kapitalmärkten zurückgewinnen. Auch Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung Institutioneller Privatanleger fragte: „Warum kriegen Sie das mit dem Kurs nicht hin?“

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