Linde-Hauptversammlung „Vielleicht geht es um manches Ego“

Der Ärger bei Linde ist groß: Auf dem Aktionärstreffen in München hagelt es massive Kritik an der angestrebten Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair – vor allem an Chefkontrolleur Wolfgang Reitzle.

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Linde-Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Reitzle (l) und Vorstandschef Aldo Belloni. Quelle: dpa

Vielleicht gehe es bei der geplanten Fusion mit Praxair ja gar nicht mehr nur um die strategische Logik, ruft Daniela Bergdolt den Linde-Aktionären zu, „vielleicht geht es um manches Ego.“ Es folgen heftiger Applaus und zustimmende Rufe der Anleger.

Wen Bergdolt von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) anspricht, ist jedem im Münchner Messezentrum klar: Wolfgang Reitzle, seit Ende Mai vergangenen Jahres Vorsitzender des Aufsichtsrats bei dem Münchner Gasekonzern und treibende Kraft hinter den Bemühungen, den Traditionskonzern Linde mit Praxair zusammenzuführen.

„Mich stört dieses Durchdrücken auf Gedeih und Verderb“, kritisiert Bergdolt, „ohne nach links und rechts zu blicken.“

Das ist die Linde Group

Gut 65 Prozent des Kapitals haben sich in München versammelt, und selten war eine Hauptversammlung in den vergangenen Jahren so turbulent. Von einem Konzern, der ins „Chaos gestürzt“ wurde, sprechen Aktionärsvertreter; das Erscheinungsbild erinnere an die „Augsburger Puppenkiste“, von „dilettantischem Vorgehen“ ist die Rede.

Einer der Aktionärsvertreter vergleicht die geplante Fusion von Linde und Praxair schon mit dem damaligen Zusammenschluss von Daimler und Chrysler, der am Ende ein großer Reinfall war. Wieder, wie so oft an diesem Mittwoch, folgt lauter und lang anhaltender Applaus der Anleger.

Die weltweit größten Industriegasekonzerne

Die Aktionäre kritisieren vor allem die schlechte Informationspolitik bei Linde. „Was sind denn die Synergien des Zusammenschusses?“, will Bergdolt wissen. „Warum sind wir gemeinsam stärker?“ Die Aktionäre wüssten viel zu wenig über die geplante 60-Milliarden-Euro-Fusion. „Sie informieren uns zu wenig“, ruft die Aktionärsvertreterin den Linde-Vorständen zu.

Doch es ist nicht nur die fehlende Transparenz, die viele Aktionärsvertreter beklagen. Manche stören sich auch daran, dass sie, im Gegensatz zu den Praxair-Aktionären, nicht über den geplanten Zusammenschluss mit dem US-Konzern abstimmen dürfen. „Wir sind das Volk“, sagt Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung Institutioneller Privatanleger, „es ist unser Unternehmen.“ Linde-Vorstandschef Aldo Belloni, verweist darauf, jeder Linde-Aktionär könne für sich entscheiden, ob er seine Linde-Aktien in Papiere des fusionierten Konzerns eintauscht. Bergdolt behält sich indes juristische Schritte vor, um eine Abstimmung über die Fusion zu erzwingen.

Manche Anleger stören sich aber auch an der Formulierung „Fusion unter Gleichen“. Linde sei doch größer als Praxair, sagt einer und fügt hinzu, der Konzern aus München wachse auch schneller als der US-Konkurrent, vor allem in den asiatischen Wachstumsmärkten. Da dürfte es keine 50:50-Fusion geben, eher eine 60:40-Fusion – zu Gunsten von Linde. „Wir haben als Linde-Aktionäre ein bisschen das Gefühl, dass wir uns unter Wert verkaufen“, sagt DSW-Vertreterin Bergdolt.

Linde-Vorstandschef Belloni verteidigt den Zusammenschluss. „Diese Fusion würde Wert schaffen für alle Beteiligten“, sagt er. „Ein Zusammenschluss mit Praxair wäre hochgradig komplementär, synergiestark und deshalb die ideale Grundlage für nachhaltiges, profitables Wachstum.“ Die Fusionsvereinbarung zwischen den beiden Unternehmen, verspricht Belloni, werde spätestens Ende Juni vorliegen. Im Grundsatz stellen auch die meisten Aktionärsvertreter die industrielle Logik des Megadeals mit Blick auf Synergien und Marktmacht nicht in Frage. Sie stören sich an der Art und Weise, wie der Zusammenschluss betrieben wird – auch daran, dass es offenbar vor allem Reitzle und nicht der Vorstandschef ist, der die Fusion will.

„Wir vermissen eine klare Rollenteilung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand“, kritisiert Ingo Speich von Union Investment. „Welche Rolle spielen sie bei den Fusionsverhandlungen, Herr Belloni?“, will der Aktionärsvertreter wissen. Der Eindruck sei entstanden, dass vor allem Reitzle und Praxair-Chef Steve Angel die treibende Kräfte seien, die aber agierten „hochgradig intransparent“.

„Wir wollen die Fusion“, sagt Speich, „aber nicht um jeden Preis. Es gehe darum, Linde konstruktiv nach vorne zu bringen, „nicht, sich selbst ein Denkmal zu setzen“.

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