Linde Neuer Anlauf für die Großfusion mit Praxair

Mit einem neuen Mann an der Spitze nimmt der Münchner Gasekonzern einen weiteren Anlauf für den Zusammenschluss mit dem US-Konkurrenten Praxair. Die Erfolgsaussichten sind gut.

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Linde unternimmt einen zweiten Anlauf für die Fusion mit Praxair. Quelle: dpa

Im Spätsommer waren die Gespräche mit Praxair-Chef Stephen Angel über einen Zusammenschluss mit Linde krachend gescheitert. Schuld waren vor allem die Amerikaner. Der US-Konzern hatte auf eine weit reichende Dominanz bestanden: Angel wollte offenbar Chef des fusionierten Unternehmens werden, die Konzernzentrale sollte nicht in München sein, auch andere Funktionen wie die Forschung wollte Praxair vom Linde-Stammsitz abziehen, heißt es. Das Entsetzen in der bayerischen Landeshauptstadt war entsprechend groß.

Inzwischen liegt in der Linde-Konzernzentrale in der Münchner Innenstadt ein neuer Vorschlag der Amerikaner für eine Fusion vor. Dieses Mal mit moderateren Konditionen. Von zwei Stammsitzen für den fusionierten Konzern ist die Rede, auch von einer Beschäftigungsgarantie. Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner forderte bereits in der vergangenen Woche, der Linde-Vorstand müsse auf die Sicherung der Standorte und Jobs in Bayern bestehen. Am Mittwoch nun haben Vorstand und Aufsichtsrat bei Linde beschlossen, sich mit Praxair an einen Tisch zu setzen.

Die Chancen, dass der neue Anlauf gelingt, stehen gut, sinnvoll ist der zweite Versuch allemal. Zwar müssten sich die Unternehmen aus kartellrechtlichen Gründen wohl von einigen Aktivitäten trennen. Doch eine Fusion von Linde und Praxair würde einen schlagkräftigen – und den mit Abstand größten – Gasekonzern der Welt schaffen, weit vor Lindes Dauerrivalen Air Liquide. Der Markt wäre auf lange Sicht konsolidiert.

Die weltweit größten Industriegasekonzerne

Damit Linde unbelastet in die Gespräche mit den Amerikanern gehen kann, tritt Vorstandschef Wolfgang Büchele mit sofortiger Wirkung ab. Zu sehr ist sein Name mit dem gescheiterten ersten Versuch verbunden. Außerdem hatte er bereits vor Wochen seinen Abgang für den Mai 2017 angekündigt. Da kann man keine unter Umständen monatelangen Fusionsverhandlungen führen.

Linde will mit einem neuen alten Gesicht in die Gespräche gehen. Bücheles Nachfolger wird Aldo Belloni. Der 66-jährige Italiener hat 34 Jahre bei dem Münchner Gasehersteller gearbeitet, von 2000 bis 2014 saß er im Vorstand, dann, mit dem Amtsantritt Bücheles, ging er in den Ruhestand.

Die jüngsten Manöver tragen die Handschrift eines Mannes, der Linde elf Jahre lang als Vorstandschef führte und zu einem hoch profitablen und schlagkräftigen Konzern formte: Wolfgang Reitzle. Im Frühjahr, der Konzern war durch zwei Gewinnwarnungen in Unruhe geraten, kehrte der frühere Automanager als Aufsichtsratschef zu Linde zurück. Dort musste Reitzle zuerst einen Machtkampf zwischen Büchele und seinem allzu ehrgeizigen Finanzchef Georg Denoke entschärfen. Denoke hat Linde inzwischen verlassen, der Konzern ist ein wenig zur Ruhe gekommen, und Reitzle kann das tun, was er am besten kann: große Deals einfädeln.

Er, der geschickte Stratege und Strippenzieher, dürfte es auch gewesen sein, der Belloni aus dem Ruhestand zurückgeholt hat. Doch neben den Fusionsgesprächen mit Praxair hat der Italiener, der als Vorstandsmitglied bei Linde seinerzeit für die Engineering-Sparte verantwortlich war, nun eine weitere große Aufgabe vor sich: Gerade in dieser Sparte, die schwer unter dem niedrigen Ölpreis und der wirtschaftlichen Schwäche in Ländern wie Brasilien und Russland leidet, muss Linde kräftig sparen und eine beträchtliche Zahl an Arbeitsplätzen abbauen.

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