Luftfahrt Warum Boeing am meisten unter Trump leidet

Der amerikanische Luftfahrtriese Boeing ist mehr als andere Unternehmen von ausländischen Teilen abhängig. Damit drohen ihm die größten Probleme durch die Abschottungspolitik der neuen US-Regierung. Trotzdem ist die Freude beim europäischen Erzrivalen Airbus nur verhalten.

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Die Vereinten Nationen des Himmels
Boeing-787 Quelle: Boeing
Dreamliner Quelle: REUTERS
Triebwerk Quelle: Pressebild / Rolls-Royce
Batterien Quelle: dpa
Passagiertüren Quelle: Boeing
Unterhaltungssysteme Quelle: REUTERS
Unterbodenstreben Quelle: Boeing

Boeing-Chef Dennis Muilenburg gab sich auch nach dem bislang dritten Treffen mit US-Präsident Donald Trump Ende Januar noch hilfsbereit: „Herr Trump kümmert sich wirklich um die heimische Industrie und wir unterstützen ihn natürlich gern auf seiner Mission“, so der Chef des US-Luftfahrtriesen Ende Januar. Doch die Körpersprache des 53-Jährigen war ungewohnt verkrampft.

Kein Wunder. Denn dem mit fast 100 Milliarden Dollar Umsatz weltgrößten Flugzeugbauer drohen von allen amerikanischen Industriekonzernen die meisten Probleme durch die von Trump angekündigten Handelsbarrieren. Denn wie kein zweites Großunternehmen lebt Boeing von internationaler Arbeitsteilung. „Die Manager schlucken Antistresstabletten wohl inzwischen eimerweise“, vermutet Scott Hamilton, Inhaber des Marktforschers Leeham aus Seattle im Nordwesten der USA, wo der Verkehrsflugzeugbau von Boeing den Hauptsitz hat.

Zwar können sich Muilenburg und seine Führungsteam wie alle Großunternehmen über niedrigere Steuern ebenso freuen wie darüber, dass sie im Ausland verdientes Geld künftig leichter als bisher ohne lästige Abgaben in die Heimat holen können. Doch mindestens drei Dinge machen diese Vorteile mehr als wett und dürften im Management für nervöse Mägen und Sodbrennen sorgen: Strafzölle, ein Ende der Exportförderung und der Versuch die Zuwanderung zu stoppen.        

Die größten Flugzeugbauer und -zulieferer

Die Strafzölle oder Einfuhrverbote treffen Boeing härter als andere, weil der Konzern für seine Jets die Hälfte aller Teile importiert. Beim Vorzeigemodell Dreamliner 787 ist der Anteil sogar bei fast zwei Dritteln.

Dahin steckte mal eine gute Idee. Als der Konzern seinen Wundervogel kurz nach der Jahrtausendwende konzipierte, sollte dies vor allem das Risiko mindern. Weil neue Jets in der Regel später kommen und deutlich teurer ausfallen als geplant, hat Boeing seine Zulieferer zu Risikopartnern gemacht. Sie sollten sich in das Programm mit eigenem Geld einkaufen und technische Neuerung selbst vorfinanzieren. Dafür bekamen  sie einen größeren Anteil an den Gewinnen aus dem Verkauf der 787 während des auf 30 Produktionsjahre Jahre und eine halbe Billion Dollar angelegten Programms. Das reizte jedoch weniger die klassischen US-Konzerne wie GE oder UTC, sondern vor allem Zulieferern aus Ländern, die wie Japan, China oder Korea ihre Flugbranche ausbauen wollten.

Wer aus den USA oder Europa mitmachte, den ermutigte Boeing eigene Werke im Niedriglohnland Mexiko zu eröffnen. Ein Bericht der Seattle Times zitierte im Herbst 2012 den Leiter des Boeing-Lieferanten-Managements Patrick McKenna. Der drängte Zulieferer doch im Niedriglohnland Mexiko zu investieren und setzte dafür sogar einen Workshop auf, der den Lieferanten beibringen sollte, wie südlich des Rio Grande trotz Korruption und Drogenkriminalität Geschäfte machen können.

Aufträge von Airbus und Boeing im Vergleich

Das rächt sich jetzt gleich auf zweierlei Weise. Zum einen drohen die von Trump angedrohten Exportbeschränkungen Lieferungen aus Mexiko zu verteuern oder gar fast unmöglich zumachen erschweren. Dazu kann Boeing die Zulieferer nicht ohne weiteres tauschen. Sie sind am Flugzeugprogramm 787 beteiligt und weil Boeing hierbei wegen der vielen technischen Probleme laut Schätzungen noch immer gut 20 Milliarden im Minus ist, kann Muilenburg es die Partner auch nicht ausbezahlen.

Und selbst wenn Muilenburg den Wechsel versuchen wollte, wäre es ein Ersatz fast unmöglich. „Trump glaubt wohl Flugzeugteile sind wie Zement für Kasinos, wo man einfach auf eine andere Quelle schaltet“, sagt Richard Aboulafia, Luftfahrtexperte des US-Thinktanks Teal Group aus der Nähe von Washington.

Wegen der hohen Sicherheitsauflagen in der Luftfahrt braucht jeder neue Lieferant eine gründliche Vorprüfung durch den Flugzeughersteller und eine Zulassung durch die Aufsichtsbehörden. Dazu kommt eine mehrjährige Trainingszeit bis die Mitarbeiter die für die in Sicherheitsfragen fast paranoide Branche nötige Qualität liefern. Somit bekommt Boeing anders als in der Autobranche, kurzfristig keinen Ersatz.

Chinesische Kunden drohen abzuwandern

Das gilt selbst für ein vermeintlich simples Produkt wie die Kabel. Das in jedem Dreamliner rund 32 Kilometer lange System baut fast komplett eine Tochter des französischen Zulieferers Safran in der nordmexikanischen Stadt Chihuahua. Bis zu 1000 Mitarbeiter wickeln hier bei Labinal Power Systems an bis zu 20 Meter langen weißen Brettern nach einem für Außenseiter verwirrenden Muster kleine Kabel in verschiedenen Farben und Größen um eine schier endlose Zahl von kleinen Plastikzylinder –bis sich daraus der Kabelbaum in der Form eines überdimensionierten Zopfs ergibt. Eine kleine Abweichung, dann passt das Kabel nicht mehr oder einer der vielen Stränge könnte gebrochen sein. „Dann ruht die Arbeit am Flugzeug“, so der Hamburger Flugexperte Heinrich Großbongardt.

Muilenburg zweites Problem ist das von Trumps Administration geplante Ende der staatlichen US-Exportförderbank ExIm. Es beraubt Boeing des wichtigsten Mittels um Jets für Fluglinien zu finanzieren.

Die günstigen ExIm-Kredite nutzen nicht nur Unternehmen mit schwächeren Finanzen oder aus Ländern mit wenig Devisen. Auch solvente Linie wie die British-Airways-Mutter IAG, der Lufthansa-Konzern oder der Billigflieger Norwegian nutzen die Hilfen. Es drückt nicht nur die kurzfristig Kapitalbedarf und Zinsausgaben, sondern bringt auch beim Verkauf Leasingfirmen einen höheren Überschuss um die eigenen Finanzen  zu stärken. „Ohne die ExIm-Bank müsste Boeing viele Jet-Käufe finanzieren“, so Experte Aboulafia.

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Das würde nicht nur Boeings Finanzen strapazieren und wegen der schlechteren Bewertung bei Ratingagenturen Boeings Kapitalkosten erhöhen. „Die Zinsen und damit die Flugzeugkosten dürften weit über denen liegen, die Airbus-Kunden dank der europäischen Ausfuhrbanken genießen“, so Aboulafia.

Das alles verblasst jedoch angesichts der dritten und noch am wenigsten greifbaren Gefahr. Die Einreiseverbote wie der wieder gestoppte Bann für islamische Staaten verärgern die Golfstaaten, Säbelgerassel über einen Handelskrieg vergrätzt China – und damit die derzeit wichtigsten Boeing-Kunden. Sie könnten die Aufträge entweder aus Ärger oder auf Druck ihrer Regierungen stornieren oder auf Strafzölle mit eigenen Aufschlägen kontern. Dadurch würden die Boeing-Jets gegenüber den heute in etwa gleich teuren Airbus vom Preis her chancenlos.

Marktforscher Hamilton sieht die Zahl der bedrohten Bestellungen bei mehr als 1200 Jets oder 21 Prozent des Auftragsbestands mit einem Wert von mehr als 200 Milliarden Dollar. „Internationale Spannungen besonders mit China und dem Mittleren Osten haben das Potenzial zum größten Risiko werden, sowohl beim Auftragsbestand als auch für das erwartete langfristige Wachstum.“, schrieb die Investmentbank Morgan Stanley in der vergangenen Woche in einer Studie über Boeing.

Das bietet der Jumbokiller
Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa

Das ist keine leere Drohung. Wenn Trump Importe aus der Volksrepublik China tatsächlich wie angedroht mit bis zu 45 Prozent Steuer belegt, könnte das Land zurückschlagen. „Die Regierung China fuchtelt nicht lange, wenn sie bedroht wird“, so Marktforscher Hamiliton.

Wie schnell das geht, erlebt bereits einer der wichtigsten Boeing-Kunden: American Airlines. Die weltgrößte Fluglinie hat zwar das Recht aus Los Angeles die chinesische Hauptstadt Peking anzufliegen. Doch die Behörden im Reich der Mitte verzögern seit Trumps Brandreden offenbar die Zuteilung der passenden Start und Landezeiten. „Das riecht nach einer Nachricht an Trump“, so Hamilton.

Die größten Zulieferer der Luftfahrt
Platz 10: Spirit Aerosystems Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 9: Precision Castparts Quelle: dpa
Platz 8: Mitsubishi Quelle: REUTERS
Platz 7: Textron Quelle: dpa
Platz 6: L3 Technologies (ehemals L-3 Communications) Quelle: Presse
Platz 5: Honeywell Quelle: REUTERS
Platz 4: Rolls-Royce Quelle: REUTERS

„All das müsste eigentlich Boeings Erzrivalen Airbus helfen“, so Experte Aboulafia. Doch beim europäischen Luftfahrtriesen kommt dennoch kaum Freude auf. „Macht Trump so weiter, würden wir sicher in Zukunft mehr Jets verkaufen“, sagt ein Airbus-Manager. „Doch hätten wir angesichts unseres eigenen gewaltigen  Auftragsbestands gar nicht die Kapazität, sie alle zu bauen.“

Dazu befürchtet Airbus auch die Nebenwirkungen der Handelshemmnisse. „Jede Einschränkung des Welthandels ist schlecht für die internationale Arbeitsteilung sowie den weltweiten Wohlstand - und damit auch für unser Geschäft“, so Konzernchef Tom Enders. 

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