Luxus-Modell Phaeton schwächelt Eine Stadt bangt um das VW-Spitzenmodell

Das VW-Luxus-Modell Phaeton aus der Gläsernen Manufaktur in Dresden schwächelt – nun soll es elektrisch werden. Wann es soweit sein wird, ist aber noch unklar. Dresden bangt um ein Aushängeschild, die Mitarbeiter hoffen.

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Nicht nur für die Marke VW und den Konzern ist die Gläserne Manufaktur mit der transparenten Autoproduktion ein Aushängeschild. Quelle: dpa

Dresden Nahezu lautlos gleiten die schwarz-glänzenden Nobelkarossen an Fließbändern über den Boden. An jeder Station stehen Monteure in weißen Overalls, die Hände stecken in weißen Handschuhen. Bedächtig und Schritt für Schritt lassen die Arbeiter das Innenleben der Phaetons wachsen – sie bauen in der Gläsernen Manufaktur in Dresden das Spitzenprodukt der Kernmarke VW.

Eigens für den Phaeton wurde der Glaskasten errichtet, seit 2001 ist der wuchtige Luxuswagen aus Sachsen das Aushängeschild des Konzerns. „Es ist vor allem die Atmosphäre der Ruhe und Klarheit, die eher an einen Operationssaal erinnert“, heißt es auf der Homepage der Gläsernen Manufaktur. Doch mit der Ruhe ist es vorbei – nicht nur wegen des Bekanntwerdens der Abgas-Affäre Mitte September.

„Wir waren natürlich erst einmal schockiert, als wir davon erfahren haben“, beschreibt es einer der VW-Mitarbeiter, der seinen Namen nicht nennen möchte. Eine Zeit lang hat der 42-Jährige in der Manufaktur gearbeitet, auch seine Familie lebt in Dresden. Seit Monaten pendelt er nun aber in das Zwickauer Werk – gut eine Autostunde von der sächsischen Landeshauptstadt entfernt. So wie er werden mittlerweile ein Teil der 500 Beschäftigten an andere Standorte ausgeliehen. „Das muss man auch positiv sehen, keiner von uns ist arbeitslos geworden.“

Es ist kein Geheimnis, dass sich der Phaeton nicht so gut verkauft wie erwartet. Heute werden gerade einmal acht Luxuslimousinen am Tag montiert. 4000 Phaetons liefen 2014 vom Band, 2011 waren es noch 11.166. Weil die Produktion nicht ausgelastet ist, wird seit 2013 auch die Bentley-Luxuslimousine Flying Spur in Dresden gefertigt.

Hieß es nach der Abgas-Affäre zunächst, dass das geplante Nachfolgemodell mit Verbrennungsmotor auf dem Prüfstand stehe, ist nun klar: Der neue Phaeton kommt – und er wird elektrisch. Langstreckentauglich soll er sein und neu definiert werden, kündigte VW-Markenchef Herbert Diess kürzlich an.

Wann der Wagen nun aber tatsächlich auf den Markt kommt, ist noch ungewiss – aus Kreisen des Konzerns heißt es: frühestens 2019. Unklar ist auch, was die neuerliche Verschiebung für Dresden bedeutet.

„Jetzt wird man sich mit bestimmten Konzepten beschäftigten, was wir als Übergangsszenarien machen können“, sagt Jens Rothe, Betriebsratsvorsitzender von VW Sachsen. Es gebe viele Ideen, noch sei aber keine spruchreif. „Alle Parteien sind sich aber der Verantwortung bewusst, da werden wir eine Lösung finden“, gibt sich Rothe zuversichtlich.


Aushängeschild nicht nur für VW

Der Konzern mit seinen zwölf Marken hat jedenfalls Erfahrung darin, Produktionslücken zu schließen. Im VW-Nutzfahrzeugewerk produzierten und lackierten die Mitarbeiter jahrelang die Rohkarosse vom Porsche-Panamera. Und bei Seat in Spanien rollten in der Krise Audis von den Bändern.

Manufaktur-Sprecher Carsten Krebs kündigte an, dass Einzelheiten zum neuen Phaeton-Modell in den nächsten Wochen festgelegt werden sollen. Nicht nur für die Marke VW und den Konzern ist die Gläserne Manufaktur mit der transparenten Autoproduktion ein Aushängeschild.

Auch für die Stadt Dresden: Die Manufaktur ist ein kulturelles Highlight, Bestandteil fast jeder Stadtrundfahrt. Zahlreiche Veranstaltungen finden in dem markanten Bau mit dem gläsernen Fahrzeugturm statt, allein 2014 waren es 180. Seit der Eröffnung 2001 kamen nach Manufaktur-Angaben mehr als 1,6 Millionen Besucher.

„Die Stadt Dresden ist stolz auf diese einmalige Produktionsstätte von VW am Standort, die neben der Besonderheit der modernen Architektur auch eine wichtige touristische und kulturelle Bedeutung hat“, erklärt Stadtsprecher Kai Schulz. Umso mehr bangen die Dresdner um den „Glaskasten“ inmitten der Stadt.

Das war allerdings nicht immer so: Gegen die Pläne von VW, sich ausgerechnet am Rande des Großen Gartens, der „Grünen Lunge“ der Stadt, anzusiedeln, regte sich anfangs Widerstand. Initiatoren wollten ein Bürgerbegehren starten und machten ökologische Bedenken geltend – sie scheiterten allerdings. Heute ist die Manufaktur kaum aus dem Stadtbild wegzudenken.

„Die Automobilproduktion hat vor Jahren mit der homogen in das Stadtbild von Dresden integrierten Gläsernen Manufaktur von Volkswagen eine neue Transparenz erlangt“, erklärt Peter Nothnagel, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Sachsen. Betriebsrat Jens Rothe sieht in dem offenen Produktionskonzept gerade angesichts der Krise eine Chance für die Manufaktur, „künftig vielleicht noch stärker Schaufenster des Konzerns zu werden.“ Alles, was es an technologischen Highlights und Innovationen gebe, könne dort präsentiert werden. „Das halte ich durchaus für eine Zukunftsperspektive.“

Auch der 42 Jahre alte VW-Mitarbeiter hofft, dass es eine Zukunft für den elektrischen Phaeton gibt - und er bald nicht mehr nach Zwickau pendeln muss. Mittlerweile seien die VW-Mitarbeiter in Dresden und den anderen sächsischen Standorten wieder motiviert, sagt er. Der Abgasskandal sei „ein Verschulden der Manager, nicht der Mitarbeiter“. Deshalb haben die Beschäftigten eine Facebook-Gruppe gegründet, mit der sie zeigen wollen, dass sie hinter ihrem Arbeitgeber stehen: „Wir sind Volkswagen“, heißt es dort.

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