Luxusautobauer Jaguar Land Rover Der britische Makel

Lange profitierte Jaguar Land Rover (JLR) von seinem Ruf als Hersteller britischer Luxusautos, die selbst der Königin genehm sind. Nach dem Brexit-Votum ist das anders. Dennoch baut JLR einen neuen Range Rover.

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Luxuskarossen im britischen Werk von Jaguar Land Rover: Ein Arbeiter inspiziert im Werk Solihull die Produktionspapiere eines für China vorgesehenen Autos. Quelle: Reuters

London Ob ihm der Brexit Kopfschmerzen bereite? „Schlaflose Nächte“ habe er wegen der Entscheidung der Briten, aus der Europäischen Union (EU) auszutreten, sagt Ralph Speth, Chef des britischen Autohersteller Jaguar Land Rover (JLR) am Mittwoch in London vor Journalisten. Schließlich sieht das Unternehmen, das der gebürtige Deutsche mit dem markanten Schnauzer seit rund acht Jahren führt, seine Autos als „wichtigste Luxus-Exportartikel Großbritanniens“ und ist der größte Autohersteller der Insel.

Doch für einige der gut betuchten Kunden ist das offenbar keine positive Eigenschaft mehr: Auf dem Pariser Automobilsalon habe er die Rückmeldung bekommen, dass Kunden, vor allem aus Südeuropa, nach dem EU-Referendum der Briten vergangenen Juni kein britisches Auto mehr fahren wollen, erzählt der Manager.

In den Zahlen spiegelt sich das nicht wirklich wider: Im vergangenen Jahr hat JLR 583.313 Fahrzeuge verkauft, zwanzig Prozent mehr als zuvor. „Man fragt sich natürlich, ob es noch ein bisschen besser hätte sein können“, sagt Speth. Der Manager hat sich gleichwohl vorgenommen, den Absatz weiter zu steigern.

Am Mittwoch stellte JLR ein neues Modell vor, den „Range Rover Velar“. Der Geländewagen ist ein so genannter Midsize-SUV, der im Portfolio der Briten zwischen dem Range Rover Evoque und dem fast doppelt so teuren Range Rover Sport angesiedelt ist. Vor allem auf männliche Kunden mit einem Faible für Design und technische Details zielt das Modell ab.

Aus Sicht von Experten stellt der Range Rover Velar eine wichtige Ergänzung in der Produktpalette dar. Während die Konkurrenz mit Autos wie dem Audi Q5, dem Porsche Macan, dem Mercedes GLC und dem BMW X4 aufwartet, fehlte JLR bislang ein derartiges Fahrzeug.

„Der neue Range Rover füllt eine Lücke in dem Angebot zwischen dem Evoque und Range Rover Sport“, sagte Professor David Bailey von der Aston Business School in Birmingham dem Handelsblatt. „JLR will den Absatz in den kommenden fünf Jahren verdoppeln und braucht dafür eine Reihe neuer Modelle. Der Velar ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg“.

Mit Features wie schmalen Türgriffen, die wie ein CD-Halter lautlos in der Karosserie verschwinden, wenig Schaltern und Bedienelementen, Touchscreens und teuren Materialien im Inneren will der Wagen Designfreunde ansprechen. Daneben wurde das Auto mit einer Aluminium-Leichtbau-Konstruktion mit Allradantrieb, sechs Airbags und zahlreichen Fahrassistenzprogrammen wie etwa einem Notfallbrems-Assistenten für die Erkennung von Fußgängern ausgerüstet.

Sechs verschiedene Motoren werden angeboten, mit dem stärksten Motor, einem 3,0-Liter-V6-Kompressorbenziner mit 280 kW/380 PS, schafft der Wagen den Spurt von 0 auf 100 km/h in 5,7 Sekunden. Ab Sommer ist das neue Modell zu kaufen, mindestens 56.400 Euro muss man dafür auf den Tisch legen.


Britische Autobranche befürchtet schwerwiegende Brexit-Folgen

Entwickelt wurde das Fahrzeug in Großbritannien, wo der Velar auch ab dem Sommer im Land Rover-Stammwerk Solihull vom Band rollen soll – trotz der Unsicherheit über den bevorstehenden Austritt aus der EU. „Noch ist ja nichts passiert“, sagt Speth. Die Verhandlungen über den Austritt hätten schließlich nicht einmal begonnen. Er habe Vertrauen in die britische Regierung, dass diese sich der Verantwortung der Automobilbranche gegenüber bewusst sei, meint Speth. Garantien für die Zeit nach dem Brexit habe er nicht erhalten, aber auch nicht gefordert.

Dabei befürchtet die Automobilbranche in Großbritannien schwerwiegende Folgen, sollte der Abschied aus der EU auch dazu führen, dass der Zugang zum Europäischen Binnenmarkt wegfällt. Neue Zölle und Vorschriften könnten das Geschäft erschweren und die Gewinne schmälern.

Nach Schätzungen von Experten werden in einem durchschnittlichen Auto rund 5.000 Komponenten verbaut, die in manchen Fällen sogar mehrfach über den Kanal hin- und hertransportiert werden. Auch rund die Hälfte der Teile in den Autos von JLR müssen importiert werden. Zudem beschäftigen die Firmen Mitarbeiter aus dem Ausland, die im Zuge des Brexit um ihre Aufenthaltsgenehmigung fürchten müssen – oder gar nicht erst auf die Insel kommen werden.

Nach Informationen des Handelsblatt prüft BMW daher angesichts des bevorstehenden EU-Austritts, wo man den geplanten Elektro-Mini bauen lässt. Wegen des Brexit kommt demnach nicht nur das Werk in Großbritannien in Frage, sondern auch Fabriken auf dem Kontinent. BMW betont, dass bisher noch keine Entscheidung getroffen worden sei. Doch bereits die Überlegungen sorgen in Großbritannien für Aufruhr, schließlich bestätigen sie, dass der Automobilbranche – für die auf der Insel über 800.000 Menschen arbeiten - unsichere Zeiten bevorstehen.

Der japanische Autohersteller Nissan hatte bereits vor der Entscheidung über den Produktionsstandort des neuen Qashqai, Zusagen von der britischen Regierung eingefordert – und auch erhalten. Welche Zusagen das genau waren, ist unbekannt.

Auch JLR baut ein neues Werk im slowakischen Nitra, das ab 2018 Autos produzieren soll. Doch „Großbritannien wird unverändert die Basis und das Zentrum unseres Geschäfts bilden“, sagt Speth nun. Das neue Modell sei „durch und durch“ ein britisches Produkt, betont er, „ein klares Statement für die britische Wirtschaft“.

Das erste Elektroauto in der Geschichte des Unternehmens wird aber auch JLR nicht auf der britischen Insel bauen: Der I-Pace wird in den Werken des österreichischen Automobilherstellers Magna Steyr produziert. Der Technologie sagt Speth eine große Zukunft voraus: Bis 2020 will er die Hälfte seiner Autoflotte auf Hybrid- oder Elektroantrieb umstellen. „Ob das von den Kunden angenommen wird, ist eine andere Frage“, sagt er. Er sei da vielleicht ein wenig optimistisch.

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