Matthias Zachert Dem neuen Lanxess-Chef droht ein böses Erwachen

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Grundlegende Neuausrichtung

Natürlich wird der neue Lanxess-Chef alles tun, um die bittere Pointe abzuwenden. Kaum 100 Tage im Amt, hat Zachert sich als harter Entscheider etabliert, der etwa massive Investitionskürzungen vornehmen will. 2013 steckte Lanxess 624 Millionen Euro in seine Anlagen, mehr als sieben Prozent vom Jahresumsatz. Vor allem die neuen Produktionsstätten in China und Singapur rissen ein Loch in die Kasse. Allein die Anlage in Singapur, die die Kautschukwelt nicht wirklich braucht, kostete 400 Millionen Euro. Bis 2015 will Zachert die Ausgaben auf unter 600 Millionen Euro drücken, 2016 will er nur noch zwischen 400 und 500 Millionen Euro freigeben.

Auch die Zahl der Geschäftseinheiten streicht er zusammen, von 14 auf 10, zahlreiche Führungspositionen werden neu besetzt. Vorstandsmitglied Werner Breuers, bereits unter Vorgänger Axel Heitmann für das kriselnde Kautschukgeschäft verantwortlich, verließ vor wenigen Tagen den Vorstand.

Tal der Tränen

Bei der Auswahl seiner Berater setzt der neue Lanxess-Chef dabei statt auf McKinsey, die Zachert von seinem früheren Arbeitgeber Merck gut kannte, auf den Wettbewerber Boston Consulting Group (BCG). Offenbar war deren Angebot deutlich stärker auf die speziellen Lanxess-Erfordernisse zugeschnitten. Seit dem Frühjahr ist die von BCG-Partner Udo Jung angeführte Beratertruppe am Werk, lotet Sparmöglichkeiten aus, prüft die Profitabilität von Standorten und die Chancen für Zu- und Verkäufe oder Joint Ventures.

Zacherts heikelste Aufgabe ist dabei der Abbau von Arbeitsplätzen. Dazu verhandeln er und seine Vorstandskollegen gerade mit den Arbeitnehmervertretern. Über die genauen Pläne lässt sich der Lanxess-Chef nichts entlocken. Fest steht jedoch, dass Zachert Jobs in den Büros kappen wird. Unter seinem sonnenkönigähnlichen Vorgänger Heitmann stiegen in den vergangenen vier Jahren die Verwaltungskosten um fast 50 Prozent – von 666 Millionen 2009 auf 958 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Allein in den zentralen Konzernfunktionen wie etwa Controlling, Steuern oder Personal müssen nun rund 1.000 Mitarbeiter in Deutschland um ihre Jobs zittern. Weitere Stellenstreichungen dürfte es dort geben, wo Kautschuk produziert wird – das ist vor allem im Ausland, in Lateinamerika und China etwa.

Abhängig vom Auto: Umsatzanteile nach Branchen (in Prozent). (zum Vergrößern bitte anklicken)

Die Mitarbeiter hat Zachert jedenfalls auf ein „Tal der Tränen“ und eine Durststrecke von zwei, drei Jahren eingeschworen. Solche klaren Aussagen kamen offenbar an in der Belegschaft. Als Zachert vor einigen Wochen bei einer Betriebsversammlung in Leverkusen klarmachte, dass es ohne Personalabbau nicht geht, applaudierten viele Mitarbeiter.

Ebenso kam bei vielen Lanxesslern an, dass ihr neuer Chef nicht wie vereinbart am 1. April in der Konzernzentrale am Köln-Deutzer Rheinufer aufschlug, sondern bereits im März. Dafür opferte Zachert, trotz Familie, seinen Resturlaub, der ihm von seinem früheren Arbeitgeber Merck noch zustand. Positiv fiel auch auf, dass Zachert in den ersten Tagen seiner Amtszeit die Rundtour durch alle Flure des 20-stöckigen Towers machte, um sich den Mitarbeitern persönlich vorzustellen und im Gespräch an alte Zeiten anzuknüpfen.

Um Lanxess nach vorne zu bringen, sondiert der Vorstandsvorsitzende gleichzeitig Kooperationen und Zukäufe. Hauptproblem ist die starke Kautschukabhängigkeit von der Auto- und Reifenindustrie, die sich für Lanxess als Klumpenrisiko erwiesen hat (siehe Grafik). Um das zu verringern, plant Zachert einerseits die Übernahme kleiner bis mittlerer Unternehmen in stabileren Märkten, etwa der Herstellung von Pflanzenschutz-Vorprodukten.

Andererseits will der Lanxess-Chef die Wettbewerbsfähigkeit des Kautschukgeschäfts stärken, indem er sich einen besseren Zugang zu Rohstoffen verschafft. Marktkenner schätzen, dass er Kooperationen mit Unternehmen wie etwa Sinopec in China, Braskem in Brasilien oder Saudi Aramco in Saudi-Arabien im Visier hat. Mit ersten Erfolgen ist aber wohl erst 2015 zu rechnen. Zacherts Verhandlungsposition ist dabei gar nicht mal so schlecht: In vielen Kautschuksegmenten gilt Lanxess als Markt- und Technologieführer. Nur bei den Kosten hapert es eben.

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