Düsseldorf Der Kopf ist schwer und pocht böse. Es fühlt sich an, als würde er jeden Augenblick zerbersten. Die Zunge ist pelzig, der Körper schreit nach Flüssigkeit, der flaue Magen sagt aber was ganz anderes… Wer kennt ihn nicht? Den Kater nach einer feuchtfröhlichen Silvester-Party.
Doch was hilft? Schließlich dürfte es nicht jedermanns Sache sein, nach einer durchzechten Nacht zum Frühstück den oft empfohlenen Rollmops mit einer Blutorange oder Tomatensaft zu kombinieren. Doch Wasser- und Mineralhaushalt müssen schnellstmöglich aufgefüllt werden. Daher werden auf der Suche nach dem schnellen Heilmittel gegen den bösen Kater viele Produkte ausprobiert, die die entsprechenden Stoffe in Tablettenform liefern.
Auf diesem Weg kommt manches Produkt zu einem Ruf und Bekanntheitsgrad, den der Hersteller gar nicht vorgesehen hatte. So wie Berocca von Bayer. Der Pharmahersteller vermarktet seine Brausetabletten als Performance-Drink „für alle, die viel leisten“. Und Bayer legt Wert darauf, dass sein Produkt kein Katermittel sei. Doch genau zu diesem Ruf ist Berocca gekommen.
Weltweit versuchen zahlreiche Menschen die Schwere im Kopf loszuwerden, indem sie die orange Tablette in ein Glas Wasser schmeißen und das Getränk herunterstürzen. Die Inhaltsstoffe: verschiedene B- und C-Vitamine, Zink und viel Magnesium. In Australien gilt Berocca als eines der populärsten Mittel gegen den Kater, ähnlich verhält es sich in Südafrika, England, Frankreich und Korea. Und als Berocca 2014 in den US-Handel kam, wurde das schon vorab in den Medien als das Ende aller Katerbeschwerden gefeiert.
Dass Bayer Berocca übernahm, als es 2005 vom Schweizer Pharmakonzern Roche das Geschäft mit verschreibungsfreien Medikamenten kaufte, dürfte sich längst rentiert haben. Schließlich expandierte Bayer danach mit Berocca in mittlerweile mehr als 70 Ländern. Im ersten Halbjahr 2016 lag der Umsatz mit Berocca bei 84 Millionen Euro.
Warum der Dezember der umsatzstärkste Monat ist
Andere Hersteller bewerben ihr Produkt ganz bewusst als Mittel gegen den Kater – in Deutschland zählen Antialc, Katerfly oder Katerschreck dazu. Diese sind jedoch eher Nischenprodukte. Auch diese Tabletten bestehen aus verschiedenen Mineralstoff-Kombinationen wie Kalium, Natrium und Vitamin C oder auch Kalzium und Magnesium.
Für diese Hersteller sind Weihnachten und Silvester die Höhepunkte des Jahres, wie der Katerfly-Produzent Philapharma bestätigt. „Die Nachfrage nach Katerfly verdoppelt sich im Monatsvergleich im Dezember“, erklärt ein Sprecher. Ähnliches berichtet Vivere, der Hersteller von Afteralc. „Online verkaufen wir im Dezember knapp die dreifache Menge im Vergleich zu einem normalen Monat wie Mai“, erklärt ein Vivere-Sprecher.
Das Marktforschungsinstitut Insight Health kann für solche Anti-Kater-Mittel rund um Silvester allerdings keinen steigenden Absatz feststellen. Es beobachtet lediglich pro Woche ein Volumen von durchschnittlich 250 Packungen. „Die wöchentlichen Ausschläge variieren entsprechend stark nach oben und unten. Hier sticht die Silvesterwoche nicht hervor“, erklärt das Institut. Allerdings beobachtet Insight Health lediglich den Apothekenabsatz. Die Kater-Killer können aber unter anderem über Drogeriemärkte direkt beim Endkunden landen.
Eine Auffälligkeit stellt Inside Health jedoch fest. In der Woche um Silvester steigt in den öffentlichen Apotheken der Absatz von freiverkäuflichen Analgetica. Die Schmerzmittel-Klassiker wie Aspirin, Paracetamol oder Ibuprofen machen die Thrombozyten beweglicher und verbessern die Feindurchblutung. Wer die Tabletten mit Mineralwasser schluckt, füllt praktischerweise auch gleich seinen Elektrolyt- und Wasserhaushalt wieder auf.
DAS Mittel gegen den Kater ist in wissenschaftliche Studien allerdings noch nicht gefunden. Dafür wurden im November 2016 auf der jährlichen Tagung der Gesellschaft für Neurowissenschaften in San Diego zwei Studien vorgestellt, die nahelegen, dass sich ein intensives Sportprogramm nach einer durchzechten Nacht positiv auf die Symptome eines Katers auswirken kann. Ob diese Erkenntnis dem durchschnittlichen Katergeschädigten an Neujahr weiterhilft, erscheint jedoch fraglich.