Medizintechnik Stiftung Fresenius in der Kritik

Die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung ist eine der größten deutsche Privatstiftungen. Doch so erfolgreich die Unternehmerin war, so umstritten ist ihre Stiftung.

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Laborant im Fresenius-Labor Quelle: Presse

Die Hirsch-Apotheke gibt es noch, mitten in der Frankfurter City, auf der Zeil 111. Hier, in dem 1462 gegründeten Medikamentenladen, entstand der Gesundheitskonzern Fresenius, der in der höchsten deutschen Börsenliga, dem Dax, mitspielt. Hier wurzelt letztlich auch die Karriere der Unternehmerin Else Kröner, die Fresenius groß machte und später ihr Vermögen in eine Stiftung überführte, die den Konzern bis heute beherrscht.

Fresenius zählt mit 16 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 137 000 Mitarbeitern zu den weltweit größten Medizinkonzernen. Die Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) ist eine der größten Privatstiftungen in Deutschland. Von Bad Homburg bei Frankfurt aus beherrscht sie zwei Konzerne als Großaktionär: neben Fresenius auch die ebenfalls im Dax notierte Tochter Fresenius Medical Care (Dialysegeräte).

Deutschlands größte Stiftungsunternehmen
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Doch so erfolgreich die 1988 verstorbene Stifterin Else Kröner als Unternehmerin wirkte, so umstritten ist ihre Stiftung. Interne wie externe Kritiker beklagen, dass die EKFS zu viel Geld ins Unternehmen stecke und zu wenig für ihre eigentlichen Zwecke ausschütte: die Förderung der biomedizinischen Forschung sowie medizinisch-humanitäre Hilfsprojekte. 2011 summierten sich Fördergelder auf 21,6 Millionen Euro, bei einem Vermögen von drei Milliarden Euro. „Das ist zwar deutlich mehr als noch vor einigen Jahren, aber sicher noch steigerungsfähig“, sagt Hans Fleisch, Generalsekretär beim Bundesverband Deutscher Stiftungen, „im Vergleich zu anderen Stiftungen liegt die Ausschüttungssumme bei der EKFS immer noch niedrig.“ Von einem „gewissen Missverhältnis“ spricht der Bonner Steuerrechtler Rainer Hüttemann.

Hilfe vom Apotheker

Die Stieftochter der Stifterin, Gabriele Kröner, ging juristisch gegen die ihrer Meinung nach zu geringe Fördersumme vor. Zudem prangerte sie die Machtfülle des Stiftungs-Verwaltungsratschefs Dieter Schenk an, der sowohl in der Stiftung als auch in den Unternehmen entscheidende Fäden zieht. „Die Stellung von Schenk ist im deutschen Stiftungswesen relativ einzigartig“, sagt Stiftungs-Generalsekretär Fleisch. Mit ihren Argumenten konnte sich Gabriele Kröner allerdings bei der Stiftungsaufsicht nicht durchsetzen.

Der Ärger begann erst Jahre nach dem Tod der Stifterin. 1983 hatte sie nach dem Vorbild der Robert Bosch Stiftung die Else Kröner- Fresenius-Stiftung gegründet. „Etwas Positives“ wollte Else Kröner, geborene Fernau, tun, da sie selbst Hilfsbereitschaft erfahren hatte. Sie war in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, ihre Mutter arbeitete als Haushälterin bei Eduard Fresenius, dem Inhaber der Hirsch-Apotheke. Neben der Apotheke betrieb Fresenius ein eigenes Unternehmen, er entwickelte dort etwa Hautpräparate und Infusionslösungen.

Expansionskurs als Herausforderung

Fresenius Medical Care Quelle: dapd

Als der Vater von Else früh starb, kümmerte sich Fresenius um das Mädchen und schenkte ihr eine gute Ausbildung. „Onkel Doktor“ nannte die junge Else ihren Wohltäter liebevoll und etwas spöttisch. Die „Wahl-Nichte“ des Doktor Fresenius begann schließlich mit dem Studium der Pharmazie. 1946 starb Fresenius, und die junge Frau erbte im Alter von 21 Jahren die Apotheke und das Unternehmen. Sie baute das Pharma-Laboratorium aus, investierte in künstliche Ernährung und begann in den Sechzigerjahren mit dem Verkauf von Dialysegeräten. 1964 heiratete sie den Unternehmensberater Hans Kröner.

Diagramm: Stiften und heilen Quelle: Unternehmensangaben

Um das Unternehmen für die Zeit nach ihrem Tod abzusichern, bewegte sie ihre Kinder zum Erbverzicht und gründete 1983 die EKFS. Die begann bescheiden mit einem Kapitalstock von umgerechnet rund 25 000 Euro. 1988, nach Kröners Tod, wurde die Stiftung zur Hauptaktionärin von Fresenius. Das Stiftungskapital wuchs, Fresenius legte jährlich beim Umsatz und Gewinn zu und warf für die Stiftung ordentliche Dividenden ab. 1996 übernahm Fresenius das US-Unternehmen National Medical Care, woraus die Tochtergesellschaft Fresenius Medical Care entstand. 2005 kam die Klinikkette Helios dazu, 2006 der amerikanische Dialysespezialist Renal Care und 2008 der Infusionshersteller APP, ebenfalls aus den USA.

Wenig übrig für Wissenschaft und humanitäre Hilfe

Für die Stiftung wurde der Expansionskurs zur Herausforderung. Um ihren Mehrheitsanteil an dem seit 1986 börsennotierten Unternehmen zu stabilisieren, muss die Stiftung laufend Geld investieren, um bei den Kapitalerhöhungen mithalten zu können. Für die gemeinnützigen Zwecke – die Förderung der Wissenschaften und humanitäre Hilfe – blieb wenig übrig. Zeitweise lag die Ausschüttungssumme unter zehn Millionen Euro.

Ihrer Stiefmutter sei die soziale und humanitäre Hilfe wichtig gewesen, hielt Gabriele Kröner dagegen. Im April 2011 entschied das Regierungspräsidium Darmstadt als Aufsichtsbehörde der Stiftung allerdings, die EKFS habe sich korrekt verhalten. Die Teilnahme an Kapitalerhöhungen sei im Einklang mit dem Stifterwillen, hieß es in der Begründung.

Die Stiftungskontrolleure unterstehen den Weisungen der Landesregierung. „Die Aufsicht hat den Fall sicher gut geprüft. Die Landesregierung hat aber sicherlich auch den Erhalt des Unternehmens mit seinen vielen Arbeitsplätzen im Auge“, sagt Stiftungs-Generalsekretär Fleisch.

Zentrum der Macht

Fresenius Logo Quelle: dpa

Gabriele Kröner kritisierte auch die Machtfülle des Stiftungs-Verwaltungsratsvorsitzenden Schenk, scheiterte damit aber ebenfalls an der Stiftungsaufsicht. Der Rechtsanwalt der Kanzlei Noerr LLP agiert zudem noch als Testamentsvollstrecker von Else Kröner sowie als Aufsichtsrat bei der Fresenius Management SE und Fresenius Medical Care. Kröner musste vor Jahren ihre Posten in der Stiftung und im Fresenius-Aufsichtsrat aufgeben – und macht Schenk dafür verantwortlich.

Der 59-Jährige gilt als das eigentliche Machtzentrum bei Fresenius. „Die verschiedenen Funktionen können zu Interessenkonflikten führen, wenn der Wachstumskurs des Unternehmens mit dem Ausschüttungsinteresse der Stiftung kollidiert“, sagt der Steuerrechtler Hüttemann.

Diagramm: Der Wissenschaft verpflichtet (zum Vergrößern bitte klicken) Quelle: EKFS

Schenk entscheidet über wichtige Weichenstellungen in den Unternehmen mit, er darf den Stiftungsvorständen Weisungen erteilen und die Verwendung der Stiftungsgelder mitbeschließen. Der Advokat sieht sich freilich selbst nicht als graue Eminenz, sondern als Berater, der dank seiner langjährigen Erfahrungen und juristischen Expertise wichtige Fragen stellen könne. Sein Einfluss, so Schenk, sei durch die Gremien beschnitten, unter den Testamentsvollstreckern, in der Stiftung und in den Aufsichtsräten werde nach Mehrheiten abgestimmt.

Rasante Entwicklung

Vor vier Jahren deutete Schenk an, dass der Stiftungsanteil an Fresenius auch mal unter die 50-Prozent-Schwelle rutschen könnte. Zwei Jahre später war es so weit: Um mehr Anleger zu überzeugen und um die Finanzierung zu vereinfachen, legte Fresenius Stammaktien und stimmrechtslose Vorzugsaktien zusammen. Fortan gilt nur noch eine Aktiengattung; der Anteil der Stiftung reduziert sich dadurch auf etwa 29 Prozent. Ihre Macht hat sich die EKFS trotzdem gesichert. Fresenius firmiert nun als SE & Co. KGaA. Als haftende Komplementärin, die gleichzeitig die Geschäftsführung bestimmt, tritt eine Management-Gesellschaft auf, die von der EKFS kontrolliert wird.

Dass sich die Stiftung und ihr Unternehmen einmal so rasant entwickeln würden, hätte sich Else Kröner wohl nie träumen lassen. Nur die kleine Pharmazie, in der alles begann, hat sich längst vom übrigen Betrieb gelöst. Vom frühen Ruhm der Hirsch-Apotheke ist nicht viel geblieben. Während Doktor Fresenius einst Fürstenhäuser mit Präparaten belieferte, stattet sein Nachfolger heute den Fußball-Zweitligisten Eintracht Frankfurt mit Arzneimitteln aus.

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