Merck&Co gegen Merck KGaA Armdrücken der Pharmariesen

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Startvorteile ausgespielt

Merck & Co. in den USA wiederum schluckte 2009 den US-Wettbewerber Schering-Plough, vor allem wegen seiner Medikamente zur Blutverdünnung und gegen Allergien. Zu der neuen Tochter, die aus der Enteignung der Schering-US-Tochter während des Zweiten Weltkriegs hervorgegangen war, gehörte auch ein Biotech-Unternehmen namens Organon, das sich auf Verhütungsmittel und Fruchtbarkeitshormone spezialisiert hatte.

Dass die Hessen in dem einst beiläufigen Geschäft heute rund doppelt so stark sind wie die Amerikaner, verdanken sie ihrem Startvorteil, den ihnen die starke Marktposition von Serono bot. Zugleich bauten sie den Vorsprung aber auch aus.

Nachdem Merck Oschmann 2011 von Merck & Co. abgeworben hatte, überlegte dieser, das Fertilitätsgeschäft zu verkaufen, besann sich aber eines Besseren: „Aufgrund der Marktaussichten haben wir uns für einen Verbleib im Portfolio entschieden.“ Auf diese Weise kann sich der 57-Jährige seinem alten Arbeitgeber noch einmal beweisen. So erhielt Oschmann 2013 die Zulassung für einen Pen, eine Art Spritze, mit der sich Patientinnen – ähnlich wie Diabetiker das Insulin – Fruchtbarkeitshormone injizieren können. Mit dem Hormonpräparat Pergoveris brachte Oschmann einen weiteren Trumpf. „Das eignet sich gut bei älteren Patientinnen, deren Eierstöcke nicht mehr gut funktionieren“, sagt Jan-Steffen Krüssel, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Leiter des Universitäts-Kinderwunschzentrums Düsseldorf.

Wenig entgegenzusetzen

Dagegen brachte der US-Konzern Merck zuletzt eine Hormoninjektion namens Elonva heraus, die weniger häufiger gespritzt werden muss als andere klassische Präparate. Doch endgültig davongezogen ist Oschmann seinem Ex-Arbeitgeber mit dem sogenannten Eeva-Test, mit dessen Hilfe Ärzte am dritten Tag nach der künstlichen Befruchtung mithilfe von Videoaufnahmen genau bestimmen können, wie lebensfähig die Embryonen in der Laborschale sind. Dabei wertet eine spezielle Software Daten zur Vorhersage der Embryonenentwicklung aus. Eeva stammt vom kalifornischen Unternehmen Auxogyn, Oschmann hat sich die Vermarktungsrechte gesichert. Dem hat Merck & Co. erst einmal nichts entgegenzusetzen.

Größter Konkurrent der Darmstädter ist dabei der skandinavische Hersteller Fertilitech, der einen vergleichbaren Test anbietet. „Welcher Test die besseren Schwangerschaftsraten bringt, ist noch nicht ausgemacht“, sagt Mediziner Krüssel, „noch fehlt es dazu an aussagefähigen Studien.“ In Deutschland soll das Verfahren im nächsten Jahr auf den Markt kommen.

Bei aller Rivalität: In einem Punkt ziehen beide Mercks an einem Strang. In Deutschland sollten die gesetzlichen Krankenkassen großzügiger bei der Kostenerstattung für künstliche Befruchtungen sein, sagen die Manager beider Konzerne. Die Kassen zahlen die 1000 bis 4000 Euro teure Hormonbehandlung nur zur Hälfte – aber nur für drei Versuche und nur für verheiratete Paare.

„Ich glaube nicht, dass es zeitgemäß ist, unverheirateten Paaren anders als verheirateten Paaren die Kosten für künstliche Befruchtung nicht zu erstatten“, sagt Oschmann – was nicht nur im Sinne von Merck, sondern auch von Merck & Co. ist.

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