Milliardenmarkt Thyssen-Krupp macht jetzt auch in 3D-Druck

Thyssen-Krupp eröffnet ein TechCenter für Design und Fertigung von industriellen 3D-Druck-Komponenten und will sich damit einen Milliardenmarkt erschließen. Doch die Konkurrenz hat längst vorgelegt.

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Bei der Entwicklung des 3D-Drucks für industrielle Zwecke ist der Ruhrkonzern nicht allein. Es gibt mächtige Konkurrenten. Quelle: Reuters

Mülheim Heinrich Hiesinger kam eigens in Turnschuhen in der Firmenfarbe „electricblue“ und hatte dem Anlass gemäß auf das Anlegen einer Krawatte verzichtet – schließlich ging es ja um ein Start-up. Am Freitag Mittag weihte der Chef von Thyssen-Krupp im Beisein seines Technologiechefs Reinhold Achatz und etlichen Mitarbeitern des Konzerns auf dem Gelände der Lenkungsfertigung von Thyssen-Krupp-Presta ein TechCenter für das Design und die Fertigung von industriellen 3D-Druck-Komponenten ein. Dahinter steht eine konzerneigene Neugründung mit derzeit sechs Beschäftigten, die zunächst entsprechende 3D-Lösungen für die Marinesparte oder den Anlagenbau des Konzerns entwickelt und produziert. Spätestens in drei Jahren soll die 3D-Sparte unter das Dach der Tochter Materials Services schlüpfen und auch externen Kunden offenstehen. „Additive Manufacturing ist ein weiterer Schritt in der digitalen Transformation unseres Konzerns und ein Baustein unserer Innovationsstrategie“, sagte Hiesinger. „Wir erschließen uns ein attraktives neues Geschäftsfeld.“

Für den Konzernchef ist ein solcher Blick in die Zukunft des Traditionskonzerns ein willkommener Anlass, zumindest kurzfristig der Tristesse des Alltagsgeschäfts zu entkommen. Keine 20 Stunden zuvor hatte der Konzern einen weiteren Abbau von 1500 Stellen in den kommenden drei Jahren bei seiner Anlagensparte verkündet – der Großteil davon wird die deutschen Standorte treffen.

Da kommt so ein Ausflug für einen Ingenieur wie Hiesinger in die faszinierende technischen Welt des industriellen 3D-Druck gerade recht. Zumal Thyssen-Krupp sich davon viel verspricht. Schließlich ist der Markt riesig: Experten schätzen ihn auf rund 20 Milliarden Dollar im Jahr 2020. Zwischen 2010 und 2015 hat er sich fast vervierfacht. Die für Thyssen-Krupp relevanten Zielmärkte schätzt der Konzernchef selbst auf rund zehn Milliarden Dollar.

Bei solchen Perspektiven ist der Ruhrkonzern bei der Entwicklung des 3D-Drucks für industrielle Zwecke natürlich nicht allein: Der US-Industriegigant GE baut hier seine Kompetenzen schon seit geraumer Zeit aus und investiert Milliarden. Der Thyssen-Krupp-Konkurrent Voestalpine aus Österreich hat schon vor einem Jahr in Düsseldorf ein entsprechendes 3D-Druck-Zentrum eröffnet und errichtet weitere Standorte in Asien und Kanada. Auch deutsche Mittelständler wie Trumpf oder DMG Mori entwickeln entsprechende Lösungen und bauen ihre 3D-Druck Sparte massiv aus. Da nimmt sich der „niedrige einstellige Millionenbetrag“, so Hiesinger, den Thyssen-Krupp hier investiert hat, eher bescheiden aus.

Dennoch glaubt er, nicht zu spät zu kommen. „Wir sind nicht die ersten“, räumt er selbstkritisch ein. „Aber wir haben den Zeitpunkt gut gewählt: Wir gehen vom Versuchsmodus direkt in die industrielle Anwendung.“ So soll das Start-up ganz genre-unüblich vom ersten Tag an profitabel arbeiten. Zwar stehen gerade mal zwei 3D-Druck-Maschinen, eine für Kunststoff- und eine für Metallanwendungen, in der übersichtlichen Halle. Für Hiesinger und Forschungschef Achatz ist das aber kein Problem. Ihnen geht es mehr um das Know-how, die Konstruktion und die komplette Wertschöpfungskette, die ihnen das Verfahren bietet – also die Weiterentwicklung von Projekten und Ideen bis hin zur Serienreife. Wenn alles so läuft wie geplant, soll das TechCenter in Mülheim Blaupause und Keimzelle für eine breites Netzwerk weitere Standorte sein, eine Ausweitung sei geplant.

Weniger im Mittelpunkt steht die Entwicklung des Ausgangsmaterials: Spezialpulver aus unterschiedlichen Metallen oder deren Legierungen und Kunststoff. Konkurrent Voestalpine, ebenfalls ein stahlbasierter Technologiekonzern, legt darauf besonderen Wert und will gerade im metallischen 3D-Druck eine weltweite Vorreiterrolle spielen. Die Österreicher erstellen bereits Komponenten für Spezial-und Rennfahrzeuge aus dem Drucker oder Musterbauteile für den Flugzeugbau aus selbst entwickelten und produzierten Metallpulver. „Bis Mitte der 2020er-Jahre erwarte ich aus heutiger Sicht insgesamt ein Umsatzvolumen am unteren Rand des dreistelligen Millionen-Euro-Bereichs“, sagt Konzernchef Wolfgang Eder.

So weit wollte sich Hiesinger nicht vorwagen: Was die neue 3D-Druck-Einheit mal an Volumen und Ergebnis erzielen soll, wollte oder konnte er mit Blick auf den Start-up-Charakter der jüngsten Konzerntochter nicht sagen: „Da haben wir noch keine Einschätzung.“

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