Es gibt nicht viele Firmen, deren Ruf in aller Welt so miserabel ist wie der von Monsanto. Oder „Mon-Satan“, wie Umweltaktivisten den Saatgutriesen auf Demonstrationen nennen. Bayer kauft nun ebenjenen „Satan“ für 66 Milliarden US-Dollar – vorausgesetzt die Monsanto-Aktionäre nehmen das Angebot an und die Kartellbehörden genehmigen die Fusion, ist das die größte Übernahme in der deutschen Wirtschaftsgeschichte.
Der Saatgutkonzern Monsanto
Der US-amerikanische Konzern Monsanto ist einer der weltgrößten Hersteller von – oft auch gentechnisch verändertem – Saatgut sowie Unkrautbekämpfungsmitteln.
Das Unternehmen mit Hauptsitz in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri gehört zu den 500 größten börsennotierten in den USA und setzte zuletzt rund 15 Milliarden US-Dollar (gut 13 Mrd. Euro) um. Dabei erzielte Monsanto einen Überschuss von 2,3 Milliarden Dollar.
Weltweit beschäftigt das Unternehmen nach eigenen Angaben knapp 21.200 Menschen, fast die Hälfte davon in den USA. Der Saatgutkonzern ist in 66 Ländern vertreten – auch in Deutschland.
Monsanto bezeichnet eine nachhaltige Landwirtschaft als „Kernanliegen“, wird jedoch weltweit von Umweltschutzorganisationen unter anderem für die Herstellung von gentechnisch veränderten Saatgut heftig kritisiert.
Quelle: dpa
Doch mit wem lassen sich die Leverkusener da ein? Und ist es möglich, sich den skandalträchtigen Konzern einzuverleiben, ohne dass das schlechte Image von Monsanto auf die Marke Bayer abfärbt?
Monsanto, 1901 gegründet, blickt laut Greenpeace auf eine „Skandalchronik“ zurück: Seit den Vierzigerjahren produziert Monsanto Pflanzengift, seit den Siebzigern den Exportschlager Glyphosat. Zwischendurch zeichnete sich das US-Unternehmen für die Herstellung von „Agent Orange“ verantwortlich, das Entlaubungsgift, das die USA während des Vietnamkriegs einsetzten.
„Je transparenter unsere Welt wurde, desto mehr litt das Image von Monsanto“, sagt Jürgen Gietl, Technologiemarken-Experte und geschäftsführender Partner der Managementberatung BrandTrust. Entsprechend will Bayer-Chef Werner Baumann das Geschäft von Monsanto, die Marktanteile, die Produkte und den Vertrieb – nur den Namen, den will er nicht. „Das ist nachvollziehbar, nur dürfte die erhoffte Wirkung einer Namensabschaffung nicht allzu groß sein“, schätzt Gietl.
Das Imageproblem von Monsanto kommt nicht von ungefähr und lässt sich deswegen auch nicht kurzfristig tilgen. „Die Reputation einer Marke hat mit langfristig geprägten Wertesystemen, Glaubenssätzen und Überzeugungen zu tun, das kann das Management nicht einfach so wegwischen.“ Daran ändert sich auch nichts, wenn künftig Bayer statt Monsanto auf dem Briefkopf steht.
Aus Gietls Sicht ist es deswegen wichtig, den Umgang mit der Marke Monsanto differenziert zu betrachten. „Es gibt Märkte und Kundengruppen, wo die Marke Monsanto und die Produktmarken einen hervorragenden Ruf haben.“ In den USA etwa haben die Menschen kein Problem mit der Gentechnik des Saatgutriesen – sie stört an Monsanto in erster Linie die Preismacht. Warum also hier die Marke vom Markt nehmen?
"Die Umweltorganisationen brauchen einen Gegenspieler"
In Deutschland ist die Abneigung größer. So stilisiert etwa Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, den aus der Fusion entstehenden Konzern schon jetzt zur Inkarnation allen Bösen: „Am Ende steht nicht weniger auf dem Spiel als das Recht auf Nahrung und der Erhalt von Biodiversität. Immer weniger Agrochemiekonzerne kontrollieren den Weltmarkt für immer weniger Saatgutsorten. Das ist das Gegenteil von Ernährungssouveränität, mit dem die Agrochemiekonzerne ihr Geschäftsmodell vermarkten.“
Wer bei Bayer für Gewinn sorgt
Umsatz 2014: 42,2 Mrd. Euro
Gewinn* 2014: 8,4 Mrd. Euro
*vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, Ebitda; Quelle: Unternehmen
Umsatz 2014: 19,834 Mrd. Euro (47 Prozent vom Umsatz insgesamt)
Gewinn* 2014: 5,124 Mrd. Euro (61 Prozent vom Gewinn insgesamt)
*vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, Ebitda; Quelle: Unternehmen
Umsatz 2014: 11,816 Mrd. Euro (28 Prozent vom Umsatz insgesamt)
Gewinn* 2014: 1,092 Mrd. Euro (13 Prozent vom Gewinn insgesamt)
*vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, Ebitda; Quelle: Unternehmen
Umsatz 2014: 9,284 Mrd. Euro (22 Prozent vom Umsatz insgesamt)
Gewinn* 2014: 2,184 Mrd. Euro (26 Prozent vom Gewinn insgesamt)
*vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, Ebitda; Quelle: Unternehmen
Umsatz 2014: 1,266 Mrd. Euro (3 Prozent vom Umsatz insgesamt)
Laut Gietl könnte genau wegen solcher Spitzen die Marke Monsanto für Bayer noch nützlich sein – als Schutzwall. „Die Umweltorganisationen brauchen einen Gegenspieler, um über diesen Aufmerksamkeit und somit Spenden zu generieren“, sagt er. Der favorisierte Gegner ist aktuell Monsanto. Fiele die Marke weg, suchten die Aktivisten sich eine neue Projektionsfläche für ihre Globalisierungskritik. „Bayer könnte dann in nächster Zeit der Prellbock sein“, sagt Gietl.
Doch nicht nur in der Außenwirkung dürfte die Fusion Schwierigkeiten bringen. Auch bei Bayer sind längst nicht alle Beschäftigten von den Segnungen der Amerikaner überzeugt. „Monsanto passt nicht zu uns“, sagt ein leitender Mitarbeiter. „Wir legen uns da mit dem Teufel ins Bett“, urteilt ein Angestellter aus der Pflanzenschutz-Sparte. Etwa dreißig Prozent der Mitarbeiter dürften Bedenken gegen Monsanto haben, lautet eine interne Schätzung. Baumann muss da noch viel interne Überzeugungsarbeit leisten.
„Entscheidend ist es, sich intensiv mit den Wertesystemen der Mitarbeiter von Bayer und Monsanto auseinanderzusetzen, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausarbeiten.“ Im Anschluss müsse entschieden werden, wie man zukünftig mit den Unterschieden umgehen will. „Für Marken ist das fundamental. Daran scheitern immer wieder Fusionen.“
In der breiten Bevölkerung genießt die Unternehmensmarke Bayer einen hervorragenden Ruf, das liegt auch an Marken wie Aspirin. Gerade im Geschäft mit Pharmaprodukten ist das Vertrauen der Kunden extrem wichtig. „Bayer sollte sich deswegen genau überlegen, wie schnell sie die Marke Monsanto abschaffen“, sagt Gietl. „Niemand wird glauben, dass das Geschäftsgebaren von Monsanto sich plötzlich ändert, nur weil sie jetzt zu Bayer gehören.“
Umso wichtiger ist es, dass Bayer offen und integer nach außen kommuniziert, wie die künftige Firmenkultur aussehen soll.