Monsanto-Übernahme "Bayer könnte zum Prellbock werden"

Der Bayer-Chef hat angedeutet, die Marke Monsanto könnte vom Markt verschwinden. Doch verhindert das, dass das schlechte Image des skandalträchtigen Unternehmens auf Bayer abfärbt? Ein Markenexperte zweifelt daran.

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Werner Baumann (l), Vorsitzender des Vorstands der Bayer AG, und Hugh Grant, Chairman und Chief Executive Officer von Monsanto. Quelle: dpa

Es gibt nicht viele Firmen, deren Ruf in aller Welt so miserabel ist wie der von Monsanto. Oder „Mon-Satan“, wie Umweltaktivisten den Saatgutriesen auf Demonstrationen nennen. Bayer kauft nun ebenjenen „Satan“ für 66 Milliarden US-Dollar – vorausgesetzt die Monsanto-Aktionäre nehmen das Angebot an und die Kartellbehörden genehmigen die Fusion, ist das die größte Übernahme in der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Der Saatgutkonzern Monsanto

Doch mit wem lassen sich die Leverkusener da ein? Und ist es möglich, sich den skandalträchtigen Konzern einzuverleiben, ohne dass das schlechte Image von Monsanto auf die Marke Bayer abfärbt?

Monsanto, 1901 gegründet, blickt laut Greenpeace auf eine „Skandalchronik“ zurück: Seit den Vierzigerjahren produziert Monsanto Pflanzengift, seit den Siebzigern den Exportschlager Glyphosat. Zwischendurch zeichnete sich das US-Unternehmen für die Herstellung von „Agent Orange“ verantwortlich, das Entlaubungsgift, das die USA während des Vietnamkriegs einsetzten.

„Je transparenter unsere Welt wurde, desto mehr litt das Image von Monsanto“, sagt Jürgen Gietl, Technologiemarken-Experte und geschäftsführender Partner der Managementberatung BrandTrust. Entsprechend will Bayer-Chef Werner Baumann das Geschäft von Monsanto, die Marktanteile, die Produkte und den Vertrieb – nur den Namen, den will er nicht. „Das ist nachvollziehbar, nur dürfte die erhoffte Wirkung einer Namensabschaffung nicht allzu groß sein“, schätzt Gietl.

Die größten Chemiekonzerne der Welt
Platz 10 - PPG Industries (USA) Quelle: AP
Linde Quelle: dpa
Platz 8: Air Liquide (Frankreich) Die Erfindung von flüssiger Luft legte den Grundstein für einen Weltkonzern. Im vergangenen Jahr kam der französische Chemieriese auf einen Umsatz von 19,08 Milliarden Dollar. Quelle: obs
Platz 7: Henkel (Deutschland)Weltweit ist der Düsseldorfer Konzern bekannt für seine Marken Persil, Pril oder Pritt. Mit einem Umsatz von 19,69 Milliarden Dollar spielt der Dax-Konzern auch unter den internationalen Chemieriesen vorne mit. Quelle: dpa
Platz 6: Dupont (USA)Der komplette Name des amerikanischen Chemieriesens lautet „E I Du Pont de Nemours“. Das geht zurück auf die französischen Gründer, die in die USA emigriert waren und dort 1802 begannen, Sprengstoffe zu produzieren. Heute macht das Unternehmen in über 80 Ländern weltweit einen Umsatz von insgesamt 24,6 Milliarden Dollar. 2017 erfolgte die Fusion mit dem Rivalen Dow Chemical zum größten Chemiekonzern der Welt. Quelle: dpa
LyondellBasell Industries (Niederlande) Quelle: REUTERS
Platz 4 - Saudi Basic Industries (Saudi-Arabien) Quelle: SABIC

Das Imageproblem von Monsanto kommt nicht von ungefähr und lässt sich deswegen auch nicht kurzfristig tilgen. „Die Reputation einer Marke hat mit langfristig geprägten Wertesystemen, Glaubenssätzen und Überzeugungen zu tun, das kann das Management nicht einfach so wegwischen.“ Daran ändert sich auch nichts, wenn künftig Bayer statt Monsanto auf dem Briefkopf steht.

Aus Gietls Sicht ist es deswegen wichtig, den Umgang mit der Marke Monsanto differenziert zu betrachten. „Es gibt Märkte und Kundengruppen, wo die Marke Monsanto und die Produktmarken einen hervorragenden Ruf haben.“ In den USA etwa haben die Menschen kein Problem mit der Gentechnik des Saatgutriesen – sie stört an Monsanto in erster Linie die Preismacht. Warum also hier die Marke vom Markt nehmen?

"Die Umweltorganisationen brauchen einen Gegenspieler"

In Deutschland ist die Abneigung größer. So stilisiert etwa Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, den aus der Fusion entstehenden Konzern schon jetzt zur Inkarnation allen Bösen: „Am Ende steht nicht weniger auf dem Spiel als das Recht auf Nahrung und der Erhalt von Biodiversität. Immer weniger Agrochemiekonzerne kontrollieren den Weltmarkt für immer weniger Saatgutsorten. Das ist das Gegenteil von Ernährungssouveränität, mit dem die Agrochemiekonzerne ihr Geschäftsmodell vermarkten.“

Wer bei Bayer für Gewinn sorgt

Laut Gietl könnte genau wegen solcher Spitzen die Marke Monsanto für Bayer noch nützlich sein – als Schutzwall. „Die Umweltorganisationen brauchen einen Gegenspieler, um über diesen Aufmerksamkeit und somit Spenden zu generieren“, sagt er. Der favorisierte Gegner ist aktuell Monsanto. Fiele die Marke weg, suchten die Aktivisten sich eine neue Projektionsfläche für ihre Globalisierungskritik. „Bayer könnte dann in nächster Zeit der Prellbock sein“, sagt Gietl.

Doch nicht nur in der Außenwirkung dürfte die Fusion Schwierigkeiten bringen. Auch bei Bayer sind längst nicht alle Beschäftigten von den Segnungen der Amerikaner überzeugt. „Monsanto passt nicht zu uns“, sagt ein leitender Mitarbeiter. „Wir legen uns da mit dem Teufel ins Bett“, urteilt ein Angestellter aus der Pflanzenschutz-Sparte. Etwa dreißig Prozent der Mitarbeiter dürften Bedenken gegen Monsanto haben, lautet eine interne Schätzung. Baumann muss da noch viel interne Überzeugungsarbeit leisten.

Bayer - mehr als 150 Jahre Unternehmensgeschichte
Bayer blickt zurück auf eine wechselvolle Geschichte. Der Konzern hat bahnbrechende Medikamente wie Aspirin erfunden, aber auch Heroin als Arznei verkauft. Bayer schuf bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Wohltaten für die eigenen Mitarbeiter, gründete Sportvereine und Werksbüchereien - und rekrutierte andererseits als Teil der I.G. Farben während des Zweiten Weltkrieges Tausende Zwangsarbeiter, die unter menschenunwürdigen Bedingungen schufteten. Wie alles begann... Quelle: dpa
1863Am 1. August gründen der Kaufmann Friedrich Johann Bayer und der Färber Johann Friedrich Weskott die "Friedr. Bayer et comp.". Sitz der Gesellschaft ist Wuppertal, Zweck die Produktion von Farbstoffen. Quelle: Presse
1876Das junge Unternehmen expandiert rasch im Ausland. Erste Produktionsbetriebe entstehen – zunächst in Russland, später auch in Frankreich, England und den USA. Quelle: Presse
1898Das Unternehmen lässt sich Heroin als Warenzeichen schützen. Den Bayer-Chemikern gilt Heroin als ungefährliches, nahezu nebenwirkungsfreies Medikament, das die Atmung beruhigt. Nach der Einnahme sollen sich die Bayer-Arbeiter "heroisch" gefühlt haben - davon soll sich der Name Heroin ableiten. Bis 1915 produziert die Farbenfabrik jährlich eine knappe Tonne Heroin; das angebliche Medikament wird bald in 22 Länder exportiert. Erst 1931 stellte Bayer die Produktion ein. Quelle: Gemeinfrei
1899Unter der Nummer 36433 wird das Medikament Aspirin in die Warenzeichenrolle des Kaiserlichen Patentamtes in Berlin aufgenommen. Entdeckt wurde Aspirin von dem jungen Chemiker und Pharmakologen Felix Hoffmann, der seinem rheumakranken Vater mit einem Antischmerzmittel helfen wollte. Bis heute ist Aspirin das bekannteste Bayer-Produkt. Quelle: Creative Commons-Lizenz
1904Die Bayer-Arbeiter bekommen einen Sportverein. Der TuS 04 Leverkusen gründet sich – der Vorläufer des heutigen TSV Bayer 04 Leverkusen, der vor allem durch seine Fußball-Bundesligamannschaft bekannt ist. Quelle: Presse
1912Carl Duisberg wird Generaldirektor, Leverkusen Firmensitz. Der Standort Wuppertal ist zu klein geworden; Duisburg entwickelt einen Plan für ein neues Chemiewerk in Leverkusen. Die Wahl des neuen Hauptstandorts stößt nicht überall auf Begeisterung. Bayer-Arbeiter reimen ein Klagelied: "Kann er einen nicht verknusen, schickt er ihn nach Leverkusen. Dort, an diesem End der Welt, ist man ewig kaltgestellt." Quelle: Gemeinfrei

„Entscheidend ist es, sich intensiv mit den Wertesystemen der Mitarbeiter von Bayer und Monsanto auseinanderzusetzen, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausarbeiten.“ Im Anschluss müsse entschieden werden, wie man zukünftig mit den Unterschieden umgehen will. „Für Marken ist das fundamental. Daran scheitern immer wieder Fusionen.“

In der breiten Bevölkerung genießt die Unternehmensmarke Bayer einen hervorragenden Ruf, das liegt auch an Marken wie Aspirin. Gerade im Geschäft mit Pharmaprodukten ist das Vertrauen der Kunden extrem wichtig. „Bayer sollte sich deswegen genau überlegen, wie schnell sie die Marke Monsanto abschaffen“, sagt Gietl. „Niemand wird glauben, dass das Geschäftsgebaren von Monsanto sich plötzlich ändert, nur weil sie jetzt zu Bayer gehören.“

Umso wichtiger ist es, dass Bayer offen und integer nach außen kommuniziert, wie die künftige Firmenkultur aussehen soll.

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