Monsanto-Übernahme "Bayer könnte zum Prellbock werden"

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"Die Umweltorganisationen brauchen einen Gegenspieler"

In Deutschland ist die Abneigung größer. So stilisiert etwa Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, den aus der Fusion entstehenden Konzern schon jetzt zur Inkarnation allen Bösen: „Am Ende steht nicht weniger auf dem Spiel als das Recht auf Nahrung und der Erhalt von Biodiversität. Immer weniger Agrochemiekonzerne kontrollieren den Weltmarkt für immer weniger Saatgutsorten. Das ist das Gegenteil von Ernährungssouveränität, mit dem die Agrochemiekonzerne ihr Geschäftsmodell vermarkten.“

Wer bei Bayer für Gewinn sorgt

Laut Gietl könnte genau wegen solcher Spitzen die Marke Monsanto für Bayer noch nützlich sein – als Schutzwall. „Die Umweltorganisationen brauchen einen Gegenspieler, um über diesen Aufmerksamkeit und somit Spenden zu generieren“, sagt er. Der favorisierte Gegner ist aktuell Monsanto. Fiele die Marke weg, suchten die Aktivisten sich eine neue Projektionsfläche für ihre Globalisierungskritik. „Bayer könnte dann in nächster Zeit der Prellbock sein“, sagt Gietl.

Doch nicht nur in der Außenwirkung dürfte die Fusion Schwierigkeiten bringen. Auch bei Bayer sind längst nicht alle Beschäftigten von den Segnungen der Amerikaner überzeugt. „Monsanto passt nicht zu uns“, sagt ein leitender Mitarbeiter. „Wir legen uns da mit dem Teufel ins Bett“, urteilt ein Angestellter aus der Pflanzenschutz-Sparte. Etwa dreißig Prozent der Mitarbeiter dürften Bedenken gegen Monsanto haben, lautet eine interne Schätzung. Baumann muss da noch viel interne Überzeugungsarbeit leisten.

Bayer - mehr als 150 Jahre Unternehmensgeschichte
Bayer blickt zurück auf eine wechselvolle Geschichte. Der Konzern hat bahnbrechende Medikamente wie Aspirin erfunden, aber auch Heroin als Arznei verkauft. Bayer schuf bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Wohltaten für die eigenen Mitarbeiter, gründete Sportvereine und Werksbüchereien - und rekrutierte andererseits als Teil der I.G. Farben während des Zweiten Weltkrieges Tausende Zwangsarbeiter, die unter menschenunwürdigen Bedingungen schufteten. Wie alles begann... Quelle: dpa
1863Am 1. August gründen der Kaufmann Friedrich Johann Bayer und der Färber Johann Friedrich Weskott die "Friedr. Bayer et comp.". Sitz der Gesellschaft ist Wuppertal, Zweck die Produktion von Farbstoffen. Quelle: Presse
1876Das junge Unternehmen expandiert rasch im Ausland. Erste Produktionsbetriebe entstehen – zunächst in Russland, später auch in Frankreich, England und den USA. Quelle: Presse
1898Das Unternehmen lässt sich Heroin als Warenzeichen schützen. Den Bayer-Chemikern gilt Heroin als ungefährliches, nahezu nebenwirkungsfreies Medikament, das die Atmung beruhigt. Nach der Einnahme sollen sich die Bayer-Arbeiter "heroisch" gefühlt haben - davon soll sich der Name Heroin ableiten. Bis 1915 produziert die Farbenfabrik jährlich eine knappe Tonne Heroin; das angebliche Medikament wird bald in 22 Länder exportiert. Erst 1931 stellte Bayer die Produktion ein. Quelle: Gemeinfrei
1899Unter der Nummer 36433 wird das Medikament Aspirin in die Warenzeichenrolle des Kaiserlichen Patentamtes in Berlin aufgenommen. Entdeckt wurde Aspirin von dem jungen Chemiker und Pharmakologen Felix Hoffmann, der seinem rheumakranken Vater mit einem Antischmerzmittel helfen wollte. Bis heute ist Aspirin das bekannteste Bayer-Produkt. Quelle: Creative Commons-Lizenz
1904Die Bayer-Arbeiter bekommen einen Sportverein. Der TuS 04 Leverkusen gründet sich – der Vorläufer des heutigen TSV Bayer 04 Leverkusen, der vor allem durch seine Fußball-Bundesligamannschaft bekannt ist. Quelle: Presse
1912Carl Duisberg wird Generaldirektor, Leverkusen Firmensitz. Der Standort Wuppertal ist zu klein geworden; Duisburg entwickelt einen Plan für ein neues Chemiewerk in Leverkusen. Die Wahl des neuen Hauptstandorts stößt nicht überall auf Begeisterung. Bayer-Arbeiter reimen ein Klagelied: "Kann er einen nicht verknusen, schickt er ihn nach Leverkusen. Dort, an diesem End der Welt, ist man ewig kaltgestellt." Quelle: Gemeinfrei

„Entscheidend ist es, sich intensiv mit den Wertesystemen der Mitarbeiter von Bayer und Monsanto auseinanderzusetzen, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausarbeiten.“ Im Anschluss müsse entschieden werden, wie man zukünftig mit den Unterschieden umgehen will. „Für Marken ist das fundamental. Daran scheitern immer wieder Fusionen.“

In der breiten Bevölkerung genießt die Unternehmensmarke Bayer einen hervorragenden Ruf, das liegt auch an Marken wie Aspirin. Gerade im Geschäft mit Pharmaprodukten ist das Vertrauen der Kunden extrem wichtig. „Bayer sollte sich deswegen genau überlegen, wie schnell sie die Marke Monsanto abschaffen“, sagt Gietl. „Niemand wird glauben, dass das Geschäftsgebaren von Monsanto sich plötzlich ändert, nur weil sie jetzt zu Bayer gehören.“

Umso wichtiger ist es, dass Bayer offen und integer nach außen kommuniziert, wie die künftige Firmenkultur aussehen soll.

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