Moovel Daimler plant das „Betriebssystem der Mobilität“

Die digitalen Angebote lokaler Verkehrsbetriebe sind oft wenig funktional. Darum will Daimler die Technologie der Mobilitätsmarke Moovel nun auch Verkehrsbetrieben anbieten – und damit die Zahl der Kunden steigern.

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Die Daimler-Tochter Moovel will ihre Technologie deutschlandweit an Verkehrsbetriebe verkaufen. Quelle: dpa

Düsseldorf Kundenbewertungen im Internet können mitunter grausam sein. Doch die App des Karlsruher Verkehrsverbundes (KVV) trifft es besonders hart. „Es fehlt einfach an allem, um eine gute Übersicht über verschiedene Verbindungsmöglichkeiten zu bekommen“, schimpft ein Nutzer: „Meiner Meinung nach einer Stadt wie Karlsruhe nicht würdig!“. Insgesamt kommt die App bei iTunes auf gerade einmal 1,5 von 5 Sternen – ein vernichtendes Urteil.

Es ist nicht so, als wäre Karlsruhe mit diesem Problem alleine. Oft hinken die Apps der öffentlichen Verkehrsbetriebe im Vergleich mit internationalen Mobilitätsdiensten wie Uber oder Lyft technisch hinterher. Die Entwicklung digitaler Angebote verschlingt bei den Unternehmen viel Geld – zusätzlich müssen die Dienste permanent auf dem neusten Stand gehalten werden. Auch deswegen gleichen die digitalen Angebote für den öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland einem Flickenteppich.  

In Karlsruhe geht man nun neue Wege. Die Daimler-Tochter Moovel hat für die Karlsruher die neue App „KVV.mobil“ an Start gebracht, die auf der Technologie der Schwaben aufsetzt, sich optisch aber am Design der Verkehrsbetriebe orientiert.

Über die App können KVV-Kunden nun die beste Verbindung suchen und direkt über das Smartphone bezahlen. In Echtzeit werden Nutzer über Verspätungen und Fahrplanänderungen informiert. Und auch Alternativen zum ÖPNV werden angeboten. Ist die Fahrt mit einem Leihfahrrad des örtlichen Bikesharing-Anbieters Fächerrad günstiger und schneller, finden Nutzer über die App ein Fahrrad in der Nähe und können es gleich buchen. Multimodal soll die App sein – und alle Mobilitätsdienste der Stadt unter einem Dach vereinen.

Dieses Geschäftsmodell verfolgt Moovel schon länger. Doch mittlerweile ist die Daimler-Tochter auch bereit, die eigene Marke in den Hintergrund zu rücken. Moovel soll stattdessen zum technologischen Standard werden, mit dem Städte ihre lokalen Angebote bündeln können – eine Art „Betriebssystem der Mobilität“, betont Moovel-Chef Jörg Lamparter. „Das ist der erste Schritt unserer Neuausrichtung.“

Die App ist ein Beispiel dafür, wie Daimler sich den Wandel vom Autobauer zum Mobilitätsdienstleister vorstellt. Im Zentrum der KVV-App stehen zum Start keine automobilen Angebote wie Taxis oder Carsharing, sondern Bus, Bahn und Fahrrad. Perspektivisch sei aber denkbar, weitere Angebote zu integrieren. „Wir sind dabei nicht auf die reinen Daimler-Angebote festgelegt“, sagt Lamparter. Die Stationen des lokalen Carsharing-Anbieters Stadtmobil sollen in den Wochen integriert werden.


Mehr Nutzer für Moovel

Das neue Angebot für kommunale Dienste orientiert an einem Geschäftskonzept, das Daimler in den USA bereits erfolgreich umgesetzt hat. Dort verkaufen die Schwaben unter der Marke „Moovel Transit“ jeden Monat 1,6 Millionen Tickets für den Nahverkehr. Dort nutzen allein 16 Verkehrsbetriebe die Technologie von Daimler. Nun wollen die Schwaben das Konzept nach Deutschland bringen. Neben Karlsruhe sollen im Laufe des Jahres drei weitere Städte hinzukommen, verrät Lamparter.

Das Potenzial scheint riesig: Alleine die Verkehrsbetriebe in Karlsruhe befördern nach eigener Auskunft 170 Millionen Fahrgäste pro Jahr. Kunden, die Moovel bislang nur schwer erreichte. Trotz umfangreicher Werbekampagnen sind die Schwaben in ihrem Heimatland noch ein Nischenanbieter. Durch die neuen Kooperationen mit Verkehrsbetrieben könnte die Zahl der Nutzer nun signifikant steigen.

Wer seine Daten einmal hinterlegt hat, kann alle lokalen Apps nutzen, die auf der Technologie von Moovel basieren. Die Anmeldung ist auch über Facebook oder mit einem Google-Konto möglich. Mit den gesammelten, anonymisierten Nutzungsdaten können Verkehrsbetriebe ihr Angebot im ÖPNV besser an die tatsächliche Nachfrage anzupassen. Denn die App erfasst nicht nur Fahrten, die tatsächlich in Anspruch genommen werden, sondern auch Suchanfragen. „Die intelligente Verknüpfung von Mobilitätsdienstleistungen wird zu völlig neuen Verkehrskonzepten führen“, sagt der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup.

Die Kosten für die Stadt sollen sich dagegen im Rahmen halten. „Für Verbünde fallen lediglich Factoring-Gebühren für die Nutzung der App an“, sagt Moovel-Chef Lamparter. Für jede vermittelte Fahrt kassiert die Daimler-Tochter eine Provision. Dafür übernehmen die Schwaben auch die Weiterentwicklung der App. Damit vernichtende Urteile im App Store in Zukunft zumindest seltener werden.

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