Musterfeststellungsklage Was die Groko-Pläne für Diesel-Besitzer bedeuten

Union und SPD haben die Musterfeststellungsklage beschlossen. Was das Besitzern von Schummeldieseln bringen könnte.

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Die Pläne der Großen Koalition könnten Musterfeststellungsklagen möglich machen. Quelle: dpa

Düsseldorf Das Ende der Hängepartie ist absehbar. Nach Jahren des Streits über das Ob und Wie einer Musterfeststellungsklage haben Union und SPD im Koalitionsvertrag festgelegt: Künftig können Verbraucher kollektiv klagen. Spätestens zum November soll die neue Klagevariante in ein neues Gesetz gegossen werden. „Durch die Einführung einer Musterfeststellungsklage werden wir die Rechtsdurchsetzung für die Verbraucherinnen und Verbraucher verbessern“, heißt es.

Das klingt vielversprechend. Doch können Verbraucher nun wirklich hoffen, künftig leichter Schadensersatz durchsetzen zu können? Die Diskussion war vor allem wegen des Abgasskandals bei Volkswagen entbrannt. Allein in Deutschland hat der Wolfsburger Konzern 2,8 Millionen Diesel-Fahrzeuge mittels einer Software so manipuliert, dass sie auf dem Teststand weit weniger giftige Stickoxide ausstoßen als auf der Straße.

Jetzt geht es um die Frage, ob die Händler oder der Konzern die Autos zurücknehmen oder Schadensersatz zahlen müssen. Weil es in Deutschland bis dato eben keine Musterfeststellungsklage gibt, muss jeder potenzielle Kläger selbst vor Gericht ziehen. Das birgt allerdings enorme Kostenrisiken, viele Diesel-Besitzer schrecken davor zurück. Bei den Gerichten liegen zwar trotzdem viele tausend Klagen womöglich geschädigter VW-Besitzer. Gemessen an der Gesamtzahl der betroffenen Autos ist das aber nur ein Bruchteil.

Das Vorhaben der designierten Großen Koalition ist für Dieselbesitzer und andere geschädigte Verbraucher eine gute Nachricht. Ein Musterverfahren soll künftig schon dann angestoßen werden, wenn mindestens zehn Personen einen gleichgelagerten Schaden „schlüssig und glaubhaft“ geltend machen. Wenn sich dann in einem zweiten Schritt innerhalb einer Frist von zwei Monaten 50 Leute in ein entsprechendes Klageregister eintragen, startet das Verfahren. Das Urteil ist dann für alle bindend, die zu Beginn einer mündlichen Verhandlung registriert sind.

Sowohl die Union als auch die SPD feiern die Vereinbarung als großen Fortschritt für die Verbraucher. Vor allem die SPD schreibt sich den Erfolg auf ihre Fahnen, hat doch ihr Justizminister Heiko Maas den Entwurf vorgelegt, der nun den Grundstein für das neue Gesetz legt.

Der Teufel allerdings liegt im Detail, auch für VW-Besitzer. Ohnehin können sie VW nur verklagen, wenn sie vorbringen, von den Autobauer betrogen worden zu sein. VW streitet den Betrug in Europa zwar ab, längst nicht alle Gerichte teilen aber diese Einschätzung. Weil der Dieselskandal am 19. September 2015 aufflog, können Klagen bis Ende 2018 eingereicht werden. Die neue Musterfeststellungsklage bringt keinen zusätzlichen Aufschub.

Außerdem sollen nach den Vorstellungen der neuen Regierung nur bestimmte Organisationen klagen können. Union und SPD sprechen von „festgelegten qualifizierten Einrichtungen“. Klar ist, dass etwa Verbraucherzentralen damit gemeint sind, eine genaue Definition steht aber noch aus. Ausdrücklich nicht erwünscht ist dagegen, dass sich in Deutschland ein Modell der massenklagen nach US-Vorbild etabliert. „Wir wollen eine ausufernde Klageindustrie vermeiden. Bewährte wirtschaftliche Strukturen sollen nicht zerschlagen werden“, heißt es in dem Vertrag.

Das wäre ein Rückschlag für Rechtsdienstleister wie Myright. Dieser ist das größte Sammelbecken für klagewillige VW-Diesel-Besitzer, nach eigenen Angaben haben sich 40.000 Personen auf der Plattform registrieren lassen. Das Geschäftsmodell sieht vor, dass die Kunden ihre etwaigen Ansprüche wirtschaftlich gesehen an Myright abtreten. Der Dienstleister übernimmt das Kostenrisiko, kassiert aber im Erfolgsfall 35 Prozent der erstrittenen Summe. Rechtlich vertreten wird Myright von der US-Kanzlei Hausfeld. Aus Sicht der Politik steht Hausfeld offenbar exemplarisch für die „Klageindustrie“, die es zu verhindern gilt.

Christopher Rother, deutscher Statthalter von Hausfeld in Berlin, sieht die Pläne entsprechend kritisch: „Es ist bemerkenswert, dass sich die Polemik der VW-Lobbyisten im Koalitionsvertrag wiederfindet.“ Es sei richtig, dass es in Deutschland mittlerweile spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien gibt, die Ansprüche geschädigter Verbraucher gegen große Konzerne wie Volkswagen durchsetzen. All das sei Unternehmen wie Volkswagen ein Dorn in Auge.

Rother setzt darauf, dass die EU-Kommission einen anderen Weg geht. Für März 2018 hat die Kommission den Entwurf einer Richtlinie zum kollektiven Rechtsschutz angekündigt. „Mit den Plänen von Heiko Maas wird sich die EU Kommissarin Jourová kaum zufrieden geben“, glaubt Rother.

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