Die Spitze des Daimler-Konzerns ist heute zur Präsentation des neuen Spitzenmodells Mercedes S-Klasse in Hamburg versammelt. Doch aus der schwäbischen Heimat gibt es weniger glamouröse Nachrichten. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart bestätigte Handelsblatt Online, dass eine Strafanzeige gegen Daimler-Chef Dieter Zetsche vorliegt. Der Vorwurf: gemeinschaftliche Arbeitnehmerüberlassung. Die Strafanzeige, die Handelsblatt Online ebenfalls vorliegt, richtet sich auch gegen den Chef einer von Daimler beauftragten Logistikfirma, Michael Preymesser, sowie gegen Daimler-Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm.
Die Anzeige bezieht sich auf die ARD-Reportage „Hungerlohn am Fließband“, für die ein Reporter zwei Wochen lang undercover an einem Band im Daimler-Stammwerk in Stuttgart-Untertürkheim gearbeitet hatte. Dort werden unter anderem Bauteile für die S-Klasse gefertigt. In dem 45-minütigen Film wird dokumentiert, wie Mitarbeiter per Werkvertrag im Unternehmen arbeiten und dabei – so der Vorwurf – unzulässig in die Arbeitsläufe integriert und angeleitet werden. Außerdem sei der Stundenlohn in Höhe von 8,19 Euro so niedrig, dass damit eine Hartz-IV-Aufstockung möglich sei und die Produktion von Mercedes-Fahrzeugen so indirekt vom Steuerzahler finanziert werde.
Daimler hat den Film bereits scharf kritisiert, weil unter anderem Stellen „fingiert“ seien und der Journalist nicht mit offenen Karten gegenüber dem Unternehmen gespielt habe. „Wir haben keine Kenntnis von dieser Anzeige“, teilte das Unternehmen heute mit. „Wir halten die Vorwürfe für völlig unbegründet. Wir haben bereits gestern ausführlich erklärt, dass die Sachverhalte in dem Beitrag falsch dargestellt wurden.“
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hatte bereits wegen des Fernsehbeitrags – unabhängig von der Strafanzeige – einen Beobachtungsvorgang eingeleitet. Dabei dürften öffentlich zugängliche Quellen genutzt werden, um nach einem Anfangsverdacht zu suchen. „Wir prüfen, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird“, sagte eine Sprecherin Handelsblatt Online. Die Strafanzeige sei noch keinem Staatsanwalt zugeordnet worden.
Anzeigeerstatter ist Benjamin Frick, Initiator von „Leak Leiharbeit“, einem privaten Zusammenschluss ehemaliger Leiharbeiter. „Es war bereits nach fünf Minuten des TV-Berichts klar, dass es sich um illegale Arbeitnehmerüberlassung handelt“, so Benjamin Frick zu Handelsblatt Online. Er habe selbst mehr als zehn Jahre als Leiharbeiter gearbeitet und gemeinsam mit Bekannten beschlossen, aktiv gegen das wachsende Phänomen der Leiharbeit vorzugehen. „Entweder wir gehen unter, weil wir nichts unternehmen – oder wir gehen unter, weil wir etwas unternehmen“, beschreibt der 31-Jährige seine Motivation. Er selbst habe bereits zehn Jahre als Leiharbeiter gearbeitet, unter anderem bei Siemens.
Die Resonanz auf die Klageeinreichung sei enorm gewesen. Bereits mehr als 200 unterstützende E-Mails und Dutzende Facebook-Kommentare habe er erhalten.