Nachfolge in Krupp-Stiftung Die unterschätzte Rolle der Hannelore Kraft

Die Zukunft der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung wird jetzt auch maßgeblich von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bestimmt.

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Wie Berthold Beitz ThyssenKrupp prägte
Berthold BeitzDer Vorsitzende der Krupp-Stiftung hätte am 26. September 2013 seinen 100. Geburtstag gefeiert, doch er starb Ende Juli in seinem Ferienhaus auf Sylt. Sein wichtigster Mann im Konzern war über viele Jahre Gerhard Cromme, zunächst als Vorstandsvorsitzender von Krupp und ThyssenKrupp, später als Aufsichtsratschef. Cromme sollte auch den Stiftungsvorsitz übernehmen, wenn Beitz einmal nicht mehr sein sollte. Doch im März 2013 war plötzlich alles aus. Cromme trat von allen Ämtern zurück. Zuvor hatte es Razzien wegen des Verdachts auf Kartellabsprachen bei Karosseriestahl gegeben. Cromme fiel bei Beitz in Ungnade. 2011 erschien eine Biographie über Beitz, die er vor Drucklegung absegnete. Infolgedessen ist dort nun wenig Kritisches zu lesen. Eine überragende Position nimmt Beitz in der Nazizeit ein. Er ist zwar kein Widerstandskämpfer, rettet aber - ähnlich wie Oskar Schindler - hunderten von Juden das Leben, indem er sie als Direktor der Karpathen-Öl in Russland anstellt und somit vor dem Tod bewahrte. Quelle: dpa
Berthold Beitz, Alfried Krupp Quelle: ThyssenKrupp AG
Villa Hügel Quelle: AP
Alfred Krupp Quelle: ThyssenKrupp AG
Margarethe Krupp, Bertha Krupp
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Quelle: dpa
Radreifen-Skizze von Alfred Krupp Quelle: ThyssenKrupp AG

Der Tod von Berthold Beitz wirft bei ThyssenKrupp viele Fragen auf: Wie sortiert sich der Hauptaktionär, die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung neu? Wer wird bestimmenden Einfluss auf die Stiftung und damit auf den Konzern ThyssenKrupp haben? Bisher war es so, dass nur einer das Sagen hatte im Kuratorium der Stiftung: Professor Berthold Beitz persönlich, der diesen Einfluss nicht nur über die Stiftung, sondern auch informell über viele Kanäle bis hinein in Vorstandsangelegenheiten des Stahl- und Technologiekonzerns geltend machte. Eine solche bestimmende Figur, die sich aus der Historie und aus dem persönlichen Kontakt mit dem 1967 verstorbenen Alfried Krupp herleitete, gibt es nun nicht mehr. Über ein halbes Jahrhundert lang waren diese Wege zwischen Beitz via Stiftung und Unternehmen eingeübte Praxis. Nun ist ein Vakuum entstanden.

 

Die Satzung der Stiftung wurde 2010 auf moderne Maßstäbe angepasst. Es wurde zwischen Vorstand und Kuratorium der Stiftung unterschieden, wobei, anders als bei der benachbarten RAG-Stiftung, der Vorstand der Krupp-Stiftung nur eine untergeordnete Rolle spielt. Maßgeblich war das Kuratorium und da auch nur neben Beitz drei Personen, die auch Gewicht hatten und haben: Diese sind Kersten von Schenck, ein Vertrauter von Beitz, Susanne Henle, die Tochter von Beitz und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Das Land hat die Aufsicht über die Stiftung, deren Satzung nichtöffentlich ist und wie ein Augapfel gehütet in einem Tresor des Düsseldorfer Innenministeriums ruht.

 

Das Kuratorium wählt aus seiner Mitte den Vorsitzenden, wenn aber ein Mitglied stirbt, kann es auch von außen ein oder zwei neue Mitglieder berufen. Die Kompetenzen des Kuratoriums richten sich nicht allein auf Wohltätigkeiten, beispielsweise die Finanzierung des Krupp-Krankenhauses in Essen oder des Folkwang-Museums. Die Stiftung muss auch auf die Werterhaltung seiner Industriebeteiligung achten, um ihren Stiftungszweck zu erfüllen. Und genau darauf ist besonders die Landesmutter Kraft erpicht. Denn in ihrer eigentlich widersprüchlich anmutenden Doppelfunktion von Regierungschefin und Kuratoriumsmitglied muss sie sowohl für den Erhalt der Stahlstandorte Duisburg mit ihren 20 000 Stahlarbeiterin achten als auch auf die Werterhaltung von ThyssenKrupp. Beides unter einen Hut zu bekommen geht eigentlich nicht gleichzeitig, denn ThyssenKrupp steht wegen seiner finanziellen Schieflage vor einem gigantischen Arbeitsplatzabbau und einer Loslösung, möglicherweise in Teilen und Schritten, vom Stahl. Es wird nach einem Investor auch für den deutschen Stahl gesucht.

 

Nur wer die Interessen des Unternehmens vertrat, hatte einen Sitz

200 Jahre Krupp in Bildern
"Stammhaus" und Schmelzbau um 1819. Quelle:
Friedrich Krupp um 1820. Quelle: PR
"Vom Stammhaus zum Quartier": Ein Gemälde von Julius Grün, es zeigt Alfred Krupp in den 1880er-Jahren. Quelle: PR
Ein Plan der Gussstahlfabrik, 1889 Quelle: PR
Innerer Bereich der Gussstahlfabrik in Essen, 1864 Quelle: PR
Friedrich Alfred Krupp seiner Verlobte und Margarethe von Ende 1882 Quelle: PR
Die Friedrich-Alfred-Hütte in Rheinhausen ca. 1910 Quelle: PR

Dieser neue Investor wird sich nicht so einfach mit der Politik an einen Eichentisch setzen wie er in der Stiftung auf dem Essener Hügel steht. Dort gab es bisher nur einen, der redete: Berthold Beitz, gelegentlich unterbrochen von Hannelore Kraft und seiner Tochter Susanne Henle. Dividendenausschüttungen (wenn es welche gibt), Personalpolitik, Standortpolitik, da war bisher eine Sache zwischen Beitz, Cromme und Kraft. Es war kein Zufall, dass stets der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen einen Sitz in der Stiftung hatte. Das sind immer größere Posten gewesen als es die Formalie vermuten ließ. Offiziell stimmten sie über die Finanzierung von Kunstaustellungen und Musikfestivals ab. Inoffizielle einigten sie sich über „Strukturpolitik“ im Stammland von Kohle und Stahl. Und hinter diesem Wort verbirgt an Rhein und Ruhr eine gigantische Kungelei um Posten und Pfründe.

 

Nur wer die Interessen des Unternehmens vertrat, hatte hier einen Sitz. Das waren in der Vergangenheit Strippenzieher wie Friedel Neuber, früher Chef der untergangenen WestLB und Johannes Rau, Ministerpräsident von NRW und später Bundespräsident. Rau hatte bei der feindlichen Übernahme von Thyssen durch Krupp den Plan an die Gewerkschaften weitergegeben, hieß es. Das war für Beitz Verrat. Dass Rau als „Landesvater“ auch den Thyssen-Arbeitern gegenüber verantwortlich war, galt nicht in der Krupp-Stiftung. Rau schied aus, als er Bundespräsident wurde. Obwohl er sich nach seiner Amtszeit wieder um ein Mandat bei seinem vermeintlichen Freund Beitz bemühte, war ihm die Rückkehr in die Stiftung verwehrt. Beitz wollte ihn nicht, weil er nicht sein Gefolgsmann war.

 

Umgekehrt war Beitz auch der Politik verpflichtet. Das Zusammenwachsen der fusionierten Konzernteile von Thyssen und Krupp wurde von der Stiftung aus torpediert, weil es die Aufgabe von Standorten bedeutet hätte. Und daran war die Politik nicht interessiert. Also unterblieb es. Basta, sagte Beitz.

 

Wenn das so weitergehen soll im Konsensland Nordrhein-Westfalen muss Hannelore Kraft schnell handeln und einen industriell versierten Gewährsmann der Industriepolitik in der Stiftung installieren, am besten einen aus dem Aufsichtsrat eines NRW-Unternehmens. Werner Müller, früher parteiloser, aber der SPD nahestehender Wirtschaftsminister unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) fällt schon einmal weg. Er ist Chef einer anderen Stiftung in Essen, der RAG-Stiftung, die sich gerade zu einer industriepolitischen Plattform ausbaut. Ein zweites Standbein in der Krupp-Stiftung könnte da nicht schaden, neben der RAG-Stiftung wäre das eine solide Basis für die Konsens- und Standortsicherung an Rhein und Ruhr in bewährter Manier.

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