Neues Entwicklungszentrum in Rüsselsheim Opels Traumfabrik

Opel eröffnet in Rüsselsheim ein neues Entwicklungszentrum – und will den deutschen Stammsitz damit zukunftssicher machen. Ein Besuch an einem Ort, an dem Opel seinen neuen Antrieb sucht.

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Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (rechts) und Opel-Chef Karl-Thomas Neumann eröffnen gemeinsam ein neues Entwicklungszentrum in Rüsselsheim. Quelle: dpa

Rüsselsheim Es darf wieder gefeiert werden in Rüsselsheim. Nach der Rückkehr in die schwarzen Zahlen will man am Stammsitz von Opel beweisen, dass man auch für die Zukunft gerüstet ist. Da passt die Eröffnung eines neuen Entwicklungszentrums bestens ins Bild. Opel-Chef Karl-Thomas Neumann hielt am Mittwoch persönlich die Eröffnungsrede. Das Zentrum werde den Autobauer „schneller und effizienter“ machen, sagt Neumann. Das ist auch nötig. Denn Opel will etliche neue Modelle in den kommenden Jahren auf den Markt bringen. Und hier in Rüsselsheim sollen die Antriebe dafür entstehen.

210 Millionen Euro hat General Motors (GM) in das neue Entwicklungszentrum in Rüsselsheim investiert – das höchste Investment am Standort seit 14 Jahren. In zwei Jahren wurde ein Gebäude mit 36.000 Quadratmetern auf sieben Stockwerken hochgezogen, in dem künftig 800 Mitarbeiter an neuen Antrieben forschen. Auf 45 Prüfständen können neue Modelle auch unter Extrembedingungen getestet werden.

Bei solchen Feierstunden ist Optimismus natürlich obligatorisch. „Auch im Verbrennungsmotor steckt noch viel Potenzial“, meint Neumann. Dass in Deutschland gerade darüber diskutiert wird, den Anteil des Verbrennungsmotors bis zum Jahr 2030 auf null zu reduzieren, spricht Neumann nicht an.

Das übernimmt dafür Ministerpräsident Volker Bouffier, der ebenfalls zur Eröffnung gekommen ist. „Ob es der richtige Weg ist, ein festes Jahr festzulegen?“, fragt der Landeschef, um seine Frage umgehend selbst zu beantworten. „Ich habe da meine Zweifel“. Zustimmendes Nicken in den Reihen der Opel-Ingenieure. Dann geht Bouffier wieder zum feierlichen Teil über. „Ein guter Tag für Opel, für Rüsselsheim und natürlich für Hessen“ sei diese Eröffnung, betont der Ministerpräsident mehrfach.

Der stellvertretende Betriebsratschef Uwe Baum stimmt ein. Für den Standort sei die Eröffnung „nach langer Zeit wieder ein deutliches Zeichen des Aufbruchs“. Tatsächlich stärkt das Zentrum die Rolle im Konzernverbund. Mittlerweile sind in Rüsselsheim schon deutlich mehr Menschen in der Entwicklung tätig als in der Produktion. Mit insgesamt 7300 Ingenieuren ist das Internationale Entwicklungszentrum (ITEZ) das zweitgrößte im Konzern.

Darum ist natürlich auch Besuch aus den USA nach Rüsselsheim gekommen. Dan Nicholson, weltweit der wichtigste Mann für die Antriebsentwicklung bei GM, hält eine kleine Rede auf Deutsch, lobt seine deutschen Entwickler. „GM hat sich aus guten Gründen für diesen Standort entschieden“, sagt er. Am Dienstag sei er selbst im neuen Elektroauto Ampera-e vom Amsterdamer Flughafen zum Aachener Motorenkolloquium gefahren. Dort, wo die wichtigsten deutschen Motorenentwickler einmal im Jahr zusammenkommen, sei der Ampera-e mit großem Interesse beäugt worden. Schließlich ist er das erste kompakte Elektroauto mit einer Reichweite von 500 Kilometern. Doch die Schwärmerei hat einen Haken.


„Der droht nicht, der grüßt nur“

Denn entwickelt wurde das Elektromodell vor allem in den GM-Entwicklungszentren in den USA, dort wird er auch gebaut. In Rüsselsheim soll dagegen vor allem an Verbrennungsmotoren und Getrieben geschraubt werden. Beides Technologien, die in einer elektrischen Autowelt keine große Zukunft haben. Das wissen sie auch bei Opel. Auch deswegen wurde die Antriebsentwicklung in diesem Jahr von „GM Powertrain“ in „Global Propulsion Systems“ umbenannt.

Für die Zukunft sei man gerüstet, betonen die Verantwortlichen. „Schauen Sie hier“, sagt GM-Entwickler Nicholson und zeigt in einen der langen Gänge, in dem noch gebaut wird, „wir haben noch viel Platz für Ideen“. Und auch der Christian Müller, Leiter der europäischen Antriebsentwicklung, kann sich gut vorstellen, dass die Elektrifizierung in Zukunft eine größere Rolle spielen wird. Man habe hier ja nicht in Beton investiert, sondern in Köpfe. „Wir arbeiten hier schon heute an Hybridantrieben“, sagt er.

Ohnehin sei man in Rüsselsheim bei den Zukunftsthemen wie dem Elektroantrieb und dem autonomen Auto eng mit den anderen Entwicklungszentren des Konzerns vernetzt, vor allem mit dem Technikcenter des Mutterkonzerns in Warren (Michigan), aber auch mit der Dieselentwicklung in Turin oder den Entwicklern im Silicon Valley.

Gebaut werden am Stammsitz bislang nur noch der Insignia und der Zafira. Modelle, die schon etwas in die Jahre gekommen sind. Es ist ein offenes Geheimnis, dass bald noch ein neues, großes SUV hinzukommen soll. Auch darauf bereiten sie sich in Rüsselsheim vor.

Der Ministerpräsident überreicht zum Abschluss ein Geschenk: den hessischen Löwen vom Landeswappen auf Höchster Porzellan. „Der droht nicht, der grüßt nur“, scherzt Bouffier. Dann ist die Feierstunde beendet, die Ingenieure applaudieren. Bouffier, Neumann, Nicholson und die anderen Ehrengäste schlendern durch die Gänge des Entwicklungszentrums, begleitet von einer Journalistentraube. Gemeinsam posieren sie für die Fotografen. Hier wird ein Band durchschnitten, da ein Knopf gedrückt.

Bouffier steht mit den Opel-Ingenieuren vor ein paar Bildschirmen im Testlabor. Dann zeigt er auf ein Messgerät und fragt landesväterlich nach. „Damit sind dann aber auch diese Probleme mit den falschen Messwerten erledigt, oder?“ Als ob der Dieselskandal ein Problem der Messgeräte gewesen sei. Die anwesenden Opel-Verantwortlichen stimmen trotzdem pflichtbewusst zu. Jaja, keine Probleme mehr in Zukunft. Man ist schließlich nicht zusammengekommen, um zu streiten. Darum fragt auch Bouffier nicht weiter nach, sondern nickt zufrieden.

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