Nivea-Konzern Beiersdorf Heidenreichs große Bewährungsprobe

Beiersdorf-Chef Stefan Heidenreich muss endlich eine Übernahme präsentieren. Ein Ziel ist bereits ausgemacht.

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Beiersdorf: Mit Übernahmen kann CEO Stefan Heidenreich dem Konzern zu besseren Wachstumsaussichten verhelfen. Quelle: dpa, Montage

Er ist das Phantom unter den Dax-Konzernchefs. Stefan F. Heidenreich – das F. steht für Fritz – gibt keine Interviews. Er spricht nicht vor Analysten und meidet öffentliche Auftritte. Lassen sich die ausnahmsweise nicht verhindern, etwa bei Pflichtveranstaltungen wie Hauptversammlung oder Bilanzpressekonferenz, dann gibt Heidenreich den Minimalisten. Sein Vortrag vor den Aktionären dauert kaum 25 Minuten; nur wenig länger fällt seine Rede bei der Vorlage des Geschäftsberichts aus. Zum Abschluss der Veranstaltung nimmt er widerwillig eine Nivea-Dose in die Hand, presst sich ein sparsames Lächeln ab und raunt den Fotografen zu: „Sie haben mich doch erst letztes Jahr fotografiert.“

Heidenreich ist Vorstandschef von Beiersdorf, des immens erfolgreichen Hamburger Kosmetik- und Klebstoffkonzerns mit seinen Flaggschiffen Nivea und Tesa sowie den Beibooten Labello, 8×4, Eucerin und Hansaplast. Der 53-jährige Deutsche mit Schweizer Pass hat den schwächelnden Riesen binnen vier Jahren in aller Stille zum Wachstum zurückgeführt, mit einer Mischung aus Zurückhaltung und Angriffslust, Risikofreudigkeit und Traditionsbewusstsein.

Heidenreichs eigentliche Bewährungsprobe wird jedoch der überfällige Kauf eines Unternehmens sein. Er muss zeigen, dass er tatsächlich in der Lage ist, eine namhafte Branchengröße zu übernehmen, wie er es vor einiger Zeit in Aussicht stellte.

Die zehn wertvollsten Kosmetikmarken der Welt

Beiersdorf ist im Vergleich zu den Wettbewerbern L’Oréal, Procter & Gamble, Coty oder Unilever nach wie vor ein Winzling. Anleger machen Druck: „Eine größere Übernahme wäre jetzt wirklich sinnvoll und würde auch von Investoren sicher positiv gesehen“, sagt Peter Steiner, Konsumgüteranalyst beim Bankhaus Lampe in Düsseldorf. Beiersdorf ist gut bei Kasse, dennoch gab es seit Jahren keine Dividendenerhöhung. Aktionären wäre dies leichter zu vermitteln, würde das Geld sinnvoll eingesetzt. Übernahmeziele böten sich laut Branchenkennern im Markt für Naturkosmetik sowie im neuesten Betätigungsfeld der Hamburger, dem Geschäft rund um die Rasur.

Und tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass Beiersdorf nach dem Einstieg in das Geschäft mit Wechselklingenrasierern für Damen (Nivea Protect & Shave) nun auch im Männermarkt stärker verdienen will. Die Grundlage dafür könnte ein vor einem Jahr gestarteter Test für Damenrasierer in Österreich liefern, die es inzwischen auch in Deutschland gibt.

Beiersdorf könnte Edgewell schlucken

Der Markt für Rasierer wird von den US-Konzernen Procter & Gamble (Gillette) und Edgewell (Wilkinson) dominiert. In Kombination mit Nivea-Produkten wie Rasierschaum und Rasierwasser böten sich möglicherweise neue Wachstumschancen – gerade im Geschäft mit Männern. Deswegen wird in der Branche spekuliert, Beiersdorf könnte Edgewell schlucken. Die Nummer zwei auf dem Weltmarkt würde Beiersdorf nicht nur gute Rasierklingen liefern, sondern auch den Zugang zu anderen Märkten ermöglichen. So stellt Edgewell auch Sonnencremes und Markenartikel wie Carefree-Slipeinlagen und o.b.-Tampons her. „Das ist eine Übernahme, die absolut naheliegt“, heißt es in Branchenkreisen.

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Alkoholfreie Getränke: Gerolsteiner Quelle: imago images
Automobil: Skoda Quelle: imago images
Autozubehör und -services: Carglass Quelle: imago images
Banken: ING-Diba Quelle: imago images
Bauen und Einrichten: Ikea Quelle: dpa
Biere: Krombacher Quelle: obs
Consumer Electronics: Samsung Quelle: dpa

Edgewell aus Chesterfield im US-Staat Missouri erlöste 2015 rund 2,4 Milliarden US-Dollar und ist an der Börse aktuell rund fünf Milliarden Dollar wert. Aktionäre sind vor allem Fonds- und Investmentgesellschaften. In US-Finanzkreisen wird Edgewell daher schon als Übernahmekandidat gehandelt. „Man wartet dort förmlich darauf, dass eine Offerte kommt“, sagt ein Investmentbanker. Eine Beiersdorf-Sprecherin wollte Übernahmespekulationen nicht kommentieren.

Geld dafür hat Heidenreich allemal. Beiersdorf bunkert knapp zehn Prozent der eigenen Aktien. Die könnte der Konzern für eine Übernahme einsetzen. Zusammen mit einer Kapitalerhöhung könnten die Hanseaten – aktueller Börsenwert: 20 Milliarden Euro – rund acht Milliarden Euro aufbringen, ohne sich für eine Übernahme verschulden zu müssen. Die Eigenkapitalquote liegt auf der Rekordhöhe von 61 Prozent. Langfristige Schulden gibt es so gut wie keine, und netto hat Beiersdorf mehr als drei Milliarden Euro in der Kasse.

Allerdings steht vor einem großen Deal Beiersdorf-Großaktionär und Multimilliardär Michael Herz. Der achtet sehr genau darauf, dass Übernahmekandidaten nahe am Kerngeschäft der Hamburger sind, also der Haut- und Gesichtspflege. Das reduziert die Liste der Ziele. Zudem würden Verkäufer in der Schönheitsbranche „verrückte Preise“ verlangen, sagt ein Investmentbanker. Das liegt auch daran, dass direkte Wettbewerber wie Henkel, L’Oréal oder Unilever ebenfalls nach Verstärkung suchen. Nivea-Chef Heidenreich gibt sich deshalb bedeckt. „Wir fangen mal langsam an zu angeln“, sagte er kürzlich.

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