Ölkonzerne Europas Öl-Konzerne schaffen den Turnaround

Der Ölpreis-Verfall nagt an den Produzenten. Auch Konzerne in Europa sind von sinkenden Gewinnen betroffen. Doch Ausgaben- und Personalkürzungen tragen langsam Früchte. Analysten sind vom Turnaround überzeugt.

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Steht Shell eine leuchtende Zukunft bevor? Analysten glauben an einen Turnaround europäischer Öl-Konzerne.

Nach dem längsten Ölpreisabsturz seit mehr als einem Jahrzehnt, einbrechenden Gewinnen und einem Exodus der Investoren gewinnen die größten Produzenten in Europa nun wieder ihre Anhänger zurück. Analysten wetten, dass die Gewinne im vergangenen Quartal ihren Tiefpunkt erreicht haben und sich von nun an wieder erholen werden.

Zwar dürfte Total die schlechteste Quartalsentwicklung seit 2009 aufweisen, der zweitgrößte Ölkonzern in der Region verfügt jedoch über den höchsten Prozentanteil an Kaufempfehlungen seit einem Jahr, wie eine Umfrage von Bloomberg unter Analysten ergab. Trotz ähnlich düsterer Prognosen weist Royal Dutch Shell, die Nummer eins in Europa, den größten Anteil an Kaufempfehlungen seit Mitte 2012 auf, während BP die meisten seit Februar hat.

Die Anlageurteile zeigen Zuversicht in die Produzenten, der Rohstoffbaisse standzuhalten, die den Brent-Ölpreis in diesem Jahr um mehr als 40 Prozent abrutschen und die Bewertungen der Firmen auf mindestens ein Dreijahrestief schrumpfen ließ. Immer mehr Analysten sind nun der Ansicht, dass die in der Branche ergriffenen Maßnahmen wie weitreichende Ausgabenkürzungen, Abbau von Stellen und gedrosselte Produktion ausreichen werden, um die Ölpreise zu stützen und das Gewinnwachstum zu fördern.

„Es handelt sich womöglich um einen Fall der dunkelsten Stunde vor der Dämmerung“, sagt Analystin Lydia Rainforth von Barclays in London. Ihrer Einschätzung nach machen Kürzungen bei der Produktion und Verzögerungen bei Projekten „irgendeine Form von Erholung unvermeidbar“.

Die B-Aktien von Shell, die am meisten gehandelt werden, haben in diesem Monat um 15 Prozent zugelegt und laufen auf die beste Entwicklung seit April 2008 zu, nachdem sie zuvor seit Jahresbeginn noch um 30 Prozent eingebrochen waren. Anteile von Total zogen elf Prozent an und BP-Titel gewannen 13 Prozent – der stärkste Kurssprung seit Oktober 2011. Energieunternehmen weisen in diesem Monat die beste Wertentwicklung im MSCI World Index auf, nachdem sie den Großteil des Jahres noch am unteren Ende zu finden waren.


Ölpreis-Einbruch vernichtete 397 Milliarden Dollar Marktwert

Die Erholung folgt auf Ausgabenkürzungen, mit denen die Unternehmen dem Abschwung begegnen. Die Bohrkonzerne haben Investments in Erschließung und Produktion in diesem Jahr um rekordträchtige 20 Prozent gedrosselt, sagte Fatih Birol, Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur in Paris, am 6. Oktober. Zudem verkauften die Konzerne Vermögenswerte, strichen Anreize für ihre Mitarbeiter und handelten Verträge neu aus, um die Kosten zu senken.

„Wir sehen durchweg Unternehmen, die sehr hart daran arbeiten, ihr Kapital- und operatives Ausgabenniveau zu senken. Und das Tempo, in dem das vonstatten geht, ist sehr hoch“, sagt Occo Roelofsen, Leiter des Öl- und Gasbereichs in Amsterdam beim Berater McKinsey & Co. telefonisch gegenüber Bloomberg. „Eine Menge Geschäftsbereiche beginnen damit, die neue Lage relativ schnell in den Griff zu bekommen, während sie sich an die neue Normalität anpassen.“

Der 16 Monate währende Einbruch der Ölpreise war brutal. Der Preissturz vernichtete bei den 23 Unternehmen im  Öl- und Gasindex des Stoxx Europe 600 insgesamt 397 Milliarden Dollar an Marktwert und belastete die Gewinne.

Total dürfte am 29. Oktober für das dritte Quartal einen bereinigten Gewinn von 2,5 Milliarden Dollar ausweisen, ergaben Schätzungen von fünf Analysten, die Bloomberg zusammengestellt hat. Es wäre der niedrigste Wert seit dem vierten Quartal 2009. Bei BP, die am 27. Oktober Zahlen vorlegt, dürfte der Profit auf 1,3 Milliarden Dollar fallen und damit so gering ausfallen wie seit mindestens fünf Jahren nicht mehr, während sich Shell mit einer Vorlage von voraussichtlich 3,3 Milliarden Dollar nahe des niedrigsten Gewinns seit 2013 bewegen dürfte, zeigen die Prognosen.

Die Ergebnisse werden sich anschließend verbessern, erwartet Ölanalyst Ahmed Ben Salem von Oddo & Cie. in Paris. Dank der Ausgabenkürzungen liegt der Breakeven-Preis – also die Schwelle, an der ein Gewinn gemacht wird – seiner Einschätzung nach bei etwa 80 Dollar je Barrel und dürfte bis 2017 auf 60 Dollar fallen – verglichen mit 100 Dollar im vergangenen Jahr. Eine Prognose für den Ölpreis gab er nicht ab.

„Die Ölunternehmen machen ihre Hausaufgaben und passen sich dem Niedrigpreisumfeld an“, sagt Ben Salem. „Sie stellen sich schlanker und kosteneffizienter auf, was ihnen in der Zukunft nur von Nutzen sein wird.“

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