Offshore-Töchter Das zieht deutsche Konzerne an sonderbare Standorte

Ob Caymans, Virgins oder Delaware: Die deutschen Konzerne unterhalten fast überall auf der Welt Niederlassungen, wo die Abgaben niedrig sind. Doch das ist längst nicht das einzige Motiv für die Ableger an sonderbaren Standorten.

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Alte und neue Steueroasen
Ein Strand auf den Tobago Keys Quelle: dpa
Ein Schild mit dem Zeichen von Liechtenstein Quelle: REUTERS
Eine Stadt in Zypern Quelle: dapd
Festungsmuseum in Luxemburg Quelle: dpa
Wiener Opernball Quelle: dpa
Bauern in der Schweiz Quelle: dapd
Dubai Quelle: dapd

Palmenstrand, Yachthafen, luxuriöse Villenviertel und eine angenehme Brise: Die wichtigsten Kennzeichen eines klassischen Steuerparadieses hat Delaware nicht zu bieten. In Wilmington, mit gerade einmal 70.000 Einwohnern größte Stadt des US-Bundesstaates an der Ostküste, geht es so öde zu wie in vielen anderen amerikanischen Kleinstädten.

Trotzdem sind ausgerechnet hier, drei Autostunden südlich von New York, praktisch alle internationalen Konzerne aktiv - und mittendrin auch die namhaftesten deutschen: Adidas und E.On, Linde und Fresenius Medical Care, K+S und Lanxess, VW, Lufthansa und Allianz. Besonders beliebt ist bei ihnen wie bei vielen anderen das Corporation Trust Center, ein unscheinbarer, schmuckloser Bau an der North Orange Street 1209. Mehr als 200.000 Firmen logieren in dem zweistöckigen Gebäude, pro Niederlassung gibt es weniger Platz als auf einer Postkarte.

"Zwischen 60 und 70 Prozent aller deutschen Unternehmen in den USA sind in Delaware registriert", sagt Susanne Gellert, Leiterin der Rechtsabteilung bei der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer in New York. Auf die rund 900.000 Einwohner des US-Bundesstaates kommen gut eine Million Firmen. Doch so unbestreitbar die Liebe der deutschen Konzerne zu Delaware und anderen Steueroasen ist und so brav die meisten die Töchter in Wilmington, auf den Caymans, den British Virgin Islands oder Panama in den Geschäftsberichten auflisten: Viele zieren sich, ihre Aktivitäten an den sonderbaren Standorten offen darzulegen.

Aufgeschreckt haben die Konzerne die Offshore-Leaks-Enthüllungen vor gut einer Woche über prominente Steuerverschieber wie den verstorbenen deutschen Industriellen Gunter Sachs. Seitdem sind die meisten besonders wortkarg. "Wir betreiben keine aktive Steuersparpolitik in der von der OECD kritisierten Weise", heißt es beim Essener Energieriesen RWE, der Töchter in Delaware und auf den Bermudas hat. „Die Deutsche Telekom nutzt in keiner Weise irgendwelche Steueroasen, um die Steuerbelastung des Konzerns künstlich oder sonstwie zu reduzieren“, versichert der Staatsriese auf Anfrage zu seinen Beteiligungen etwa auf den Caymans und Zypern.

Standorte der Dax-Konzerne in Steueroasen

Wohl am besten bringt Andreas Schaflitzl die Gemütslage in den deutschen Konzernen nach den Offshore-Leaks-Veröffentlichungen auf den Punkt. "Mir macht Sorge, dass Unternehmen in einen Topf geworfen werden mit Kriminellen und Steuerhinterziehern", sagt der Steuerexperte der Anwaltskanzlei Linklaters, der hiesige Großunternehmen berät.

Tatsache ist, dass die Crème der deutschen Konzerne ganz offiziell Dependancen in diversen Steueroasen unterhält. Eine Umfrage der WirtschaftsWoche bei den Dax-30-Unternehmen ergab, dass HeidelCement unter anderem Töchter auf den Caymaninseln, der britischen Kanalinsel Guernsey und in Panama hat. Linde meldet Niederlassungen auf Jersey und den Bahamas. Die neue VW-Tochter Porsche, die schon vor Jahren durch Firmengründungen auf der Kanalinsel Jersey auffiel, hat rund 20 Ableger in Delaware. Im VW-Konzern gibt es rund ein Dutzend weitere Töchter in Steueroasen, darunter fünf Flugunternehmen auf den Cayman Islands. BMW hat 22 Tochtergesellschaften in Delaware und eine weitere auf Curaçao.

Trotzdem verweigert etwa der Medizintechnikhersteller Fresenius in Bad Homburg bei Frankfurt jede Erklärung zu seinen steuerfreundlichen Standorten. Der Düsseldorfer Versorger E.On wollte nicht erklären, warum fast jede siebte seiner rund 500 weltweiten Auslandstöchter in Delaware residiert, obwohl selbst die E.On-Windparks in den USA größtenteils in den anderen Bundesstaaten liegen. Der Münchner Rückversicherer Munich Re erklärte zu seinen allein 15 Tochtergesellschaften in Wilmington lediglich, das Unternehmen sei an vielen Standorten der Welt vertreten, wo es "vereinzelt auch deutlich niedrigere Steuersätze als in Deutschland" gebe .

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