Opel-Arbeiter in Rüsselsheim „Noch kein Grund für Weltuntergangsstimmung“

Die Opel-Mitarbeiter sind Hiobsbotschaften gewohnt. Während der Verkauf des Autobauers immer wahrscheinlicher wird, übt sich die Belegschaft in Zweckoptimismus. Ein Stimmungsbild vom Opel-Stammsitz.

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Die Opelaner haben in den vergangenen zehn Jahre gelernt, mit Hiobsbotschaften gelassen umzugehen. Quelle: Reuters

Rüsselsheim Mittagspause in Rüsselsheim: Die Opelaner, die sich an diesem Freitag durch den Nieselregen von Rüsselsheim in Richtung Kantine bewegen, üben sich in Zweckoptimismus. Viele Mitarbeiter des Opel-Stammwerks kommen gerade von einer Versammlung, bei der sie über die Verkaufsverhandlungen zwischen dem Mutterkonzern General Motors und dem Konkurrenten PSA Peugeot Citroën informiert wurden. Viele hatten auf Klarheit gehofft, sind aber nicht wirklich klüger geworden.

Eine Dreiviertelstunde berieten die Arbeitnehmer. Die Stimmung ist keinesfalls aggressiv wie bei vergangenen Betriebsversammlungen. Auch Opel-Chef Karl-Thomas Neumann ist nicht dabei, berichten mehrere Teilnehmer. Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug übernimmt die Aufgabe, den Opelanern zu erklären, wie er in die Verhandlungen gehen will. „Offen und konstruktiv" wolle die Arbeitnehmervertretung die Verhandlungen mit PSA führen und diese „schnellstmöglich zu einem Ergebnis bringen“. Für die Mitarbeiter ist entscheidend, dass die Beschäftigungs- und Investitionszusagen eingehalten werden, darauf habe man sich mit den Kollegen der europäischen Arbeitnehmervertretungen geeinigt.

Opel hat rund 38.200 Mitarbeiter in Europa, davon mehr als die Hälfte in Deutschland. Es gibt Werke in Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern. PSA und Opel arbeiten bereits seit 2012 in verschiedenen Projekten in Europa zusammen.

Um die Opel-Standorte zu retten, üben die Gewerkschafter den Schulterschluss – anders als in der Krise 2009, als sich die Gewerkschafter der verschiedenen Standorte gegenseitig beharkten, um ihren jeweiligen Standort zu verteidigen. Wie in Rüsselsheim fanden am Freitag auch in Kaiserslautern und Eisenach Betriebsversammlungen statt.

„Wir erwarten, dass alle Tarifverträge im Falle eines Kaufs ihre Gültigkeit behalten, dass alle Standorte und Arbeitsplätze gesichert bleiben", erklärte Jörg Köhlinger, IG Metall-Bezirksleiter Mitte. Nach seiner Darstellung sind die fast 20.000 Opel-Beschäftigten in Deutschland bis Ende 2018 vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt, während die Investitionszusagen sogar bis ins Jahr 2020 reichen und auch für die Zeit danach ihre arbeitsplatzerhaltende Wirkung entfalten. „Es geht nicht nur um technische Prozesse, es geht auch um die Menschen.“ In der Zusammenarbeit mit PSA lägen auch viele Chancen, etwa bei der Nutzung gemeinsamer Plattformen, zusätzlichen Absatzchancen und Skaleneffekten etwa im Einkauf.

Die wenigen Opelaner, die überhaupt mit der Presse sprechen wollen, beschreiben die Atmosphäre als „entspannt“. Das ist angesichts der jüngsten Meldungen über einen Opel-Verkauf schon bemerkenswert. Doch die Opelaner haben in den vergangenen zehn Jahre gelernt, mit Hiobsbotschaften gelassen umzugehen.

„Wir wissen noch gar nicht, was jetzt passieren wird“, sagt ein altgedienter Mitarbeiter aus der Entwicklungsabteilungen. Seinen Namen verrät er nicht, dafür aber seine Gefühllage. „Noch ist kein Grund für Weltuntergangsstimmung.“ Andere üben sich in Sarkasmus. Wie man die eigene Lage sehe? „Es war nie besser“, sagt ein Opelaner - und lacht in sich hinein.


Bundesregierung geht von Übernahme aus

In einem öffentlichen Statement, das die Gewerkschaften nach der Versammlung verschicken, übt Betriebsratschef Schäfer-Klug aber auch deutliche Kritik an den Spekulationen, um die Zukunft von Opel. „Die öffentlichen Experten sollten sich überlegen, was ihre Statements und ihre Ausführungen in den Medien bei den Beschäftigten und ihren Familien verursachen“, sagt er.

Doch wesentliche Fragen bleiben auch in der Versammlung ungeklärt. Wie PSA mit den Überkapazitäten in den Opel-Werken umgehen will, welche Technologien Opel in eine neue Verbindung mit PSA einbringen kann und welche GM lieber für sich behält. Darüber schweigen auch die Arbeitnehmervertreter. Man lobt lieber die bisherigen Ergebnisse der Kooperation mit PSA, Modelle wie den Crossland X und den Grandland X.

„Entscheidend für die europäischen Arbeitnehmervertreter wird sein, welche Rolle die Marke und das Unternehmen Opel/Vauxhall im PSA-Verbund haben werden“, heißt es. Welche Rolle genau sie sich für Opel wünschen, sagen sie der Öffentlichkeit aber nicht. GM-Chefin Mary Barra hat laut Medienberichten zugesagt, dass Opel auch bei einem Verkauf zunächst eigenständig weitergeführt wird.

Die Bundesregierung geht unterdessen von einer Übernahme durch Peugeot aus. Die Vertragsverhandlungen in den Unternehmen seien „relativ weit fortgeschritten“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am Freitag in Berlin. Daher gehe Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) von einem Zusammenschluss aus. Nach Angaben der Sprecherin hat es inzwischen wegen des geplanten Verkaufs Gespräche mit General Motors sowie mit PSA gegeben. Es sei aber zu früh, um eine Bewertung abzugeben. Ziel der Gespräche ist der Erhalt von Standorten und Jobs bei Opel sowie die Beteiligung der Arbeitnehmer und Gewerkschaften.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte, es werde alles, was politisch möglich sei, getan, „dass die Arbeitsplätze und Standorte in Deutschland gesichert sind.“ Die Gespräche seien in Gang gebracht worden und müssten nun abgewartet werden, sagte Merkel nach einem Treffen mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau. In der Bundesregierung gebe es mit Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig zudem einen Koordinator.

Am frühen Nachmittag meldet sich auch Opel-Chef Karl-Thomas Neumann zu Wort. Über seinen Twitter-Account gibt er das erste Statement der Opel-Verantwortlichen ab, das über die offizielle Pressemitteilung von Mutterkonzern GM hinausgeht. Er habe großes Verständnis für die Fragen von Mitarbeitern und Kunden. „Ein Zusammengehen mit PSA ist prinzipiell sinnvoll. /KTN“, schreibt Neumann.

Sein Kürzel zeigt, dass er persönlich getippt hat. Er setze alles daran, die Zukunft von Opel nachhaltig erfolgreich zu gestalten. Der Zweckoptimismus in Rüsselsheim reicht in diesen Tagen bis in die Führungsetage.

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