Opel will wieder Gewinn machen Mit Vollgas in die schwarzen Zahlen

Erstmals seit 17 Jahren will Opel dieses Jahr wieder einen Gewinn einfahren. Die Zeichen stehen gut: Der Absatz hat deutlich zugelegt, die Auslastung der Werke auch - und auch in Detroit ist das Vertrauen gewachsen.

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Opel-Chef Karl-Thomas Neumann will dieses Jahr wieder schwarze Zahlen schreiben. Quelle: dpa

Rüsselsheim In den vergangenen drei Jahren hat Opel-Chef Karl-Thomas Neumann seine Ausdauer gut gebrauchen können. In seinem wichtigsten Rennen ist der Marathon-Läufer mit einem Ruhepuls von 42 aber noch längst nicht am Ziel, nämlich den einstmals stolzen Autobauer mit dem Blitz wieder profitabel zu machen. Nach dem schon von seinem Vorgänger verkündeten Plan soll Opel in diesem Jahr in die Gewinnzone zurückkehren - nach Jahrzehnten des Niedergangs mit Milliardenverlusten und schmerzhaften Schrumpfprozessen.

Dem übermächtigen Konkurrenten Volkswagen konnte die Europa-Tochter des US-Konzerns General Motors schon seit Jahrzehnten nicht mehr folgen, doch spätestens mit dem früheren VW-Manager Neumann ist die Hoffnung nach Rüsselsheim zurückgekehrt. „Umparken im Kopf“ lautete die Überschrift der Image-Kampagne, mit der Marketing-Chefin Tina Müller erfolgreich die Vorurteile über die allzu altbackene Marke aufs Korn genommen hat.

An Gewinne können sie sich in Rüsselsheim kaum noch erinnern. Im Jahr 1999 hat Opel letztmals schwarze Zahlen zum GM-Konzernergebnis beigetragen. Damals war Ferdinand Piëch noch VW-Chef, Helmut Kohl war gerade als Kanzler abgewählt worden und Opels Marktanteil war mit 14 Prozent etwa doppelt so hoch wie heute. Seitdem kannte Opel nur eine Richtung: abwärts. Im Jahr 2009 dachte man in Detroit sogar darüber nach, die erfolglose Europa-Tochter zu verkaufen. Trotz höchster politischer und gewerkschaftlicher Rückendeckung scheiterte der Verkauf an das österreichisch-russische Konsortium Magna/Sberbank, und GM nahm das Schicksal der bereits 1929 erworbenen Tochter doch noch in die eigene Hand. Schmerzhaften Einschnitten mit Werksschließungen in Antwerpen und Bochum folgt nun der Wiederaufstieg.

Nach Einschätzung des Auto-Experten Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft Bergisch Gladbach hängt einiges an der Persönlichkeit Neumanns, der bei den GM-Managern in Detroit mit Mary Barra an der Spitze Vertrauen erzeugt habe. Unverdrossen tragen die Amerikaner seit Jahren die Verluste mit, stellen immer neue Dollar-Milliarden für weitere Investitionen zur Verfügung. Ergebnis ist eine mit 2,9 Jahren Durchschnittsalter extrem junge Angebotspalette. Das wichtigste Opel-Modell Astra ist in der neuen Kombi-Ausführung gerade zu den Händlern gerollt, insgesamt liegen für das „Auto des Jahres 2016“ schon 150 000 Bestellungen vor.

Opel ist bislang auch gut durch die von Volkswagen ausgelöste Diesel-Krise gekommen. Neumann kämpft für den CO2-günstigeren Diesel, ist aber deutlich weniger abhängig von dieser Motorenart als die Konkurrenz. Nur rund 40 Prozent der aktuell verkauften Opels haben einen Selbstzünder an Bord, der herkömmliche Otto-Motor ist auch wegen des hohen Kleinwagenanteils eher die Wahl der Kunden.

Aufspringen auf den SUV-Trend

Das allerdings wird sich ändern, denn auch Nachzügler Opel setzt bei seiner Modell-Offensive vor allem auf SUV-Modelle in allen Größen, die bevorzugt mit durchzugstarken Diesel-Motoren bestückt werden. Hier sollen aufwendige Harnstoff-Katalysatoren (Ad-Blue) die gefährlichen Stickoxide binden. Dass Opel vor allem in neue Geländelimousinen investiert, ist nach Bratzels Überzeugung der richtige Weg. Zwar wisse niemand, wie lange der Boom mit den Großautos noch laufe, doch die Nachfrage sei inzwischen so bestimmend, dass jeder Hersteller ihr nachkommen müsse.

Vor allem hat sich das Verhältnis zum Mutterkonzern deutlich gebessert. Die neue Chefin Mary Barra war schon in der Krise im Aufsichtsrat von Opel und bringt ein tieferes Verständnis der schwierigen Marktsituation mit als ihre Vorgänger. Die Zeit der harten Direktiven aus Detroit ist vorbei.

Nach Einschätzung des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Center of Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen, profitiert Opel bei weiteren Zukunftsthemen sogar stark von der Konzernmutter GM. „Die ganzen Themen wie Vernetzung, autonomes Fahren, Carsharing und so weiter kommen alle aus den USA und können kostengünstig auf hiesige Verhältnisse übersetzt werden“, sagt der Auto-Professor. Am deutlichsten zeigt sich das bei der Elektromobilität: Opel lässt im kommenden Jahr das vollelektrische US-Modell Chevrolet Bolt als Ampera-E auf den Europamarkt rollen.

Trotz des politisch bedingten Rückzugs vom russischen Markt, der pro Jahr für rund 80.000 Verkäufe gut war, hat Opel seine europaweite Produktion 2015 auf 1,14 Millionen Autos gesteigert und auch im ersten Quartal 2016 zogen die Opel-Verkäufe weit stärker an als im Gesamtmarkt. Das schafft auch Arbeitsplätze: Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug hat bereits die Rückkehr zum Dreischichtbetrieb im Rüsselsheimer Stammwerk angekündigt. Von Ende 2013 bis 2019/2020 entstünden dort mehr als 3000 Arbeitsplätze, mit denen der Verlust von rund 2700 Jobs im Rahmen der Restrukturierung mehr als wettgemacht werde. Insgesamt beschäftigt Opel in Europa etwa 35.600 Mitarbeiter.

Dudenhöffer sieht Opel „sportlich unterwegs“ auf dem Weg in die Gewinnzone. 2015 hatten die Europäer allerdings noch einen Verlust von 813 Millionen Dollar (744 Mio Euro) in Detroit abgeliefert. Doch Opel/Vauxhall habe sich rechtzeitig aus Russland verabschiedet und leide 2016 auch nicht mehr unter den Kosten für die Werkschließung in Bochum. Ein Millionengewinn und damit mehr als die schwarze Null sollte in diesem Jahr drin sein, sagt der Experte. Das wäre wichtig: dieses Jahr laufen Kreditlinien aus Detroit aus. Erste Hinweise geben die für Donnerstag angekündigten Zahlen fürs erste Quartal.

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