Patente auf Pflanzen Wie ein bizarrer Streit um Braugerste die Branche lähmt

Seite 4/4

Grundsatzerklärung gegen Gentechnik in deutschem Bier

Wenn die Prüfer schließlich ihr Urteil verkünden, erkennt er mittlerweile am ersten Wort, ob er gleich mit guten Nachrichten zu Hause anrufen wird. Beginnt der Satz mit „dem“, wird am Abend auf dem Aspachhof gefeiert. „Dem Antrag wurde zugestimmt“ – so wie vor drei Jahren, als er die Braugerste Solist verteidigte: besondere Mälzeigenschaft, große Körner – das überzeugte die Prüfer. Seitdem darf Streng die Sorte vermarkten. Solist gehört damit zu der breiten Auswahl verschiedener Gersten, auf die Deutschlands Bierbrauer setzen. Und die sich deshalb gegen die Patente wehren.

Dabei ist es nicht das erste Mal, dass Franz Ehrnsperger für das deutsche Bier kämpft. Er leitet die Lammsbräu-Brauerei im oberpfälzischen Neumarkt – ein Mittelständler mit 120 Mitarbeitern, die jährlich über 86 000 Hektoliter Bier herstellen. Vor elf Jahren verfasste der Brauer ein Dokument, um etwas zu schützen, das in Deutschland so hochgehalten wird wie ein Grundgesetz. Über 420 Brauereien unterzeichneten sein „Manifest zur dauerhaften Sicherung des deutschen Reinheitsgebots“. Eine Grundsatzerklärung gegen Gentechnik im deutschen Bier. Ehrnsperger ist stolz darauf, dass der Brauerbund damals als einziger Lebensmittelverband protestierte, als Horst Seehofer die Gentechnikregeln aufweichen wollte.

„Patente auf Saatgut bedeuten letztlich auch ein Ende der Vielfalt deutscher Biere“, sagt er. Er selbst bezieht Gerste bei über 160 Landwirten in der Region. Mit ihnen hat er Anbauverträge ausgehandelt: Die Bauern sichern ihm den Anbau bestimmter Sorten zu, dafür garantiert er ihnen, diese abzukaufen.

Seit einigen Jahren testet Ehrnsperger gemeinsam mit den Landwirten einst vergessene Gerstenarten. Sie haben oftmals natürliche Grundresistenzen gegen Krankheiten, und Landwirte können dann auf Herbizide verzichten. „Wenn ich hier bei den alten Sorten eine Eigenschaft finde, die in die Nähe eines bereits angemeldeten Patents kommt, dürften wir diese im schlimmsten Fall nicht mehr anbauen oder weiterzüchten. Das müssen wir unbedingt verhindern“, sagt Ehrnsperger.

Deswegen kämpft der Brauereichef wieder gegen die Agrarkonzerne und für das deutsche Reinheitsgebot. In der vergangenen Woche brachte sein Sohn ein Holzfass nach München. Dort wurde es auf eine Kutsche geladen und sechs Pferde davorgespannt. Das auffällige Gespann fuhr quer durch die Stadt bis vor das Europäische Patentamt. Dort gab es Freibier für die Demonstranten, die die umstrittene Praxis des Europäischen Patentamts kippen wollen.

In Berlin hat man die geplante Bundestagsdebatte zu den Patenten zweimal abgesagt. Harald Ebner, Agrarexperte der Grünen im Bundestag, findet das skandalös: „Biopatente bedrohen unsere Ernährungsgrundlagen. Wenn Patente auf Braugerste und daraus hergestelltes Bier möglich sind, ist die Privatisierung von Weizen und Roggen nicht mehr weit“, so der Politiker.

Bei den Münchner Protesten war auch Brauer Härle dabei. Der erlangte vor einiger Zeit schon mal eine gewisse Bekanntheit über das Allgäu hinaus. Da wurde er vom Berliner Wettbewerbsverein verklagt, weil er sein Bier als bekömmlich beworben hatte. „Diese Klage beschäftigt unseren kleinen Laden hier noch bis heute“, sagt Härle. Deswegen will er in Sachen Saatgutpatente nun anders vorgehen. „Juristisch gewinnen wir nie gegen die Großkonzerne“, sagt Härle auch mit Blick auf sein anderes Verfahren. „Aber politisch können wir Druck erzeugen.“

Schließlich hätten sich sowohl Landes- wie Bundesregierung wie EU-Kommission eindeutig bekannt. „Politisch waren wir schon so weit, und jetzt haben wir wegen des Patentamts auf einmal Probleme auf der Umsetzungsebene“, wundert sich Härle. „Die haben alle versprochen, dass es kein Patent auf Leben gibt.“ Warum sie dann Hintertüren ermöglichen, versteht Härle nicht. Aber er wird auf Erklärung dringen. Garantiert.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%