PEMS-Boom dank Dieselgate VW-Skandal als Werbekampagne

Ein Allgäuer Maschinenbauer bekommt seit Volkswagens Dieselaffäre massenhaft Aufträge: Maha aus Haldenwang stellt mobile Abgasmesser her. Zu den Kunden zählt auch ein Prüfdienstleister des Kraftfahrt-Bundesamts.

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„Aktuell mehrere Monate Lieferzeit.“ Quelle: PR

Haldenwang im Oberallgäu ist ein idyllisches Örtchen. Bei guter Sicht hat man von der auf 752 Höhenmetern gelegenen Pfarrkirche einen malerischen Blick auf die Alpen. Besucher lieben die Landschaft und die Bergluft. Der größte Arbeitgeber im Dorf hat sich derweil auf eine ganz andere Art von Luft spezialisiert: Abgase. Der Maschinenbauer Maha stellt Abgasmesssysteme her und bezeichnet sich als Marktführer und einzigen deutschen Hersteller für mobile Geräte. Seit Wochen kann sich das Unternehmen vor neuen Aufträgen kaum retten. „Unsere Telefone stehen nicht mehr still“, sagt Christian Hartmann, Chef der Industriesparte von Maha.

Ein gelber Koffer voller Technik

Der Boom hat seinen Ursprung gut 600 Kilometer nördlich von Haldenwang: In Wolfsburg, dem Hauptsitz von Europas größtem Autobauer Volkswagen. Der musste im September zugeben, dass bei Millionen von Dieselfahrzeugen ein Computerprogramm dafür sorgt, dass die Autos bei der Abgasmessung auf dem Rollenprüfstand viel sauberer erscheinen als sie tatsächlich sind. Der VW-Skandal könnte den Autobauer Milliarden kosten. Im Oberallgäu sorgt er für volle Auftragsbücher.

Dort hat Maha erst vor kurzem ein neues Gerät entwickelt. Es ist gelb, sieht aus wie ein Reisekoffer und ist voll mit Technik. Das so genannte Portable Emissionsmesssystem (PEMS) untersucht den Schadstoffausstoß von Autos auf der Straße. Über eine Sonde gelangen Abgase während der Fahrt in den Messkoffer. Die Geräte im inneren analysieren unter anderem den Gehalt an CO2, Kohlenmonoxid, Stickoxiden (NOx) und zeichnen die Daten zusammen mit anderen Parametern wie Wetter- und GPS-Daten auf.

Bisher waren nur die Abgase relevant, die Autos unter Laborbedingungen auf dem Prüfstand abgaben. Was auf der Straße aus dem Auspuff kam, spielte keine große Rolle. Doch seit der Wolfsburger Dieselaffäre interessieren sich nicht nur Umwelt- und Verbraucherschützer, sondern auch immer mehr Politiker und Regierungen für die Abgaswerte im normalen Fahrbetrieb.

Das Kraftfahrt-Bundesamt ließ bei Nachprüfungen von mehr als 50 Fahrzeugen den Schadstoffausstoß auf der Straße messen. Einer der beteiligten Prüfdienstleister, Dekra, setzte dazu den Koffer von Maha ein. Ein anderer, GTÜ aus Stuttgart, bekam rechtzeitig kein Gerät mehr und musste die Anfrage der Flensburger Behörde ablehnen.


Stückpreis zwischen 70.000 und 130.000 Euro

„Aktuell haben wir für die Koffer mehrere Monate Lieferzeit“, bestätigt Maha-Mann Hartmann. Dabei sei seine Sparte gerade erst in ein neues, größeres Gebäude gezogen und die Produktion laufe sogar am Wochenende. „Wir kommen mit der Produktion einfach nicht mehr hinterher.“ Bisher haben die Allgäuer knapp 100 Geräte verkauft. Stückpreis: zwischen 70.000 und 130.000 Euro. Die meisten Aufträge kommen von den Autoherstellern, die etwa 80 Prozent des Geschäfts ausmachen.

Eine perfekte Marketingkampagne

Die Autobauer wollen selbst testen, was ihre Fahrzeuge im Straßenbetrieb an Schadstoffen ausstoßen. Sie bereiten sich auch auf die Neufassung der Abgasnorm Euro 6 vor, die bei der Zulassung neuer Autos auch Straßentests erfordern soll. „Die Richtlinie wird wohl erst im Herbst 2017 in Kraft treten“, sagt Hartmann. Seine Firma hatte deshalb eigentlich erwartet, dass die Nachfrage nach Prüfkoffern erst allmählich in Gang kommt.

Doch jetzt wirkt die VW-Dieselaffäre wie eine perfekte Marketingkampagne. „Unsere Geräte waren gerade rechtzeitig serienreif“ sagt Hartmann.

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