Per mit einem E, Utnegaard mit zwei A. Bei Bilfinger in Mannheim wurde in den vergangenen Tagen wohl nichts häufiger gegoogelt als der Name des angeblichen künftigen Vorstandsvorsitzenden. Mit Utnegaard, dem heutigen Chef des Schweizer Flughafen-Dienstleisters Swissport, hatte keiner gerechnet.
Der Bilfinger-Aufsichtsrat um den neuen Vorsitzenden Eckhard Cordes bestätigte am vergangenen Dienstag ohne Nennung des Namens, er habe „eine klare Präferenz für einen Kandidaten als neuen Vorstandsvorsitzenden. Die Bestellung soll erfolgen, sobald der Kandidat mit seinem gegenwärtigen Arbeitgeber Einvernehmen über den Zeitpunkt seines Ausscheidens erzielt hat.“
Bilfinger braucht eine völlig neue Strategie
Eine neue Hängepartie kann der schlingernde Konzern eigentlich nicht brauchen. Nach vier Gewinnwarnungen 2014 und angesichts großer Probleme in den Sparten Energie- und Industriedienstleistungen muss Bilfinger eine völlig neue Strategie finden und sich neu definieren. Die Frage ist, ob große Teile des Konzerns verkauft oder langfristig saniert und weiter betrieben werden.
Der frühere Daimler-Manager und Metro-Chef Cordes will dafür Utnegaard, den Anti-Koch. Das Experiment mit dem Polit-Promi Roland Koch als Bilfinger-Konzernchef war krachend gescheitert. Zu spät wurde im vergangenen Jahr klar, dass die angeblich „ambitionierten Ziele“ des Management-Novizen mit der Realität des Unternehmens wenig zu tun hatten.
Utnegaard erfüllt nun die Wünsche des Bilfinger-Hauptaktionärs, des Finanzinvestors Cevian, der die alte Bilfinger-Garde radikal vor die Tür setzt. Der 55-jährige Norweger kann Private Equity, wie der Einstieg privater Investoren in Unternehmen heißt. Er kennt das Dienstleistungsgeschäft und beherrscht Internationalisierung.
An diesen Unternehmen ist Cevian beteiligt
An der britischen Spezialchemie-Firma Alent hält Cevian 21,5 Prozent. Alent ist noch ein junges Unternehmen, es entstand 2012 aus der Auflösung des britischen Mischkonzerns Cookson Group.
Bilfinger ist nach Alent die zweitgrößte Beteiligung des schwedischen Investors. An dem deutsche Bau- und Dienstleistungskonzern hält Cevian 21,2 Prozent.
Vesuvius ist wie Alent aus der 2012 aufgelösten Cookson Group hervorgegangen. Von dem britischen Stahlunternehmen Vesuvius gehört Cevian exakt ein Fünftel der Anteile.
Cevian hält 15,1 Prozent der ThyssenKrupp-Papiere. Noch haben die Schweden keinen Sitz im Aufsichtsrat des deutschen Stahl- und Technologiekonzerns, das könnte sich bei der nächsten Hauptversammlung allerdings ändern.
15,0 Prozent der Anteile am finnischen IT-Dienstleister Tieto Oyi sind im Besitz des schwedischen Investors. Mit fast 18.000 Mitarbeitern in nahezu 30 Ländern ist Tieto einer der größten IT-Service-Provider in Europa.
Cevian gehören 13 Prozent des finnischen Technologie-Konzerns Metso.
Die Volvo Group hat bis auf den gemeinsam genutzten Markennamen seit 1999 nichts mehr mit dem Autobauer zu tun. Der Konzern verkauft Omnibusse, Vans und Lkws. Cevian gehören zehn Prozent der Volvo-Aktien.
Am Baseler Transport- und Logistikdienstleister Panalpina hält der schwedische Investor 10,0 Prozent.
Mit einer Bilanzsumme von über drei Billionen dänischen Kronen ist die Danske Bank das größte Geldhaus Dänemarks. Cevian gehören 9,3 Prozent der Anteile.
Swissport, das Utnegaard seit 2007 führt, gehört seit vier Jahren der größten französischen Investorengesellschaft PAI Partners, zu deren 54 Beteiligungen der Kaffeeautomatenhersteller Saeco und die Dessouskette Hunkemöller zählen.
„Utnegaards Agenda als Manager ist, die Vorgaben des Eigners zu erfüllen“, sagt René Zurin von der schweizerischen Dienstleistungsgewerkschaft VPOD, die mit Swissport immer wieder im Clinch liegt. Konkret heiße das, vor allem den Gewinn vor Abzug der Zinsbelastung, kurz: das Ebit, zu steigern. „Kosten runter, Ebit verbessern, damit der Investor nach ein paar Jahren mit Gewinn weiterverkaufen kann.“
Utnegaard gilt als zielstrebiger Sparstratege
Utnegaard zieht Sparstrategien emotionslos durch. Wird der Ärger zu groß, wie Anfang Februar beim Streik von 400 Swissport-Mitarbeitern am Flughafen Genf, denen Utnegaard die Löhne kürzen wollte, lenkt er auch ein.
Die Kürzungen in Genf bleiben zwar aus. Das Signal, dass Swissport nichts zu verteilen hat, ist jedoch angekommen bei den weltweit 55 000 Mitarbeitern, die an 265 Flughäfen in 45 Ländern Gepäck verladen oder Linien- und Privatjets rundum versorgen, von der Abwasserbeseitigung bis zur Wetterinformation.
„Bilfinger und Swissport haben von ihren Herausforderungen her mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint“, erklärt ein Beobachter, der Utnegaards Weg seit Jahren verfolgt. Beide Unternehmen stünden mit ihren Angeboten nur selten allein. Ersetzen können sie diese Schwäche nur durch Spezialisierung und hohe Zuverlässigkeit. „Wir haben die Werkzeuge, uns ständig zu verbessern und Kunden maßgeschneiderte Angebote zu machen“, wirbt Utnegaard für Swissport.
Denselben Satz soll er bald über Bilfinger sagen können. „Wer im Servicegeschäft erfolgreich sein will, muss den Kunden neben den bereits vereinbarten Leistungen auch erfolgreich die anderen Teile seines Portfolios anbieten“, sagt ein Branchenkenner. Daran hapert es seit Langem im Bilfinger-Reich mit seinen rund 500 zugekauften und wenig vernetzten Unternehmen.
Kaum jemand in Deutschland kennt Utnegaard, denn der gebürtige Osloer mit Studienabschluss in den USA agiert meist unterhalb der Wahrnehmungsschwelle.
„Per ist wie alle Skandinavier freundlich, zugänglich und hat ein großes Gespür für andere Kulturen“, erzählt der Wegbegleiter. Doch dahinter stehe „ein extrem zielstrebiger und entschlossener Macher, der seine Ziele nie aus den Augen verliert“. Sein Auftrag sei, „Bilfinger auf Gewinn zu drehen, ohne allzu viel Lärm in der Öffentlichkeit zu machen und ohne sich selbst als Supermann ins Rampenlicht zu rücken“.