Pharma-Konzern Merck-Medikament floppt erneut

Es ist der zweite Fehlschlag innerhalb weniger Monate: Ein von Merck entwickelter Wirkstoff fällt bei einer Lungenkrebs-Studie durch. Dabei knüpfen die Darmstädter große Hoffnungen daran.

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Der Darmstädter Pharma-Konzern muss bei einem Krebsmittel erneut einen Rückschlag verkraften. Quelle: dpa

Frankfurt Bei seinen Ambitionen, im Onkologiegeschäft stärker Fuß zu fassen, müssen der Darmstädter Pharma- und Spezialchemiekonzern Merck und sein US-Partner Pfizer einen weiteren Rückschlag hinnehmen. In einer Studie brachte der von Merck entwickelte Krebsimmun-Wirkstoff Bavencio für Lungenkrebs-Patienten keine Überlebensvorteile gegenüber der Vergleichstherapie. Sie hat damit ihr Ziel verfehlt.

Für den Darmstädter Konzern ist es der zweite Fehlschlag mit dem Wirkstoff innerhalb weniger Monate. Bereits im November floppte der Wirkstoff in einer Studie gegen Magenkrebs. Damit dürfte es Merck und Pfizer schwer fallen, im Bereich der Krebsimmuntherapie gegenüber den führenden Konkurrenten aufzuholen.

Dabei ist Bavencio eines der Schlüsselprodukte für Merck und ein wichtiger Hoffnungsträger, der das längerfristige Wachstum der Merck-Pharmasparte sichern soll.

Das Mittel wurde im vergangenen Jahr bereits zur Behandlung von bestimmten Formen von Haut- und Blasenkrebs zugelassen. Schon diese beiden Zulassungen gelten  als großer Erfolg für Merck, nachdem der Konzern zuvor über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg keine Neuentwicklung aus eigener Forschung auf den Markt gebracht hatte.

Der US-Konzern Pfizer hatte sich vor drei Jahren für einen Betrag von bis zu 2,8 Milliarden Dollar in das Projekt eingekauft und treibt seither die klinische Forschung an dem Mittel gemeinsam mit Merck voran. Allerdings ist bisher schwer einzuschätzen, was Bavencio kommerziell wirklich für die beiden Pharmahersteller bringen kann. Klar ist nur, dass sie über Haut- und Blasenkrebs hinaus weitere Zulassungen brauchen, um ein größeres Umsatzpotenzial für das Mittel zu erschließen.

Merck und Pfizer testen Bavencio daher insgesamt in rund 30 klinischen Studien mit mehr als 7000 Patienten, darunter sieben weitere, so genannte Phase-III-Studien, in denen zulassungsrelevante Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit des Medikaments erhoben werden. Geprüft wird Bavencio dabei unter anderem zur Behandlung von Eierstock-, Brust und Nierenkrebs. Zudem läuft auch noch eine weitere Testreihe im Bereich Lungenkrebs. Die Ergebnisse dieser Studie werden im April 2019 erwartet.

Bavencio gehört zu den so genannten „Checkpoint-Inhibitoren“, einer Klasse von Krebsimmunmedikamenten, die in den letzten Jahren für Furore sorgten. Sie zielen darauf, Abwehrmechanismen von Krebszellen gegenüber der Immunabwehr zu neutralisieren. Tumorzellen werden dadurch wieder angreifbar für das Immunsystem. Vor allem bei Hautkrebs zeigte das Therapiekonzept Erfolge. Pharmakonzerne arbeiten seither intensiv daran, die Wirkstoffe auch in vielen anderen Krebsarten zu testen.

Mit Abstand führend sind dabei bisher Bristol-Myers Squibb (BMS) sowie der ebenfalls in den USA beheimatete Pharmariese Merck & Co, der zwar den gleichen Namen trägt wie Merck in Darmstadt, ansonsten aber mit der deutschen Firma Merck keine Verbindungen mehr hat. Die beiden US-Konzerne erzielten mit ihren Krebsimmuntherapien Opdivo, Yervoy und Keytruda  im vergangenen Jahr bereits einen Umsatz von rund zehn Milliarden Dollar und testen diese Wirkstoffe in Hunderten von weiteren Studien, vielfach dabei in Kombination mit anderen Krebsmitteln. Ebenfalls stark engagiert auf dem Gebiet sind der Schweizer Roche-Konzern und die britische Astra Zeneca.

Merck bewegt sich daher mit seinem Krebsmittel Bavencio in einem extrem starken Konkurrenzumfeld. Und schon jetzt ist klar, dass die neuen Immuntherapien bei den meisten Krebsarten nur in Kombination mit weiteren Medikamenten wirksam sind. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hat sich Marktführer BMS am Mittwoch in einer 3,6 Milliarden Dollar schweren Allianz mit dem Biotechunternehmen Nektar Therapeutics verbündet, das einen Wirkstoff entwickelt, der das Einwandern von Immunzellen in das Tumorgewebe stimuliert.

Auch Merck und Pfizer setzen bereits auf ähnliche Strategien. Im Bereich Nierenkrebs etwa testen sie Bavencio in Kombination mit dem Krebsmittel Inlyta, das ebenfalls von Pfizer vertrieben wird. Diese Kombination wurde von der amerikanischen  Arzneimittelbehörde FDA im Dezember als potenzieller Therapiedurchbruch in der Nierenkrebsbehandlung eingestuft. Allerdings müssen die beiden Pharmakonzerne auch dort erst noch in klinischen Studien zeigen, dass das Konzept funktioniert.

Den jüngsten Fehlschlag bei Lungenkrebs erklären sie auch damit, dass die die Kontrollgruppe von Patienten, die nur mit dem etablierten Chemotherapeutikum Docetaxel behandelt wurden, unerwartet gute Überlebensdaten zeigte. Dazu habe möglicherweise beigetragen, dass Patienten aus der Kontrollgruppe außerhalb der Studie auf andere Checkpoint-Inhibitoren (wie Keytruda oder Opdivo) wechselten. Merck-Forschungs-Chef Luciano Rossetti, will daher die Studie nicht als völligen Fehlschlag verstanden wissen. Die beobachtete klinische Aktivität stütze vielmehr das Profil des Medikaments. Die detaillierten Resultate der Studie wollen Merck und Pfizer in den nächsten Monaten auf einer Fachkonferenz präsentieren.

Merck  gehört im Pharmageschäft mit etwa sieben Milliarden Euro Umsatz zum Mittelfeld der Branche. Darin enthalten sind etwa 900 Millionen Euro Umsatz im Geschäft mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten (Consumer Health), das Merck verkaufen will.

Wichtigste Umsatzträger im Bereich rezeptpflichtige Medikamente sind bisher  das Multiple-Sklerose-Mittel Rebif und das Krebsmittel Erbitux mit Erlösen von zusammen etwa 2,6 Milliarden Euro. Diese beiden Bestseller geraten indes zunehmend unter Preis- und Konkurrenzdruck. Um das Geschäft längerfristig zu halten, benötigt der Darmstädter Konzern über kurz oder lang, einige erfolgreiche Neuentwicklungen.

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