Pharmaindustrie China-Übernahme wird für Biotest zum Problem

Dem Arzneimittelhersteller Biotest stehen schwere Zeiten ins Haus. Ein Produktrückruf belastet das Geschäft und die Übernahme durch Chinesen könnte ausgebremst werden. Die Märkte sind skeptisch.

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Abfüllstraße der Produktion von Biotest in Dreieich: Die Übernahme des hessischen Arzneimittelherstellers durch die Creat-Gruppe steht auf der Kippe. Quelle: dpa

Frankfurt Produktrückruf, Gewinneinbruch und eine fast sicher geglaubte Übernahme, die nun an den Bedenken des Ausschusses für Auslandsinvestitionen in den USA scheitern könnte – die Zeiten für die hessische Arzneimittelfirma Biotest sind zurzeit nicht einfach. Das zeigten auch die Zahlen für die ersten neun Monate dieses Jahres, die das Unternehmen am Dienstagmorgen in Frankfurt vorlegte.

Biotest bietet biologische Arzneimittel an, die unter anderem aus menschlichem Blutplasma gewonnen werden. Wegen des Rückrufs verschiedener Chargen des Proteins Humanalbumin im Frühjahr sank der Umsatz in den ersten neun Monaten um fast neun Prozent auf 378 Millionen Euro. Aus dem Gewinn von 47,5 Millionen Euro vor Zinsen und Steuern (Ebit) im Vorjahreszeitraum wurde ein Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 15,7 Millionen Euro in den Monaten Januar bis September 2017. Finanzchef Michael Ramroth setzt darauf, dass das Unternehmen mit einen starken vierten Quartal die zuletzt reduzierten Jahresziele noch erreichen kann. Im Gesamtjahr erwartet Biotest weiter einen Gewinn zwischen 16 und 23 Millionen Euro - vorausgesetzt, die Versicherungen kommen für einen Teil der durch die Produktionspanne und den Produktrückruf entstandenen Schäden auf.

Für die Investoren zählt bei Biotest derzeit vor allem aber die Frage, ob die im Frühjahr angekündigte Übernahme durch die chinesische Investorengruppe Creat nun scheitert oder doch noch zustande kommen könnte. Grund sind Sicherheitsbedenken des US-Ausschusses für Auslandsinvestitionen (CFIUS), die vor wenigen Tagen bekannt wurden. Der Ausschuss hatte bereits im vergangenen Jahr die geplante Übernahme des deutschen Chipanlagenbauers Aixtron durch die chinesische Fujian Grand Chip Investment verhindert, weil das Fachwissen von Aixtron auch für die Militärtechnik verwendet werden könne, so die damalige Begründung.

Bei Biotest geht es unter anderem um die Frage der Sicherheit der persönlichen Daten von Plasma-Spendern und Patienten. Eine Praxis, die bei allen Unternehmen, die in den USA Blutplasma sammeln, allerdings vergleichbar sei und engen Vorschriften unterliege, erläuterte Biotest Finanzchef Michael Ramroth gegenüber den Investoren. Darüber hinaus scheint es weitere entscheidende Bedenken zu geben, zu denen es bislang aber keine offiziellen Informationen gibt. Marktspekulationen, dass es in Washington Vorbehalte gegen die chinesischen Akteure, wollte Biotest nicht kommentieren.

Zurzeit ist Biotest-CEO Bernhard Ehmer im Washington, um in Gesprächen mit dem Ausschuss die Sicherheitsbedenken auszuräumen. Eine Garantie, dass die Übernahme noch gelänge, gebe es aber nicht, so Finanzchef Ramroth.

Kann die Übernahme bis zur offiziellen Deadline Ende Januar 2018 nicht unter Dach und Fach gebracht werden, müsste ein komplett neuer Anlauf genommen werden – sollte Creat dann weiterhin an Biotest interessiert sein. Weil das laufende Verfahren durch CFIUS aber länger als bis Ende Januar dauern könnte, haben Biotest und Creat vergangene Woche ihre Anmeldung der Übernahme zurückgezogen und einen neuen Antrag auf eine beschleunigte Prüfung gestellt. Die ermöglicht nun eine Entscheidung der CFIUS innerhalb der Zeitspanne bis Ende Januar. Spricht sich der Ausschuss wegen Sicherheitsbedenken gegen die Transaktion aus, muss US-Präsident Donald Trump binnen 14 Tagen eine Entscheidung treffen. Barack Obama hatte sich im Fall Aixtron gegen die Übernahme ausgesprochen.


Scheitert die Übernahme, wachsen die Probleme

Formal läuft der knapp eine Milliarde Euro schwere Deal mit Biotest durch Tiacheng Pharmaceuticals, die indirekt von der Creat-Gruppe kontrolliert wird. Creat will mit Biotest einen führenden Anbieter für Medikamente auf der Basis von Blutplasma formen. Im vergangenen Jahr erwarb die Gruppe, die maßgeblich am größten chinesischen Blutplasmaprodukte-Hersteller Shanghai Raas beteiligt ist, den britischen Plasmaproduktehersteller Bio Products Laboratory für umgerechnet etwa eine Milliarde Euro.
Das Biotest-Management spricht sich weiterhin für eine Übernahme durch die Chinesen aus, weil sie dem Unternehmen neue Expansionschancen ermöglicht. Auch die Mehrheit der Aktionäre ist dafür: In Juni waren Tiacheng 77 Prozent der Aktien, darunter auch die der Gründerfamilie Schleussner angedient worden.
Scheitert die Übernahme, könnte Biotest zwar weiter existieren und seine Geschäft betreiben, müsste aber deutlich kleiner denken. Die Entwicklung neuer Produkte beispielsweise könnte nicht so ausgeweitet werden wie mit einem potenten Investor im Hintergrund.

Auch ein Verkauf der 22 US-Plasma-Sammelstellen wäre grundsätzlich eine Option für Biotest, um die Übernahme doch noch zu ermöglichen. Allerdings wären in diesem Fall die Wachstumspläne des Unternehmens stark betroffen. Denn die neue Produktionsanlage, die Biotest in Dreieich gerade baut, soll mit der entsprechenden US-Zulassung künftig vor allem Blutplasma aus den USA verarbeiten. Der Aktienkurs von Biotest, der mit Bekanntwerden der Sicherheitsbedenken von CFIUS Anfang des Monats bereits zweistellig eingebrochen war, verlor am Dienstag bis zum Nachmittag noch einmal mehr als ein Prozent auf rund 19,4 Euro.

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