Pharmakonzern Roche „Wir brauchen neue Preismodelle“

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"Gilead ist völlig zu Unrecht in die Kritik geraten"

Warum nicht auch in Deutschland?
Wir sind da im Gespräch, und eine leistungsabhängige Vergütung ist vom Gesetzgeber her möglich. Aber solche Modelle stoßen nicht überall auf Begeisterung. Schließlich brauchen Sie dafür entsprechende Daten und Statistiken. Viele Entscheider im Gesundheitssystem sind da eher konservativ.

Scheitern Ihre schönen Pläne an der hohen Datensensibilität der Deutschen?
Ach was. Ich war ja auch mal Vorstandschef der Lufthansa. Da habe ich erlebt, wie viele Daten die Passagiere freiwillig zur Verfügung stellen, um an zusätzliche Meilen zu kommen. Und im Gesundheitsbereich ist der Nutzen ungleich größer. Zudem: Bei unseren Anwendungen der Daten geht es ja stets um zusammengefasste, anonymisierte Daten, nicht um Daten von Einzelpersonen.

Und wer sich weigert, erhält dann einen schlechteren Tarif bei der Versicherung?
Das ist eine schwierige Diskussion, da habe ich auch noch keine abschließende Antwort. Natürlich haben die Versicherer ein Interesse, nur die guten Risiken zu versichern. Damit genau das nicht passiert, gibt es im Gesundheitswesen Versicherungen nach dem Solidarprinzip.

Ihre Branche steht seit Jahren in der Kritik, zu hohe Medikamentenpreise zu verlangen. Ihr Konkurrent Gilead etwa hat 1000 Dollar für eine Pille gegen Hepatitis C verlangt.
Gilead ist völlig zu Unrecht in die Kritik geraten. Die haben es geschafft, eine bestimmte Krankheit vollständig zu beseitigen. Wenn Sie diese Pillen einige Wochen lang einnehmen, sind Sie von Hepatitis C geheilt. Die Kosten für Lebertransplantationen oder für Krankenhausaufenthalte fallen damit weg. Das Volumen an Patientinnen und Patienten schrumpft, also müssen sie die Gewinne gleich am Anfang machen. Es geht auch darum, Innovationen zu belohnen.

Medikamente sind auch deswegen oft so teuer, weil Kosten für gescheiterte Medikamente mit eingerechnet werden.
Das ist eine Sitte in unserer Branche, die zu Recht hinterfragt wird. Die ineffizientesten Unternehmen könnten so ja schlimmstenfalls die höchsten Preise verlangen. Ich bleibe dabei: Die Preise müssen sich am Nutzen für die Patienten orientieren.

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Donald-Trump Quelle: AP
EpiPen Quelle: AP
Gilead Quelle: AP
Nexavar-von-Bayer Quelle: dpa
Martin-Shkreli Quelle: AP

US-Präsident Donald Trump wirft Ihnen und ihren Kollegen Wucherpreise vor. Wie gefährlich ist er für das Roche-Geschäft auf dem größten Markt der Welt?
Es gab in den USA viele schlechte Beispiele. Denken Sie an den Fall Martin Shkreli, der sich das Monopol an einem Notfallmedikament erkauft hat, um den Preis um mehr als das 50-Fache hochzusetzen. Das wäre bei Roche undenkbar. Wir bieten in den USA etwa unser neues Mittel gegen multiple Sklerose zu einem Preis an, der 25 Prozent unter dem des aktuellen Wettbewerbers liegt.

Trump verlangt auch, dass die Konzerne verstärkt in den USA produzieren.
Wir sind da gut aufgestellt und haben keine weiter gehenden Pläne. Tatsächlich ist Roche einer der größten Exporteure aus den USA.

Eine weitere Bedrohung ist das Ende von Obamacare, der staatlichen Zwangsversicherung. Zehntausende Patienten fallen künftig als Kunden für Sie in den USA aus.
Für ein Pharmaunternehmen ist so eine Entwicklung grundsätzlich schlecht, ebenso aus volkswirtschaftlicher Perspektive für eine Gesellschaft. Der Zugang zu Medikamenten und eine umfassende medizinische Versorgung ist eine wichtige Errungenschaft.

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Die Umsätze fehlen jetzt. Zudem laufen bei Roche die Patente wichtiger Krebsmedikamente aus. Wie verkraften Sie den Ausfall?
Sehr gut. Wir bringen innerhalb von anderthalb Jahren fünf neue Medikamente auf den Markt, das liegt klar über dem Schnitt, etwa Präparate gegen multiple Sklerose oder gegen die Bluterkrankheit. Einen solchen Schub hat es bei Roche noch nie gegeben.

In der Krebsimmuntherapie, wo der Krebs durch das Immunsystem bekämpft wird, liegt Roche hinter den US-Konzernen Bristol Myers Squibb und Merck und Co. zurück. Wie war das mit den Innovationen noch mal?
Wir haben zunächst nicht geglaubt, dass der Ansatz funktioniert. Dann haben wir unsere Studiendaten gesehen, und da war klar, dass wir vor einem Durchbruch stehen. Nun sind wir schon die Nummer drei. Ich bin begeistert davon, was wir in dem Gebiet noch zeigen werden. Meine Hoffnung ist, dass Krebs immer mehr von einer tödlichen zu einer chronischen Krankheit wird.

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