Piloten pokern mit Krankmeldungen "Heute ist ein Tag, der die Existenz von Air Berlin bedroht"

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Krankfeiern statt wildem Streik

Das halten Management und Insolvenzverwalter bei Air Berlin jedoch für vorgeschoben, weil die Zahl der Ausständischen zu groß und zudem so über ganz Deutschland verteilt ist, dass Absprachen schwer sind. Zudem gelte: „Würde die VC zu einem wilden Streik aufrufen, wären sie unter Umständen für die finanziellen Folgen von bis zu mehreren Millionen Euro haftbar“, heißt es in Unternehmenskreisen.

Dem tatsächlichen Denken kommen Äußerungen von VC-Chef Ilja Schulz nahe. Der erklärte heute gegenüber der "Rheinischen Post" mehr oder weniger offen, dass die Piloten einen Wechsel ihrer Kollegen von Air Berlin zu Eurowings mit den von LH-Chef Spohr geforderten Abstrichen nicht mitmachen. Stattdessen fordert er einen „geregelten Übergang“, was Lufthanseaten mit „Verhandlungen über höhere Gehälter“ übersetzen.

„Sollten sich die übernehmenden Unternehmen dauerhaft weigern, einen geregelten Übergang mitzutragen, dann müssen sie damit rechnen, dass der Konflikt in ihrem Unternehmen auch sichtbar wird“, erklärte Schulz gegenüber der Zeitung. „Der Organisationsgrad der Piloten bei Air Berlin ist extrem hoch. Das sollten die Airlines nicht unterschätzen.“

Die spektakulärsten Airline-Pleiten
Mit Air Berlin hat die zweitgrößte Airline Deutschlands Insolvenz angemeldet. Die Pleite bahnte sich seit längerem an: Das Unternehmen mit rund 8.600 Beschäftigten schrieb seit Jahren Verluste und hielt sich hauptsächlich durch Finanzspritzen ihres Großaktionärs Etihad noch in der Luft. Am Freitag drehte die nationale Airline der Vereinigten Arabischen Emirate den Berlinern aber den Geldhahn zu. Mit dem Kredit von 150 Millionen Euro stellt nun der Bund den Flugbetrieb vorerst sicher. Quelle: dpa
Air Berlin ist kein Einzelfall. Die goldenen Zeiten der Luftfahrt sind seit der Liberalisierung des Marktes, die in den 1980er-Jahren einsetzte, vorbei. Seitdem regiert ein knallharter Wettbewerb die Lüfte. Auch die Branchenkrise nach den Anschlägen des 11. September 2001 und das Aufkommen der Billigflieger sorgen dafür, dass viele bekannte Airlines in die Pleite gerutscht sind. Quelle: dpa
Wie kein zweites Unternehmen stand „Pan Am“ für das glamouröse Jet-Zeitalter. 1927 flogen die ersten Postflugzeuge unter dem Namen zwischen Florida und Havanna. Schnell wurde das Unternehmen zu einer der größten US-Fluggesellschaften. Die Airline war eine der ersten, die Interkontinentalflüge anbot, und setzte zahlreiche Standards in der zivilen Luftfahrt. Das blau-weiße „meatball“-Logo von Pan American genießt bis heute Kultstatus. Quelle: imago images
In den 1980er-Jahren begann der Stern von Pan Am zu sinken. Durch die Deregulierung des US-Marktes kamen zahlreiche Konkurrenten auf. 1988 wurde über dem schottischen Lockerbie eine Maschine durch einen Terroranschlag zum Absturz gebracht, was das Vertrauen der Öffentlichkeit erschütterte. 1991 folgte die Übernahme durch Delta Air Lines. Quelle: imago images
Auch TWA gehörte zu den Pionieren der Luftfahrt. Gegründet 1930 als „Transcontinental and Western Air“, machte der exzentrische Milliardär Howard Hughes („The Aviator“) das Unternehmen zur zeitweise größten Airline der Welt. Hinter Pan Am war TWA die inoffiziell zweite Flaggschiff-Gesellschaft der USA. 1985 kaufte der Investor Carl Icahn TWA. Quelle: imago images
In den 1990er-Jahren musste TWA zwei Mal in kurzer Folge Gläubigerschutz beantragen. 1996 starben beim Absturz einer Boeing 747 über dem Atlantik 230 Menschen. Die stark geschrumpfte Airline kam 2001 wieder in finanzielle Schwierigkeiten und wurde von Konkurrent American Airlines übernommen. Quelle: picture alliance
1931 gegründet galt die Airline wegen ihrer finanziellen Stabilität lange als „fliegende Bank“. Aufgrund der politischen Neutralität der Schweiz konnte SwissAir zahlreiche lukrative Ziele in Afrika und im Nahen Osten anfliegen. Quelle: picture alliance

Eine rasche Einigung ist erstmal nicht in Sicht. Denn längst sehen sich die Piloten mit dem Rücken an der Wand. Sie befürchten, Air Berlin werde bereits jetzt so geschrumpft, dass nicht für alle Flugzeugführer Jobs bleiben. Dann könnten vor allem jüngere Kollegen einknicken, um nicht arbeitslos zu werden. Als Beleg sieht Schulz den Umbau der Langstrecke, wo die Gehälter traditionell überdurchschnittlich hoch sind.

Hier hat Air Berlin die Preise zuletzt deutlich hochgesetzt und verlangt für Flüge im Oktober bis zum Dreifachen der aktuellen Tarife. Aus Sicht der Linie passierte das, weil sie nach einer Insolvenz die Routen eventuell einstellen und Passagiere auf anderen Linien umbuchen müsse. „Das geht jedoch nur mit einem teuren Tarif“, so ein Air-Berlin-Insider. Schulz hingegen vermutet einen finsteren Plan. "Wir haben die Sorge, dass mit dieser enormen Preiserhöhung die Langstrecke so unattraktiv gemacht werden soll, dass sie noch vor der Übernahme eingestampft werden kann“, sagte er der "Rheinischen Post".

Lösen kann den Konflikt am Ende weder Iffert noch sonst einer bei Air Berlin. Stattdessen kommt es wohl vor allem auf einen an: Lufthansa-Chef Spohr, glaubt ein Branchenkenner. „Entweder Spohr zahlt auch den Piloten wie zuvor der Kabine höhere Löhne und bekommt am Ende wie geplant weite Teile von Air Berlin“, so der Insider „oder er tut es nicht, die Piloten streiken den Laden vorzeitig kaputt - und dann kommen Billigflieger wie Ryanair schneller und stärker als geplant nach Deutschland.“

Mit anderen Worten: Spohr hat die Wahl, entweder mit höheren Kosten künftig weniger konkurrenzfähig zu werden und Ryanair & Co hinterherzufliegen. Oder nach einem plötzlichen Aus von Air Berlin besetzen die effizienteren Billigwettbewerber schneller als er die besten Flugzeiten an den wichtigen Flughäfen wie Düsseldorf oder Berlin.

Keine leichte Entscheidung.

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