Plastikteilehersteller Tag der Entscheidung bei Balda

Bei dem Plastikteilehersteller Balda erreicht der Machtkampf zwischen Aufsichtsrat, Vorstand und Großaktionär seinen vorläufigen Höhepunkt. Das Unternehmen wird der Verlierer sein.

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Balda AG Quelle: dpa

Es waren folgenschwere Gespräche, die am 3. Dezember vergangenen Jahres in der Berliner Kanzlei des Anwalts Thomas van Aubel ihren Anfang nahmen. Zusammengekommen waren neben van Aubel sein Bruder Peter, Thomas Krupke, Ex-Chef des insolventen Solarmodulherstellers Solon, und Dominik Müser, Chef des Plastikteileproduzenten Balda. Angeleiert hatte das Treffen Martin Bailey, Geschäftsführer des Aktienanalyseanbieters First Berlin. Man trinkt Tee. Man spricht über Balda. Der Rest ist geheim. Fest steht nur: Anschließend beginnt ein Kampf – um Macht, um Posten und um Geld, der auf der Hauptversammlung diese Woche seinen Höhepunkt erreicht.

Wer gewinnt, entscheiden die Aktionäre

Auf der einen Seite steht Thomas van Aubel, der einen Monat nach dem Treffen in Berlin knapp 30 Prozent der Balda-Aktien kauft. Er will dem Unternehmen aus Bad Oeynhausen eine neue Strategie verpassen, hält aber geheim, wohin die Reise gehen soll. Zuvor will er den dreiköpfigen Aufsichtsrat mit sich selbst und zwei weiteren Kandidaten neu besetzen.

Auf der anderen Seite: Balda-Aufsichtsratschef Michael Naschke, der früher Partner in van Aubels Kanzlei war und seinen Posten nicht räumen will.

In der Mitte: Balda-Chef Müser, der eine fragwürdige Rolle einnimmt. Unterlagen, die der WirtschaftsWoche vorliegen, legen nahe, dass der 46-Jährige die Gemengelage nutzen wollte, um für sich einen lukrativen Vorstandsvertrag auszuhandeln.

Van Aubel

Wer den Kampf gewinnt, entscheiden am Donnerstag die Aktionäre, wenn sie bei der Hauptversammlung den Aufsichtsrat wählen. Unabhängig davon, für welche Partei sie votieren, steht schon jetzt fest, dass das Unternehmen nur verlieren kann.

Bis 2011 produzierte Balda Handyschalen – erst erfolgreich, zuletzt mit Verlust. Doch die Ostwestfalen hatten noch einen Schatz: Aktien des taiwanischen Touchscreen-Herstellers TPK. Der Verkauf spülte bis heute rund 490 Millionen Euro in die Kasse. Nach Ausschüttungen an die Aktionäre sind noch 270 Millionen Euro da. Den Großteil des Umsatzes von 35,6 Millionen Euro in den vergangenen drei Quartalen bis Ende März macht Balda nun mit Kunststoffprodukten für die Gesundheitsbranche. Müser möchte diesen Bereich mithilfe der Spargroschen ausbauen.

Der Aufsichtsrat macht Probleme

Van Aubel sieht das skeptisch und will deshalb über den Aufsichtsrat eingreifen. Nur hatte er sich das zu einfach vorgestellt: Er und Müser seien im Dezember davon ausgegangen, dass nach van Aubels Einstieg Aufsichtsratschef Naschke "sein Mandat niederlegen werde", sagt der neue Aktionär. Das Gericht hätte dann einen Nachfolger bis zur nächsten Hauptversammlung bestimmen sollen. Müser habe versichert, einen "Antrag auf meine gerichtliche Bestellung zum Aufsichtsrat zu unterstützen", sagt van Aubel. Müser bestreitet das.

Sollte van Aubels Version stimmen, könnte es der Mammon gewesen sein, der Müser zum Techtelmechtel mit dem späteren Großaktionär verleitete. Darauf deuten Unterlagen hin, die der WirtschaftsWoche vorliegen. Wenige Tage nach dem Treffen mit van Aubel in Berlin schreibt Müser an Bailey, der den Termin vermittelt hatte, eine Mail. Angehängt ist der Entwurf eines neuen Vertrags für Müser. Bailey solle diesen aufmerksam lesen, bevor er ihn weiterleite, schreibt der Balda-Chef. An wen das Dokument gehen sollte, steht dort nicht. Bailey sagt, es sei für van Aubel bestimmt gewesen. Müser äußert sich zum Adressaten nicht.

Das Unternehmen leidet

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Das Schriftstück hat es in sich: Danach soll Müsers Vertrag bis Januar 2018 verlängert, sein Gehalt von etwa 360 000 auf 480 000 Euro pro Jahr erhöht und ein erfolgsabhängiger Bonus von 200 000 Euro pro Jahr vereinbart werden. Der Vertrag soll Müser sogar dann komplett ausgezahlt werden, wenn er selbst kündigt.

Van Aubel behauptet, dass er den Vertragsentwurf als "inakzeptabel" ablehnte.

Müser geht auf Fragen zum Vertragsentwurf nicht konkret ein. Er erklärt, dass van Aubel ihm für den Fall, dass er die Kontrolle im Aufsichtsrat erlangt, eine weitere Zusammenarbeit in Aussicht gestellt habe. "Um mich zu vergewissern, ob dieses Versprechen ernst zu nehmen ist, haben wir auch über konkrete Konditionen gesprochen." Schließlich will er auf van Aubels Offerte aber nicht eingegangen sein, "weil dies nicht im Interesse der Gesellschaft gelegen hätte".

Zweifel an dieser Version sind angebracht: Müser selbst hatte Bailey den Vertragsentwurf gemailt und ihn gebeten, zu prüfen, ob er "alles bedacht" habe. Müser machte sogar Ausführungen zu der Tantieme, die er "erwarte". Eine Ablehnung klingt anders.

Aktionäre können nichts richtig machen

Das Dumme ist nur, der Dritte im Bunde macht mögliche Pläne zunichte: Naschke tritt nicht ab – auch nicht, als van Aubel ihm eine "Niederlegungserklärung zur Unterschrift" vorlegte. Er habe den Platz nicht räumen wollen, ohne die Pläne des neuen Aktionärs für Balda zu kennen, sagt Naschke. Zudem sei es van Aubel nie nur um einen Aufsichtsratssitz gegangen, sondern immer um die Mehrheit, also mindestens zwei Sitze.

Jetzt müssen die Aktionäre den Aufsichtsrat wählen. Doch die können kaum etwas richtig machen. Wenn sie das Team van Aubel wählen, gewähren sie einem Mann Einfluss, dessen Plan sie nicht kennen, und der nur verspricht, "bei der nächsten ordentlichen Hauptversammlung einen Vorschlag zur künftigen Strategie von Balda zu unterbreiten" – was man auch als Drohung verstehen kann.

Der 48-Jährige ist einer der Gründer des Solarmodulherstellers Q-Cells, der mittlerweile insolvent ist. Seine jüngeren Investitionen waren teilweise wenig erfolgreich: So beteiligte er sich an einer Firma, die Holzpellets herstellte. Ein Flop.

Mit Ex-Solon-Chef Krupke versuchte er in London ein Unternehmen an die Börse zu bringen, das in spanische Solarparks investieren sollte. Das Projekt scheiterte. Aktuelle Zahlen zu seiner Beteiligung Alea Energy Solutions, die Dienste im Energiesektor anbietet, gibt es nicht. Die letzten verfügbaren Zahlen aus 2011 zu seinem Private-Equity-Fonds Cedrus sind schwach.

Es droht Stillstand

Um Baldas Strategie zu ändern, müssten 75 Prozent der Anwesenden auf einer weiteren Hauptversammlung zustimmen. Neben van Aubel gibt es zwei Großaktionäre, die je fünf Prozent der Anteile halten. Bei einer Präsenz von 50 Prozent würden die drei gemeinsam die Quote erreichen. Oft ist die Präsenz bei richtungsweisenden Hauptversammlungen allerdings höher. Bis zu einer solchen Hauptversammlung müsste van Aubel als Aufsichtsrat dafür sorgen, dass Balda kein Geld ausgibt. Mit der Wahl van Aubels droht also Stillstand.

Andererseits: Wenn die Aktionäre van Aubel und seine Gefolgsleute ablehnen, "bestehe die Gefahr, dass er das Management mit juristischen Attacken in Atem hält", heißt es in seinem Umfeld. Das würde Balda operativ ebenso lähmen.

Der Umkehrschluss: Das Unternehmen wird so oder so Schaden nehmen.

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