Kerkhoff hat bei ThyssenKrupp gelernt, nur Dinge zu sagen, die dringend notwendig sind. Das musste er erst lernen. Als er im April 2011 von der Telekom zu ThyssenKrupp wechselt, trat er noch locker-flockig nach Art eines New Economy-Managers auf. Er werde eine herausgehobene Stellung als Finanzchef bei ThyssenKrupp haben, sagte er vor Antritt seines Jobs in Essen am Rande einer Mobilfunkmesse in Barcelona im Februar 2011.
Herausgehobener jedenfalls als seine Vorgänger. Er wolle sich nicht nur um das Zahlenwerk im Konzern kümmern, sondern die Aufgabe eines CO-CEOs übernehmen, der zusammen mit ThyssenKrupp-Vorstandschef Hiesinger auch um das operative Geschäft kümmert. Soviel Offenheit war man bis dato von ThyssenKrupp-Vorständen nicht gewohnt gewesen.
Er wolle auch einen Wandel der Unternehmenskultur einleiten, sagte Kerkhoff damals unter Anspielung auf die Firmenkultur, die er von der Telekom her kannte. Und die war nach seiner Wahrnehmung der Internet-Branche entlehnt. Also spontan und unbürokratisch, wenig hierarchisch und erst recht nicht angstbesetzt und obrigkeitshörig? Diese Attribute werden von ThyssenKrupp-Managern zunehmend der Führungskultur von ThyssenKrupp zugeschrieben. Alle haben Angst, beim Krupp-Patriarchen Berthold Beitz, 99, und seinem Aufsichtsratschef Cromme, 69, in Ungnade zu fallen. Deswegen muckt keiner auf, passen sich alle an, auch an Fehlentwicklungen. Hauptsache: Nicht auffallen, um sich nicht unversehens auf der Straße wieder zu finden.
Die heißt vor dem ThyssenKrupp-Hauptquartier nun dummerweise „Berthold-Beitz-Boulevard“. Selbst den Gefeuerten bleibt das System Krupp also auch draußen vor der Tür eine Weile auf den Fersen. Es wird schwer, mit und unter Cromme und Beitz den Kerkhoff-Kulturwandel einzuleiten.