PSA und Renault in Paris Endlich wieder große Klappe

Die Tristesse haben PSA und Renault hinter sich gelassen. Beim Heimspiel auf dem Pariser Autosalon demonstrieren die Franzosen ihr neues Selbstbewusstsein. Einige Probleme bleiben allerdings.

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Der Renault Trezor kann sein gesamtes Verdeck anheben und bietet seinem Fahrer einen 360-Grad-Blick durch eine rote Frontscheibe. Quelle: Reuters

Paris Ein Autosalon ist immer ein Heimspiel für die Industrie des Landes. Auf den „Mondial de l’automobile“ in Paris trifft das in diesem Jahr besonders zu: Frankreichs Hersteller sind wieder da. Ihre Modelle sind technisch und vom Design her auf der Höhe, sie kommen bei den Kunden an und die Unternehmen verdienen Geld. Kein Vergleich mehr mit dem tristen Salon von 2014, als die Stände mit der Trikolore nur ein Trauerspiel boten. Dieses Jahr lautet das Motto: Adieu Tristesse.

Besonders auffällig ist das Comeback von Peugeot-Citroën, offiziell Groupe PSA. „Vor drei Jahren standen wir am Rande des Bankrotts“, sagte PSA-Chef Carlos Tavares am Mittwoch mit entwaffnender Offenheit. Die kann er sich mittlerweile leisten: „Heute erreichen wir Rang vier bei den rentabelsten Herstellern der Welt,“, strahlte der Portugiese. Nur BMW, Toyota und Suzuki lägen vor ihnen. Stolz sein kann er auch auf die sehr niedrigen Emissionswerte, da sind die Marken des Hauses Europameister. Und die Dieselmotoren kommen dank SCR-Katalysator unter realistischen Bedingungen auch ohne Betrug auf bessere Stickoxid-Werte als die Konkurrenz.

Und das, obwohl Tavares PSA in den vergangenen Jahren strikt auf Diät gesetzt hat. Den Erfolg beim Gewinn erkauft Tavares mit Verlusten an Marktanteilen. „Wir steuern das Unternehmen nicht über den Umsatz, sondern über den Gewinn“, ist Tavares’ Credo. Das hinterlässt Spuren: Von Januar bis August 2016 nahm der europäische Automarkt um 7,8 Prozent zu, PSA verkaufte aber nur 3,2 Prozent mehr. Tavares will sich nicht auf teure Preisnachlässe einlassen. Auf dem wichtigen Flottenmarkt etwa in Deutschland zieht er deshalb den Kürzeren gegenüber den deutschen Premiumherstellern.

Gerade bei den Preisen bewegen sich die Franzosen in Regionen, die bisher für den Volumenhersteller tabu waren. Die Premiummarke DS, die aus der Marke Citroen ausgegliedert wurde, verkaufte darum zuletzt sogar weniger Autos als im Vorjahr. Die Premiumoffensive von Tavares kommt bislang nicht richtig in die Gänge. Besser läuft es bei den SUV, die künftig einen noch größeren Anteil am Absatz ausmachen sollen. Rückenwind sollen der 3008 und der größere 5008 liefern, die in Paris ihre Premiere feiern.

Die Autowelt in Frankreich scheint insgesamt wieder in Ordnung zu sein. Das liegt auch an der Stärke der zweiten großen Automarke aus Frankreich: Renault wächst schneller als der Markt, nämlich um 12,2 Prozent in den ersten acht Monaten. Damit liegen die Franzosen sogar etwas stärker zu als BMW und landen nur knapp hinter Mercedes. Dabei hilft auch die Erholung des Automarktes in Südeuropa.

Innerhalb weniger Jahre haben es die Franzosen geschafft, sich aus einem strategischen Dilemma zu befreien – und sich dem Preiskampf im europäischen Volumensegment besser zu entziehen. Dafür wurde die Produktion internationaler ausgerichtet. So gibt es beispielsweise das in Indien entwickelte und dort produzierte Kleinstauto Quid, „das wir bald auch in anderen Schwellenländern anbieten werden“, kündigte CEO Carlos Ghosn am Donnerstag an. Auch in Russland gehört Renault zu den erfolgreichsten ausländischen Autobauern.


„Die Menschen sollen sich wieder verlieben“

Sogar in Westeuropa zieht der Absatz wieder an. Der Schlüssel dazu ist das neue Design aus der Feder des Renault-Chefdesigners Laurens van den Acker. Als er 2009 zu den Franzosen kam, lag die Marke designtechnisch am Boden. „Wir wollten, dass die Menschen sich wieder in Renault verlieben“, sagt er. Aus den Konzeptfahrzeugen, die er über die Jahre entworfen hat, sind unter anderem Renault Espace und der Captur entstanden, die in ihren Segmenten ganz vorne mitspielen.

Vor dem Autosalon hat die Marke darum erstmals seit Jahren wieder eine internationale Vorabendveranstaltung organisiert. In den altehrwürdigen Hallen der École des Beaux-Arts darf Chefdesigner van den Acker zeigen, wie er die Marke weiterentwickeln will. Und dabei darf es ruhig auch wieder hochklassiger zugehen. Der Trezor, den Renault in Paris zeigt, ist ein echter Hingucker. Angetrieben wird der halbautonome Carbon-Bolide durch Formel-E-Technik, einen Elektromotor mit 350 PS. „Ein Meilenstein“, sagt van den Acker. Vor allem ein erfolgreicher Versuch, die französischen Plastikbomber der Vergangenheit endlich vergessen zu machen.

Darüber hinaus profitiert die Marke von der lange belächelten Entscheidung, Billigautos unter der Marke Dacia anzubieten. Die anfangs in der Tat wenig ansprechenden Fahrzeuge haben mittlerweile ihren eigenen Stil gefunden. Die Kunden sehen sie als Preis-Leistungs-Sieger. Im August explodierte der Dacia-Absatz europaweit mit einem Plus 39 Prozent zum Vorjahr. „Wir haben mit Dacia noch ein großes Marktpotenzial“, freut sich Ghosn.

Zufrieden ist er auch über die Marktführerschaft bei Stromern. Gemeinsam mit Nissan bestreiten die Franzosen rund die Hälfte des Weltmarktes für E-Autos. Schon heute ist der Zoe das meistverkaufte Elektroauto in Deutschland. Für kein Modell gehen mehr Anträge für die Förderprämie ein. In Paris zeigt Ghosn einen Zoe, der unter Normalbedingungen eine Reichweite von 400 km schaffen soll. Damit können die Franzosen heute schon ein Auto anbieten, das Daimler und VW erst in einigen Jahren auf den Markt bringen wollen.

Und auch bei PSA ist die Vergangenheit mittlerweile erfolgreich aufgearbeitet worde. Nun wird wieder an die Zukunft gedacht. Am Mittwoch stellte Tavares die neue Marke Free2Move vor, die alle Mobilitätsangebote zusammenfassen soll, vom E-Mobil oder -Roller für ein paar Minuten, Carsharing, Leihwagen bis zur Vermietung von Privat zu Privat. PSA hat sich darum mit einer Reihe von Start-ups und erfahrenen Anbietern wie Bolloré (Elektro-Leihwagen) zusammengetan. Eine einheitliche App dafür soll es vor Jahresende geben.

Den Traum der neuen Mobilität träumt PSA allerdings nicht alleine. Jeder, der etwas mit Verkehr zu tun hat, von den Bahngesellschaften bis zu Autozulieferern, träumt von der digitalen Plattform für „seamless transportation“, nahtlosen Verkehr vom Wohnhaus bis zum Zielort.

Tavares weiß, dass es schwer wird, mit den großen amerikanischen IT-Riesen aus dem Silicon Valley zu konkurrieren. Allein die Mobilitätsplattform Uber ist auf dem Papier und sechsmal soviel wert wie der französische Autokonzern und kann seine Marktanteile mit einer milliardenschweren Kriegskasse erkaufen. Doch kapitulieren will Tavares im Angesicht der neuen Herausforderer nicht. „Wir wissen, dass wir Dinosaurier sind“, sagt er, „aber wir wollen nicht aussterben.“

Mittlerweile schielt auch PSA wieder ganz unverhohlen auch höhere Segmente. Das Concept-Auto Citroen Cxperience gibt in Paris einen Ausblick, wie sich die Franzosen auch den neuen C5 vorstellen. Der Plug-in-Hybrid ist dabei besonders futuristisch gezeichnet. Die Franzosen, die 2014 noch am Rande der Pleite standen, haben neues Selbstbewusstsein entwickelt. „Unser Nahtod-Erlebnis hat uns klar gemacht, was wirklich wichtig ist“, sagt Tavares. Beim Heimspiel in Paris ist das unübersehbar.

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