„Quicar“ VW stampft eigenes Carsharing-Projekt ein

Die Autohersteller drängen seit Jahren ins Geschäft mit Leihautos. Volkswagen macht nun aber eine Kehrtwende. Trotzdem wollen die Wolfsburger sich nicht komplett aus dem Markt zurückziehen.

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Kunden sollen unkompliziert zum neuen Anbieter wechseln können. Quelle: dpa

Hannover/Wolfsburg Spontaneinkauf, Wochenendausflug, Transfer zum Flughafen: Auch wer kein eigenes Auto hat, muss dank moderner Carsharing-Angebote nicht auf Flexibilität auf vier Rädern verzichten. Weltweit boomen die Angebote. Die Anbieter werben um Kunden, die zwar ein Auto fahren aber eben nicht kaufen möchten.

Praktisch alle größeren Hersteller haben eigene Carsharing-Angebote auf den Markt gebracht. Während Daimler und BMW sich mit ihren stationslosen Angeboten bereits am Markt etabliert haben, wirft der Autobauer Volkswagen nun das Handtuch. Nach weniger als viereinhalb Jahren stampft der Autobauer sein Pilotprojekt „Quicar - Share a Volkswagen“ wieder ein. Dies habe nichts mit der seit September den VW-Konzern in Atem haltenden Abgas-Krise zu tun, betont Gerhard Künne, Sprecher der verantwortlichen Volkswagen Leasing GmbH.

Die meisten Autohersteller, die Carsharing anbieten, nutzen das Modell bislang zur Vermarktung ihrer Autos. Daimler bringt auf diese Weise seinen Smart auf die Straße. BMW verleiht bislang Mini, 1er BMW und das Elektroauto i3. In Zukunft werde es aber mehr und mehr darum gehe, die Kunden in einer Welt, in der Besitz unwichtiger wird, an sich zu binden. „Autohersteller brauchen das Thema Carsharing“, sagt Ernst & Young-Experte Peter Fuß.

Gut 6400 geteilte Autos sind ohne feste Station auf deutschen Straßen unterwegs. Daimler und BMW dominieren nach Einschätzung des Carsharing-Verbands den Markt der Freefloating-Angebote, bei denen die Autos einfach am Straßenrand abgestellt werden. Hinzu kommen etwa 9000 Autos an Stationen in Ortschaften und an Bahnhöfen. Und der Markt wächst weiterhin. 2014 hatten sich mehr als eine Million Nutzer für Carsharing angemeldet.

Trotz des Booms konnte Volkswagen auf der Erfolgswelle nicht mitschwimmen. Künne betont, derzeit könne mit Freefloating kaum Geld verdient werden. „Das sind im Moment nur Experimente“, und an denen sei Volkswagen nicht interessiert.


Das lokale Konzept ist gescheitert

Außer bei einigen Überlandfahrten von Kunden hat die „Quicar“-Flotte Hannover nie verlassen. Das lokale Konzept ist gescheitert. Gerade 12 500 Nutzer registrierten sich, zuletzt waren 120 Fahrzeuge im Umlauf. VW spricht dennoch von einem erfolgreichen Projekt. Nach Ansicht von Experten sind die Zahlen aber zu gering, um bestehen zu können. Daimler hat nach eigenen Angaben weltweit 1,2 Millionen registrierte Kunden und 14 000 Autos im Umlauf. BMW zählt 580 000 Fahrer und bietet 4000 Autos in neun Städten an.

„Volkswagen hat das Thema erst 2011 und damit relativ spät für sich erkannt“, sagt Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Das sei aber nicht der einzige Grund, weshalb „Quicar“ keine echte Chance auf Erfolg hatte. Auch die „halbherzige Umsetzung“ durch den VW-Konzern habe daran einen Anteil.

Um als Nachzügler in dem Segment erfolgreich zu sein, müsse der Kunde einen Vorteil haben, den er bei anderen Anbietern nicht hat, betont Bratzel. Diese Konzept verfolgt etwa die GM-Tochter Opel, die Autobesitzern mit Hilfe einer App ermöglicht, das eigene Auto mit anderen zu teilen. Perspektivisch werde der den Markt beherrschen, dem es gelingt, verschiedene Mobilitätsvarianten zu vereinen - Auto, Bahn und Flugzeug, glaubt Bratzel. „Das würde die Nutzer reizen, das ist genau der Punkt, an dem Google und Apple arbeiten.“

Aus diesem Grunde könne sich auch kein Hersteller aus dem Geschäft komplett verabschieden, sagt Fuß. Die Sorge, dass die Autohersteller weniger produzieren werden, wird sich seiner Einschätzung nach nicht bewahrheiten. Doch: „Am Ende des Tages werden sich die Autos nicht mehr groß unterscheiden und die Hersteller mit Mobilitätsangeboten mehr verdienen als mit der Hardware Auto.“

Auch VW will trotz des Rückzugs nicht auf den Markt Carsharing verzichten: Schon seit 2013 kaufte sich das Unternehmen beim niederländischen Carsharing-Anbieter Greenwheels ein, inzwischen hält die VW-Tochter Financial Services 60 Prozent. Greenwheels Autos - allesamt VW - werden künftig wie in 21 anderen deutschen Städten auch in Hannover unterwegs sein. VW nennt diese Entscheidung „Bündelung“ des Angebotes und hofft, alle Kunden halten zu können.

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