Regressforderungen Jetzt sollen die Manager bezahlen

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Jäger und Gejagte


Was dem EnBw-Chef Kopfzerbrechen bereitet
Andrej BykowDer russische Lobbyist bereitet EnBW-Managern zur Zeit heftige Kopfschmerzen. Zwar ist Vorstandschef Frank Mastiaux völlig unbelastet, weil er erst seit Oktober 2012 im Amt ist, aber ständige Hausdurchsuchungen von gleich zwei Staatsanwaltschaften, die ermitteln, stören den Geschäftsbetrieb und produzieren negative Schlagzeilen. Der Verdacht: EnBW-Manager sollen Bykow geschmiert haben, um beispielsweise an lohnende Gaslieferverträge aus Russland zu kommen. Bewiesen ist bisher nichts. Quelle: PR
AtomausstiegVor der Energiewende war die EnBW ein Atomkonzern reinsten Wassers. Wasserkraftwerke und Windräder waren nur die Abrundung einer klaren Kernkraftstrategie in Deutsch-Südwest. Mit dem Wegfall der Atomkraft bis 2022 muss sich der Versorger etwas einfallen lassen, um als Konzern in jetziger Form bestehen zu bleiben. Quelle: dapd
WindkraftDie grünrote Landesregierung will in dieser Legislaturperiode 1000 Windräder in Baden-Württemberg aufstellen. Doch die Planungen gehen nur sehr zäh voran. Bislang sind es nur 15 Mühlen im Ländle, die 23 Megawatt Strom erzeugen. Die Kommunen, die Anteilseigner von EnBW sind, befürchten eine Verspargelung der Landschaft und ausbleibende Touristenströme Quelle: dpa
WasserkraftBaden-Württemberg ist das Land der Wasserfälle und Wasserkraftwerke, so wie Bayern und Österreich. Die Wasserkraftwerke sind zum Teil hundert Jahre alt und stehen unter Denkmalschutz. Es sind gewaltige Baudenkmäler, die nicht nur Strom produzieren, sondern auch Touristen anziehen, ein Vorzug, der Atomkraftwerken und Windrädern auf der Schwäbischen Alb abgeht.   Quelle: AP
GaskraftEnBW gelang es noch unter Mastiaux-Vorgänger Hans-Peter Villis, mit dem russischen Gasexporteur Novatek einen Rahmenvertrag für Gaslieferungen aus Russland abzuschließen. Damit erreichte beispielsweise EnBW bereits jetzt schon, was RWE bisher noch nicht geschafft hat, günstige Einkaufspreise für Erdgas zu erzielen. In Düsseldorf will EnBW als Teilhaber der dortigen Stadtwerke ein Gaskraftwerk direkt am Rhein bauen. Die Absichtserklärung jedenfalls liegt vor. Quelle: dpa/dpaweb

Dass Manager grundsätzlich schadensersatzpflichtig sein können, auch mit hohen Summen, stellte der Bundesgerichtshof schon 1997 im Arag-Fall klar. Bei dem Rechtsschutzversicherer hatte der Finanzvorstand mit unerlaubten Transaktionen Millionenverluste eingefahren. Zwei zerstrittene Familienstämme hinter der Arag fochten die Frage, ob der Mann verklagt werden sollte, bis in die letzte Instanz aus. Ergebnis: Aufsichtsräte müssen Schaden vom Unternehmen abwenden – auch durch Schadensersatzprozesse gegen eigene Manager. Der Arag-CFO wurde zu 55 Millionen Mark Schadensersatz und viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Das Arag-Urteil war nur der Auftakt. Rechtsverschärfungen verbreiterten die Basis für Compliance-Streitsachen. 1999 verbot das Strafrecht Bestechung, die bis dahin steuerlich abzugsfähig war. Es folgte der Corporate Governance Kodex, später verschärfte der Gesetzgeber das Aktienrecht. „Die erste größere Welle von Schadensfällen folgte auf den Zusammenbruch des Neuen Markts und seiner Stars“, erinnert sich D&O-Anwalt Oliver Sieg von der Kanzlei Noerr in Düsseldorf.

Es folgte eine lange Reihe von aufgedeckten Kartellen. „Immer mehr heimliche Preisabsprachen kommen heraus, seit Unternehmen, die als Whistleblower voranpreschen, Rabatte bei den Millionenbußen oder sogar Straffreiheit bekommen können“, sagt Anwalt Oliver Maaß von der Kanzlei Heisse Kursawe in München. Die verhängten Bußgelder und die Schadensersatzzahlungen an die Kartellopfer holen sich die Unternehmen von den einst verantwortlichen Führungskräften zurück.

Den nächsten großen Schwung von Managerhaftungsfällen bescherte die Finanzkrise. Der Gesetzgeber hat die Verjährungsfristen zur Verfolgung der Finanzbosse 2011 auf zehn Jahre verdoppelt – dauern diese Fälle im Schnitt doch acht bis zehn Jahre. Die D&O-Anbieter HDI, VOV und Axa versichern wegen des hohen Risikos keine Finanzdienstleister mehr.

Auch Insolvenzverwalter haben D&O-Policen für sich entdeckt: als Vermögenswert, den sie realisieren können. Eine Sonderprüfung bei der IVG wäre die erste im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. „Viele Manager, die versuchen, Firmen zu sanieren, werden hinterher vom Insolvenzverwalter verfolgt“, klagte jüngst Ex-Arcandor-Grande Middelhoff.

Gerne halten sich Insolvenzverwalter auch an den Aufsichtsrat – „insbesondere, wenn dort solvente Leute sitzen“, sagt der Düsseldorfer Insolvenzverwalter Dirk Andres. Er habe schon erlebt, „wie ein Aufsichtsrat 100 000 Euro aus der Privatschatulle zahlen musste“, weil er Zahlen des Wirtschaftsprüfers nicht hinterfragt hatte.

Aufsichtsräte sind in Sachen Schadensersatz Jäger und Gejagte. Die juristische Schlachtordnung in vielen Unternehmen heißt heute jeder gegen jeden: Aufsichtsräte gegen Vorstand, Vorstand gegen Aufsichtsrat, Aufsichtsräte gegeneinander.

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