Renault macht Rekordgewinn Carlos Ghosn in der Form seines Lebens

Carlos Ghosn blickt auf ein Rekordjahr zurück. Der französische Multi-Chef hat Renault zu einem schlagkräftigen Konzern umgebaut und verfolgt ehrgeizige Pläne – das soll auch Volkswagen zu spüren bekommen.

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„Ich muss Ihnen ja nicht sagen, wie rentabel der chinesische Markt ist.“ Quelle: Reuters

Boulogne-Billancourt Carlos Ghosn sammelt Autohersteller wie andere Leute Briefmarken. Nach Renault, Nissan und Avtovaz hat er im vergangenen Jahr Mitsubishi seiner Kollektion hinzugefügt. Wo andere schon mit einem Unternehmen überfordert sind, scheint der in Brasilien geborene Libanese mit französischem Pass durch den Stress des Lebens und Managens auf verschiedenen Kontinenten erst richtig aufzublühen. 2016 hat Renault den Gewinn auf 3,3 Milliarden Euro und die Umsatzmarge der Gruppe auf 6,4 Prozent gesteigert. Allein in der Autoproduktion sind es 4,9 Prozent, im zweiten Halbjahr bereits 5,1 Prozent.

„Das sind historische Werte“, sagte Ghosn am Freitag bei der Pressekonferenz am Unternehmenssitz in Boulogne-Billancourt. Es kommt bei ihm ohne jeden Triumphalismus rüber. Er spricht in demselben sachlichen Ton, in dem er auch auf kritische Fragen schnell und direkt antwortet. Mit 62 Jahren ist er noch voll da, und er hat weitere große Pläne.

„Nur noch 340.000 Autos trennen uns vom Marktführer.“ Gemeint ist Volkswagen. Wenn man Nissan, Renault und Mitsubishi zusammenrechnet, rückt „die Allianz“, wie man das komplizierte Konglomerat in Frankreich nennt, tatsächlich eng an den Spitzenreiter heran. Und Ghosn fügt hinzu, dass man ja eigentlich die Lastwagen herausrechnen müsse – dann sehe das Bild anders aus.

Ganz eng an Volkswagen dran ist Renault allerdings auch in Sachen Dieselskandal. Die Franzosen haben ihre eigene Affäre mit überhöhten Emissionen unter realen Fahrbedingungen, deshalb ermittelt die französische Justiz. Ghosn nimmt es locker: „Gegen Fiat, PSA und VW ermittelt sie ja auch, wir sind also vier im Club“. Rückstellungen hat er trotzdem nicht gebildet, „das kann ich nicht einmal, selbst wenn ich wollte“, denn die Motoren seien ja völlig in Ordnung und „getrickst haben wir nicht.“ Die oft streitlustig funkelnden Augen des Managers nehmen dabei einen ganz treuherzigen Ausdruck an.

Was den Renault-Teil der Allianz angeht, soll der Umsatz in sechs Jahren 70 Milliarden Euro erreichen, das wären rund 37 Prozent mehr als heute. Den Wandel vom eher leidenden Hersteller, der den größten Teil seines Gewinns aus nur einer Modellreihe bezog, dem Scénic, zu einem profitablen Unternehmen haben Ghosn und seine Mannschaft mehreren Faktoren zu verdanken.

Der erste ist ganz schlicht: Renault baut wieder Autos, die bei den Kunden ankommen. 32 neue Modelle wurden lanciert. Cactus, Clio, der SUV Kadjar verkaufen sich gut, der Duster von Dacia ist ein Publikumsliebling und sogar in der Oberklasse nimmt Renault Witterung auf, mit der Limousine Talisman und dem stärker auf SUV getrimmten neuen Espace.

Bei Elektroautos ist Renault-Nissan Weltmarktführer. Das macht sich noch nicht in riesigen Stückzahlen bemerkbar, aber wenn der Markt irgendwann abgehen sollte, ist die Marke mit dem Rhombus am Bug gut positioniert. „Alle Modelle sind profitabel“, teilte Ghosn zufrieden mit, das gelte auch für die Stromer, „wenn man hier nicht alle Investitionen einrechnet.“


Die französische Konfliktkultur gebrochen

Der zweite Faktor ist der erfolgreich soziale Dialog mit den Arbeitnehmern. 2013 hat Renault mit der französischen Konfliktkultur gebrochen und eine erste Vereinbarung mit den Gewerkschaften geschlossen, die Kostensenkungen und Flexibilität beim Arbeitseinsatz gegen Standortzusagen vorsah. „Seitdem haben wir die Produktion in Frankreich um 50 Prozent gesteigert“, stellte Ghosn am Freitag fest.

Im Januar wurde ein neues Abkommen geschlossen. Bis 2019 würden Tausende neue Mitarbeiter in Frankreich eingestellt und allein in das Forschungszentrum 500 Millionen Euro investiert.
Die Aussichten der kommenden Jahre hängen vor allem von der Marktentwicklung in den Schwellenkändern ab. Unter dem Absturz des russischen und brasilianischen Marktes hat Renault gelitten, „Russland war einmal unser profitabelster Markt“, enthüllte Ghosn am Freitag. In den nächsten Jahren rechne er damit, dass sich die Nachfrage in beiden Ländern stabilisieren oder beleben werde.

Zwei dicke Risikofaktoren gibt es, und Ghosn redet nicht darum herum, sondern nennt sie selber: der Brexit und die politischen Vorstöße aus den USA gegen einen freien Handel. In Sachen Brexit gab es viele Gerüchte über eine angebliche Garantie der britischen Regierung, Renault-Nissan werde von potenziellen finanziellen Schäden freigestellt. Freundlich lächelnd sagt der Allianz-Chef auf eine entsprechende Frage des Handelsblatts: „Ich hatte ein Treffen mit der britischen Premierministerin, aus dem bin ich beruhigt herausgekommen, deshalb investieren wir weiter.“

Das große Werk in Sunderland produziere für den europäischen Markt, das habe Madame May verstanden. Und im Moment sei der Brexit ja auch noch „virtuell“. Doch dann schiebt der raffinierte Manager eine Warnung nach: „Kann es nach dem Brexit Zölle oder quantitative Beschränkungen geben? Die Wettbewerbsfähigkeit unseres Werks muss auf jeden Fall gesichert sein, ich hoffe die Premierministerin hat das im Kopf, wenn sie den Brexit verhandelt.“

Risiken gebe es auch im Falle Nafta, der Freihandelszone mit Mexiko, USA und Kanada. Renault-Nissan ist in Mexiko präsent und baut mit Daimler ein neues Werk in Aguascalientes. Der Name „Trump“ kommt dem Franzosen nicht einmal über die Lippen, er sagt nur: „Wir hören, dass der Vertrag neu verhandelt werden soll, das wirft natürlich Fragen auf: Was kommt danach?“ Kritisch sei es auch, wenn die USA das Abkommen mit dem Iran aufkündigen sollten. In China und Indien dagegen werde Renault, dessen Produktion gerade erst angelaufen ist, künftig ordentlichen Rückenwind bekommen. Ghosn strahlt: „Ich muss Ihnen ja nicht sagen, wie rentabel der chinesische Markt ist.“

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