Renault-Nissan Auf in den Zehn-Millionen-Club

Renault und Nissan leben in wilder Ehe. Nun verstärken die beiden Autobauer ihre Zusammenarbeit, um mehr Geld zu sparen. Dabei setzt das Duo auf eine aggressive Gleichteilestrategie und die Lokalisierung der Produktion.

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Das Unternehmen stellt Hunderttausende Autos in seinem Werk in Sunderland her und exportiert drei Viertel davon nach Europa. Quelle: Reuters

Tokio Als Senior Vice President der Autobauer-Allianz Renault-Nissan jettet Arnaud Deboeuf normalerweise um die Welt. Doch an diesem Montag kommt er zu Fuß zu einem Gespräch mit japanischen Journalisten in das Nissan-Hauptquartier in Yokohama. Die Anwesenden ahnen seine Schritte. Dann hören sie, wie er die Tür zu einem kahlen Videokonferenzraum in Paris aufschließt. Und schon prangt sein Gesicht auf dem Bildschirm in Yokohama, überlebensgroß und ohne Schlips.

Irgendwie ist das Setting passend für das Thema des Tages: die Synergien der einmaligen eurasischen Allianz, die ein Alternativmodell für die Konsolidierung der Autoindustrie darstellt. Seit 17 Jahren leben die beiden Firmen quasi in wilder Ehe. Sie sind aneinander beteiligt, aber weder rechtlich verschmolzen noch unter einer Holding kombiniert.

Carlos Ghosn, der Doppelchef von Renault und Nissan, weist immer wieder darauf hin, dass der Versuch besser läuft als die meisten Fusionen. Und wenn es um die Größe geht, ist das wirklich nicht mehr zu übersehen. Das französisch-japanische Duo schickt sich an, in den Club der 10-Millionen-Hersteller vorzustoßen, also mit Volkswagen, Toyota und General Motors um die Krone als größter Hersteller der Welt zu streiten.

Schon heute setzen die beiden zusammen mit der russischen Avtovaz 8,5 Millionen Autos ab. Wenn nun auch noch Mitsubishi Motor (MMC) wie geplant als nächster börsennotierter Hersteller dazu stoßen wird, sind es über eine Million Autos mehr.

Nun soll der zweite Schritt folgen: Auch in Sachen Profitabilität will Carlos Ghosn in der Weltspitze mitreden. Und die Einsparungseffekte der Allianz sollen dabei eine große Rolle spielen.

Mit 4,3 Milliarden Euro habe die Allianz das von Ghosn gesteckte Ziel ein Jahr früher als versprochen erreicht, feiert Deboeuf den Etappensieg. 1,8 Milliarden Euro der Einsparungen entfallen auf Renault, 2,5 Milliarden Euro auf Nissan.

Doch dies ist erst der Anfang. „Der CEO hat uns ein neues Ziel gesetzt“, sagt Deboeuf. Bis 2018 sollen die Synergieeffekte die Bilanzen beider Hersteller um 5,5 Milliarden Euro entlasten. Und dabei seien zusätzliche Synergien mit Mitsubishi noch nicht eingerechnet. Nissan führt noch eine Machbarkeitsstudie durch, bevor der Konzern 34 Prozent des durch einen Skandal um geschönte Verbrauchsmessungen erschütterten Kleinwagen- und SUV-Hersteller übernehmen wird.


Integration wird weiter vertieft

Grund für die steigenden Synergien ist eine wachsende Zusammenarbeit beider Konzerne. Seit 2014 rücken sie in vier Schlüsselfunktionen zusammen: Der Fahrzeugentwicklung, der Herstellung, dem Einkauf und der Personalarbeit.

Den größten Anteil an den Spareffekten, nämlich 33 Prozent, macht bisher der Einkauf aus. Denn hier können die beiden Konzerne durch höhere Einkaufsmacht bessere Preise von den Zulieferern erzielen als jeder für sich allein. Die immer stärkere Nutzung von gemeinsamen, modularer Plattformen („Common Module Family“ im Allianzjargon) hilft dabei. Bis 2020 sollen mehr als 70 Prozent der Wagen auf gemeinsamen Plattformen gebaut werden.

Die Fahrzeugentwicklung trägt 28 Prozent zu den Synergieeffekten bei, referiert der französische Manager. Denn das Unternehmen vermeide Doppelentwicklungen. Sprich: Das Management entscheidet, welches Unternehmen welche Technik oder Teile entwickelt.

Weitere 17 Prozent der Kosteneffekte sollen aus der Produktion stammen. Denn die Partner können nun freie Kapazitäten in Renault- oder Nissan-Werken auf aller Welt mit Modellen füllen. So sparen sie sich den Fabrikaus- oder –neubau und erhöhen die Auslastung bestehender Werke.

Und damit ist das Zusammenrücken noch nicht beendet. „Vor 17 Jahren hätte ich nicht gedacht, dass wir gemeinsam Motoren entwickeln“, erzählt Deboeuf. Aber die Fortschritte führen zu einer immer tieferen Integration der Unternehmen. 2016 habe man sich entschieden, auch in der Qualitätskontrolle, der Kostenrechnung und im After-Sale stärker zusammenzuarbeiten, sagt Deboeuf.

Darüber hinaus zielt die Allianz darauf ab, immer stärker in Regionen vor Ort zu produzieren und auch Bauteile einzukaufen, um die Abhängigkeit von Wechselkurskapriolen zu senken. 80 Prozent der Teile sollen lokal bezogen werden, ist das Ziel. Bei den neuen, Niedrigpreisautos in Indien, dem Renault Kwid und den Redi-Go von Nissans Low-Cost-Marke Datsun läge er sogar bei 96 Prozent, so Deboeuf.

Ob das reicht, die Pole-Position in der Autowelt zu erobern, bleibt abzuwarten. Einige Analysten kritisieren, dass die Alliierten weniger für Forschung und Entwicklung als einige Rivalen ausgeben. Aber gleichzeitig bleibt die Tatsache, dass derzeit alle Hersteller jede Einsparung gut gebrauchen können. Denn die Unsicherheit nimmt zu, besonders in Europa nach dem Brexit-Votum in Großbritannien.

In dieser Frage tritt Deboeuf allerdings auf die Panikbremse, obwohl Nissan von den japanischen Herstellern mit am stärksten von möglichen Zöllen betroffen wäre. Das Unternehmen stellt Hunderttausende Autos in seinem Werk in Sunderland her und exportiert drei Viertel davon nach Europa.

Mehr Unsicherheit sei niemals gut, wiederholte er die Worte seines Chefs. „Kurzfristig wird es keinen Einfluss haben“, meint er. Und langfristig müsse man abwarten, was die Brexit-Diskussionen ergeben. Die Fragen heute konkret zu beantworten, sei „absolut unmöglich“.

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