Rhetorik-Check Winterkorn spielt im richtigen Film

Selten stand VW-Chef Martin Winterkorn so sehr im Rampenlicht wie bei dieser Hauptversammlung des Autobauers. Executive Coach Stefan Wachtel beurteilt für Handelsblatt Online den Auftritt des Managers.

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Trotz Händen auf dem Pult macht der VW-Chef rhetorisch einen überzeugenden Eindruck. Quelle: dpa

1. Gesamtauftritt und Staging

Martin Winterkorn ist beileibe kein „Naturtalent“ im Auftritt. Aber darauf kommt es auch nicht an: Es muss professionell sein. Sein Lächeln in der Volkswagen-Hauptversammlung ist nicht einfach authentisch – und deshalb ist es so gut. Ein Lächeln, das sagen will: Ich habe einen Plan. Die Frage ist, ob es geglaubt wird, darauf kommt es an. Das wird es ganz offenbar – von Aktionärsschützern abgesehen, die heute nur das Gegenteil sagen müssen. Es geht um eine Balance, und die hält dieser Mann durch. Der Mann spielt im richtigen Film.

2. Argumente

Winterkorn argumentiert grundsätzlich, aus großer Höhe, ohne arrogant zu wirken: Es geht gut, wir arbeiten daran, es geht seinen Gang.

Und er tut das Gegenteil, in einer guten Mischung. Er schüttet über das Publikum eine Riesentüte aus Zahlen aus. Sie erdrücken jede Frage. Das ist eine alte rhetorische Taktik, und auch sie geht auf. Die Hauptversammlung ist der Ort, an dem das am besten geht. (In anderen Situationen wie Mitarbeiterveranstaltungen haben er und andere gezeigt, dass die Zahlentaktik nicht aufgeht.) Die Beruhigung aus großer Höhe zeigt positive Wirkung. Sie schlägt nur leicht um, wenn sehr simpel infantilisiert wird. „Lassen Sie sich nicht beunruhigen und beirren.“

3. Text und Sprache

Jeglicher Aufreger fehlt in der Rede des VW-Chefs. Das geht, und auch nur in dieser Situation – in anderen wäre es stinklangweilig. „Gut, dass wir jetzt wieder in ruhigerem Fahrwasser unterwegs sind.“ „Gut, dass wir Klarheit haben über den weiteren Kurs.“

Der Text interpretiert: Es gehe um „vermeintliche Baustellen“, die andern sähen ein Problem, er nicht. Das erinnert daran, dass „viel geschrieben worden“ sei, vielleicht zu viel? Vorsicht! Das Ganze endet mit einem Gemeinplatz („common grund“.) Sehr wirkungsvoll, denn wir müssen dazu nicken. „Nur die stärksten Unternehmen werden den Wandel erfolgreich bewältigen.“ Und dann noch einmal etwa Allgemeines, damit wir nicken, und das nichts über VW sagt: „Und es braucht feine Antennen, um zu erfahren, was die Kunden wirklich bewegt“. Und dann der Zielsatz „Wir haben das verstanden.“ Das ist einfach rhetorisch gut.

Schließlich die Soundbites, eigentlich nur einer. Eine ganz große Wortschöpfung: Volkswagen soll „Mobilitätsermöglicher Nummer Eins“ sein. Alle Achtung, fast amerikanisch.

4. Sprechstil

Herkömmlich, aber ausreichend engagiert. Leichte Aufregung ist am Atem zu spüren. Das ist authentisch, müsste aber nicht sein. Die leider übliche Taktik, die Hände auf das Pult zu stützen, ist in jeder VW-Hauptversammlung zu sehen. Leider befördert körperliche Verfestigung auch Versprecher – als Executive Coach rate ich deshalb vom Aufstützen ab. „Es ist mir wichtig, an dieser Stelle Herrn Dr. Piëch zu danken ...“ Wer das wie ich mehrfach analysiert, bemerkt an diesem besten Satz in der Rede über den zurück getretenen Widersacher einen kleinen Stolperer. Wir werden nie erfahren, ob es ein kleiner Freudscher Versprecher war – oder einfach nur falsche Körperspannung. Dieser wirklich gute Satz bleibt. Das ist die heutige Leistung der Kommunikations-und IR-Abteilung. Fazit: fast volle Punktzahl.

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