Rickmers-Insolvenz Die sinnloseste Gläubigerversammlung Deutschlands

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1,5 Milliarden Euro Schulden

Doch Günthers Auftrag ist kein einfacher. 1,5 Milliarden Euro Schulden hat Bertram Rickmers mit seiner Reederei angehäuft, die 275 Millionen aus der Anleihe sind nur ein kleiner Teil davon. Und noch ist unklar, zu welchen Zugeständnissen die Banken bereit sind.

Bertram Rickmers will die Insolvenz nun in Eigenverwaltung durchführen. Dann dürften er als Aufsichtsratsvorsitzender und sein Vorstand das Unternehmen zunächst weiter operativ leiten und in Abstimmung mit den Gläubigern, dem Insolvenzgericht und einem Insolvenz-Sachwalter selbst einen Plan aufstellen, wie das Unternehmen erhalten werden kann. Doch wie dieser Plan genau aussehen soll – darüber schweigt der Vorstand noch.

„Wir sind auch von der Entscheidung der HSH überrascht worden“, sagt Vorstandsvorsitzende Ignace von Meenen, als er in der Pause durch den Vorraum des Sitzungssaals läuft. Er spricht kurz mit der Presse, dann grüßt er seine Mitarbeiter. Ein ganzes Team ist vor Ort, sie kümmern sich um die IT, um die Fragen der Gläubiger, um den Papierkram. Dabei haben auch sie eigene Sorgen. Knapp 2000 Mitarbeiter hat Rickmers, die meisten davon arbeiten im Ausland und auf See. Doch vor allem die Mitarbeiter in der Zentrale machen sich Sorgen. Dass Rickmers in der Verwaltung sparen muss, stand schon fest. Was jetzt der Insolvenzantrag für ihre Arbeitsplätze heißt, wissen sie noch nicht. „Ein gutes Gefühl ist das nicht“, sagt einer.

Wie es mit dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern weitergeht, wie das Insolvenzgericht entscheidet. Die Richter müssen erst zustimmen, ob die Insolvenz in Eigenverwaltung stattfindet – oder ob ein Insolvenzverwalter bestellt wird, der das Verfahren leitet. 

Dabei ist die Eigenverwaltung aus Anlegersicht die schlechtere Variante, sagt Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. „Nach unserer Erfahrung sind eigenverantwortliche Verfahren das Instrument, um Ansprüche der Anleger zu zuschüttten“, sagt er. Bei diesen Verfahren bestehe die Gefahr, dass Anfechtungsansprüche gegen Bertram Rickmers als Eigentümer dann nicht mehr so einfach durchgesetzt werden könnten. Oder dass eventuelle Strafbestände wie eine Insolvenzverschleppung oder Täuschung nicht so leicht aufgeklärt werden könnten.

Tatsächlich sind im Falle von Rickmers noch viele Fragen offen. So hat Rickmers noch vor einigen Monaten seine Satzung geändert, das hätte ihm selbst im Fall der Sanierung Sonderrechte eingeräumt. Was wollte er damit bezwecken? Und wieso stieß die Reederei erst Anfang des Jahres ihr Schwergutgeschäft – das einen Großteil zum Umsatz beitrug? Rickmers zahlte bei diesem Deal sogar noch drauf. Wird Bertram Rickmers auch im Insolvenzfall weiter Anspruch auf eine lebenslange Pension haben, auf einen eigenen Fahrer, ein Büro und eine Sekretärin?

Und vor allem: Wieso verweigerte die HSH in letztem Moment doch die Unterstützung für eine Sanierung? Der Vorstand habe das Konzept „sorgfältig geprüft“ und es als „wirtschaftlich nicht tragfähig“ beurteilt, teilte die Bank nur als Erklärung mit. Dabei hatte sie monatelang mit Rickmers verhandelt. Viele der Gläubiger macht vor allem das wütend. „Dass die HSH das Ding vor die Wand fahren lässt, hätte ich nicht gedacht“, sagt Anne Nitschke.

Sie versucht, ihren Verlust mit Humor zu nehmen.  „Wenn ich noch was bekomme, dann kann ich mir davon vielleicht ein Eis kaufen“, sagt sie.

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