WirtschaftsWoche Online: Herr Weinberg, der Ölpreis ist seit Wochen auf Zickzackkurs, nach einem deutlichen Anstieg ist er zuletzt wieder gefallen. Wie wird sich der Markt weiter entwickeln?
Herr Eugen Weinberg: Wir haben stets gesagt, dass die OPEC vor zwei Jahren die Preiskontrolle aufgegeben hat. Deshalb war auch der jüngste Versuch des Kartells, den Ölpreis durch geschickte verbale Interventionen nach oben zu „manipulieren“, vom Anfang an zum Scheitern verurteilt. Nun dürfte der Ölpreis deutlich länger günstig bleiben. Dabei spielt auch eine Rolle, dass sich viele US-Schieferölunternehmen zuletzt bei den hohen Preisen gegen den Preisrückgang abgesichert haben und ihre Produktion im nächsten Jahr ausweiten werden. Wir erleben derzeit eine nachhaltige Strukturveränderung am Ölmarkt: Die US-Fracking-Industrie wird für den globalen Ölmarkt mehr und mehr zum Zünglein an der Waage. Auf lange Sicht wird sie für den Ölpreis sogar ein entscheidendere Faktor sein als die Opec.
Wie kann das sein? Die Produktionskosten in Amerika sind doch viel höher.
Die US-Frackingindustrie hat sich als viel robuster erwiesen, als Marktbeobachter geglaubt haben. Die meisten Analysten waren überzeugt, dass viele Ölunternehmen in diesem Sommer die Segel hätten streichen müssen. Das ist nicht eingetreten.
Was Sie über den Ölpreis wissen müssen
Da Öl ursprünglich in Fässern abgefüllt wurde - Barrel im Englischen -, wird diese Maßeinheit in der Branche bis heute verwendet. Ein Barrel sind 159 Liter.
Die steile Talfahrt begann Mitte 2014, bis Anfang 2016 hatte sich der Preis mehr als gedrittelt. Seitdem hat sich der preis wieder erholt, bleibt aber weiter weit hinter früheren Niveaus zurück. Hintergrund ist ein knallharter Wettbewerb zwischen den klassischen Ölförderern wie Saudi-Arabien und neuen Konkurrenten, die Rohöl mit der aufwendigen Fracking-Methode aus Schiefergestein lösen, allen voran in den USA.
Rohöl ist nicht gleich Rohöl. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Sorten – je nach Region. Alleine der Finanzinformationsdienst Bloomberg listet mehr als 100 Stück auf, wovon allerdings nur wenige große Bedeutung haben. Als Richtwert am Finanzmarkt gilt das US-Rohöl West Texas Intermediate (WTI). Eine weitere wichtige Sorte ist das Nordsee-Öl Brent.
Bei den Ölsorten gibt es gravierende Unterschiede bei der Qualität, was auch zu merklichen Preisunterschieden führt. So kann etwa die Sorte North Dakota Sour in der Raffinerie nur schwer verarbeitet werden, weil sie stark schwefelhaltig ist. Das schlägt sich auch im Preis nieder.
Für US-Öl und Brent-Öl werden die Preise über das Spiel von Angebot und Nachfrage gebildet. Aber auch diese Sorten können eine Vielzahl von unterschiedlichen Preisen haben, was daran liegt, dass sie in sogenannten Future-Kontrakten gehandelt werden. Der Käufer erwirbt dabei Rohöl mit unterschiedlichen Lieferdaten. Der am meisten gehandelte und damit für die Anleger wichtigste Future-Kontrakt läuft über einen Monat.
Auch die Ölsorten des Ölkartells Opec (Organisation erdölexportierender Länder) sind für die Weltwirtschaft von hoher Bedeutung. Von der Opec-Zentrale in Wien wird einmal täglich der sogenannte Opec-Korbpreis ermittelt. Hierfür melden alle Mitgliedstaaten des Ölkartells ihre jeweiligen Ölpreise, dann wird der sogenannte Korbpreis aller 13 Opec-Sorten errechnet. Dieser Durchschnittspreis wird allerdings immer mit einem Tag Verzögerung veröffentlicht und spiegelt daher nicht die neueste Entwicklung wider.
Und warum nicht?
Die Unternehmen haben ihre Produktionskosten in den vergangenen zwei Jahren spürbar senken können und ihre Produktivität erhöht. Weil sie effizienter arbeiten, können sie mit geringeren Ölpreisen leben. Im Gegensatz zu den großen Staatsbetrieben in traditionellen Produzentenländern wie Saudi-Arabien und Russland agieren die US-Ölunternehmen deutlich schneller und agiler auf Preisveränderungen. Viele haben sich am Kapitalmarkt geschickt gegen Preisveränderungen abgesichert und neue Finanzierungsquellen aufgetan - etwa indem sie an die Börse gegangen sind.
Was bedeutet das für die Ölproduktion?
Die Zahl der Bohrlöcher ist seit Sommer diesen Jahres fast ununterbrochen gestiegen. Das zeigt sich zwar noch nicht in der Produktion, langfristig aber dürften diese Bohrungen das Ölangebot am Weltmarkt erhöhen. Außerdem gibt es in den USA über 5000 Bohrlöcher, die bereits angebohrt, aber noch nicht komplett erschlossen sind. Diese Förderstationen in Betrieb zu nehmen ist nicht allzu aufwändig, das dauert vielleicht ein bis zwei Wochen. Ich bin sicher, dass in den kommenden Monaten bei einer Reihe davon die Produktion aufgenommen wird.
Aber welchem Ölpreis lohnt sich das?
Das ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieben. Bei einem Preis von dauerhaft über 50 Dollar sollte es sich für die meisten rentieren.
Ist damit die Strategie der Saudis gescheitert, über einen niedrig gehaltenen Ölpreis die US-Frackingunternehmen aus dem Markt zu drängen?
Jein. Die Schieferölindustrie hat das zwar ausgehalten, gleichzeitig aber ist die Ölproduktion in China wegen der niedrigen Preise massiv gesunken. Das hat den Saudis zusätzliche Marktanteile gebracht. Man muss auch sagen, dass Saudi-Arabien die Strategie niedriger Preise nicht konsequent durchgehalten hat. Es gab immer wieder temporäre Teilanstiege.