Rosen gegen R&R Ice Cream Eine Personalie wirbelt den Eiscreme-Markt auf

Der Inhaber des größten deutschen Speiseeisherstellers Rosen verkauft seinen Betrieb - und heuert beim schärfsten Konkurrenten R&R Ice Cream an. Die Branche ist in Aufruhr.

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Quelle: dpa

DMK, Rosen und R&R sind Unternehmen, die kaum jemand kennt. Aber fast jeder Deutsche schleckt deren eiskalte Kreationen, die sich in den Eistruhen großer Handelskonzerne wie Aldi, Lidl und Penny hinter blumigen Namen wie Gelatelli, Grandessa oder Mucci verbergen.

Eine gleichermaßen überraschende wie pikante Personalie wirbelt nun die Branche der Handelsmarkenhersteller durcheinander: Gotthard Kirchner verkauft Rosen Eiskrem, den größten Hersteller von Speiseeis, an das Deutsche Milchkontor (DMK) und heuert als Deutschland-Chef bei der britischen R&R Ice Cream an, dem größten Wettbewerber in der Branche.

Gotthard Kirchner

Der Seitenwechsel kommt für die Bremer Großmolkerei und Kirchners Ex-Unternehmen zu Unzeiten. Denn die DMK-Eiscremesparte schwächelt, Synergien aus dem Kauf von Rosen sind noch nicht mal identifiziert. Ausgerechnet in dieser Schwächephase bläst R&R mit Unterstützung von Kirchner zum Generalangriff: Es geht um die Vormachtstellung in den Eistruhen der großen europäischen Lebensmittelketten – ein Milliardengeschäft.

Handelsmarken

Das wird immer stärker von Handelsmarken dominiert. In Deutschland liegt ihr Mengenanteil bei rund 64 Prozent, die Umsatzanteile nähern sich der 50-Prozent-Marke. Nur beim Impulseis – dem klassischen Eis am Stiel – dominieren bekannte Marken wie Langnese (Unilever) und Mövenpick (Nestlé).

Mit Kirchner hat sich R&R nun die Dienste einer Koryphäe gesichert. In der Branche gilt der hochgewachsene Manager mit der hohen Stirn als Freund schneller Entscheidungen. Kirchner spricht freundlich, unaufgeregt und diskutiert mit Freunden gerne über seine große Leidenschaft neben der Familie und dem Eisgeschäft: dem Fußballbundesligisten Borussia Mönchengladbach.

Der 50-Jährige kennt das Eisgeschäft von Kindesbeinen an. 1967 kauft Kirchners Vater August seinem Onkel Karl eine Eisdiele in Heinsberg bei Aachen ab, das Café Rosen. Die Kirchners produzieren dort fortan nicht nur Eis für das Café, sondern beliefern auch Haushalte in der Umgebung.

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Das Geschäft brummt. 1974 gelingt der Durchbruch: Mit der selbst kreierten Eismarke Cassie schafft Kirchner senior erstmals den Sprung in die Truhen des Lebensmittelhandels. Die Edeka-Großhandlung in Moers listet Rosen, und Cassie landet in rund 150 Läden.

1990, nach seinem Studium der Betriebswirtschaft an der Universität Paderborn mit anschließender Promotion, steigt der Junior in das Unternehmen ein. Dort verantwortet er als Geschäftsführer neben seinem Vater die Unternehmensentwicklung. 2001 übernimmt der Junior dann alle Firmenanteile. In neue Dimensionen katapultiert Kirchner das Unternehmen zu Beginn des Jahres 2007: Rosen übernimmt von Nestlé zwei Speiseeisfabriken der Tochter Schöller. Der Schweizer Nahrungsmittelmulti will sich auf die Premiummarken Mövenpick und Schöller konzentrieren und keine Handelsmarken mehr herstellen.

Finanzieller Kraftakt Übernahme

Rosen dagegen ist auf solche Produkte spezialisiert. Durch die Übernahme wird der Familienbetrieb zum größten Speiseeisproduzenten Deutschlands. Der Umsatz schnellt von 90 auf 170 Millionen Euro, die Mitarbeiterzahl klettert von 300 auf 750.

Doch die Übernahme wird für Kirchner zu einem finanziellen Kraftakt, von dem er sich nicht mehr erholen wird. Denn neben der Schöller-Übernahme baut Kirchner am Stammsitz noch eine neue Stieleisfabrik für acht Millionen Euro. Parallel schießen Zucker- und Milchpreise in die Höhe. Zudem lösen kräftige Auftragszuwächse für 2012 zusätzlichen Kapitalbedarf aus.

Als Kirchner Ende 2011 beginnt, über die Verlängerung eines Kredits in Höhe von 70 Millionen Euro zu verhandeln, stellen sich einige Banken in dem Konsortium quer, weil Rosen nicht alle Kreditvereinbarungsklauseln einhalten kann. So sinkt etwa 2011 die Eigenkapitalquote um fast sieben Prozentpunkte auf 23 Prozent und erreicht damit den Zielwert nicht.

Kirchner gelingt es, mit einem Überbrückungskredit den kurzfristigen Finanzbedarf für die Saison 2012 sicherzustellen. Doch die Banken fordern von ihm, weiteres Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Mittel in Höhe von 20 Millionen Euro nachzuschießen. Kirchner gibt auf. Im November 2012 verkauft er Rosen Eiskrem an DMK. Zehn Prozent und seinen Geschäftsführerposten behält er.

Fusion der Großmolkereien Humana und Nordmilch

DMK, Deutschlands größte Molkerei mit einem Umsatz von 5,3 Milliarden Euro, ist erst im Frühjahr 2011 durch die Fusion der Großmolkereien Humana und Nordmilch (Milram) entstanden. Humana bringt eine Speiseeissparte mit der Marke Sanobub in die neue DMK ein. Die Sparte firmiert als DMK Eis.

Doch die Chemie zwischen dem genossenschaftlichen Milliardenkoloss und dem flinken Familienunternehmen stimmt von Beginn an nicht. „Die Beteiligung der DMK an Rosen brachte die Chance zur Nutzung vieler Synergien für beide Unternehmen“, sagte Kirchner seinerzeit einer regionalen Tageszeitung. „Wie sich jedoch herausstellte, waren die Auffassungen hinsichtlich der zukünftigen Unternehmensstrategie zu unterschiedlich.“

Spätestens als Kirchner klar wird, dass er in einen noch zu gründenden Beirat abgeschoben werden soll, zieht er die Reißleine. Mitte Juli 2013 kündigt er seinen Geschäftsführervertrag und zieht die Verkaufsoption an DMK über die restlichen zehn Prozent der Anteile.

Beratertätigkeit

Ein paar Monate später klingelt Kirchners Handy. In der Leitung ist Ibrahim Najafi, Chef des britischen Eisherstellers R&R mit Sitz in der Nähe von Leeds. Nach einigen Treffen bietet Najafi seinem einstigen Konkurrenten zunächst eine Beratertätigkeit. Kirchner nimmt an. Eine Konkurrenzausschlussklausel von DMK gab es nicht.

R&R ist nach eigenen Angaben mit 900 Millionen Euro Umsatz und 3500 Mitarbeitern der zweitgrößte Eishersteller Europas und seit jeher Hauptkonkurrent von Rosen und jetzt DMK Eis. Das Bundeskartellamt genehmigte die Übernahme von Rosen durch DMK Mitte 2013 mit dem Hinweis: „Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass DMK Eis und Rosen füreinander jeweils engste Wettbewerber sind. Vielmehr haben sich aber sehr deutliche Hinweise ergeben, dass R&R der wichtigste verhaltensbegrenzende Wettbewerber für jeden der beiden am Zusammenschluss Beteiligten ist.“

Die Briten produzieren in Osnabrück nicht nur Handelsmarken, sondern auch namhafte Lizenzmarken für Eiscreme wie Milka, KitKat, Toblerone, Oreo und Daim für Mondelez (früher Kraft Foods) sowie Landliebe-Eis. Ausgerechnet bei R&R bringt Kirchner nun seine Erfahrung ein. Offenbar hat es gleich gefunkt: Aus dem Beraterjob wurde zum 1. August eine Festanstellung als Geschäftsführer des Deutschland-Geschäfts mit einem Umsatz von rund 200 Millionen Euro. Die Position ist neu. Bisher hatte Najafi von Leeds aus das Deutschland-Geschäft verantwortet.

Neuer Arbeitgeber

Die Ära Rosen und DMK ist für Kirchner abgeschlossen. Er werde sich dazu nicht weiter äußern. Über seinen neuen Arbeitgeber sagt Kirchner: „R&R entscheidet schnell, die Mitarbeiter haben eine hohe Kompetenz, und es gibt sehr klare Strukturen, die selbst mich überrascht haben.“

Auch finanziell sind die Briten, die dem größten französischen Finanzinvestor PAI Partners gehören, bestens ausgerüstet. „Ein Vergleich der Kapitalflussrechnungen von DMK und R&R zeigt, dass R&R über einen deutlichen höheren Cash-Flow verfügen kann, als dies bei DMK der Fall ist“, befand das Bundeskartellamt seinerzeit.

Derweil berichten Branchenkenner, dass es im DMK-Eisgeschäft nicht rundlaufe und die Sparte defizitär sei. Ein DMK-Sprecher bestätigt, dass sich auch fast zwei Jahre nach der Übernahme „beide Gesellschaften in einem laufenden Integrationsprozess befinden und Integrationsteams derzeit alle Geschäftsbereiche analysieren und versuchen, Synergien und Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren“. Für 2014 rechne DMK aber mit einem positiven Ergebnis.

Spätestens im kommenden Sommer wird es also einen noch heißeren Tanz um die Eistruhen im Handel geben.

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