Der Satz klingt wie aus der Broschüre einer Umweltschutzorganisation: "Der Umgang mit Energieressourcen hat unsere Erde bereits deutlich gezeichnet – der Schlüssel liegt im Respekt vor der Natur als Erbe der Menschheit." In Wirklichkeit steht die missionarische Formel aber auf der Internet-Seite eines der größten Buhmänner der deutschen Wirtschaft: des Nürnberger Rüstungs- und Technologiekonzerns Diehl Stiftung.
Wenn die hehren Worte für Verwirrung sorgen, freut sich Vorstandschef Thomas Diehl diebisch. "Es ist schön, die zu enttäuschen, die uns für ewig gestrig halten", sagt der 64-jährige Lenker des Konzerns, der im Gegensatz zu anderen Stiftungsunternehmen statt der Mildtätigkeit ausschließlich dem Wohl der Eigentümerfamilie dient.
Denn heute, 110 Jahre nach der Gründung und gut zehn Jahre nach einer tiefen Krise, ist das Unternehmen in Top-Form und macht den Diehl-Clan mit einem geschätzten Vermögen von 2,5 Milliarden Euro zu einem der 50 reichsten Deutschen. Zwar gibt es für 2014 erst am Dienstag Nachmittag offiziellen Geschäftszahlen. Aber Kenner erwarten keine großen Veränderungen zu 2013, wo der Konzern mit gut 2,9 Milliarden Euro Umsatz wieder fast drei Milliarden Rekordumsatz aus 2011erreicht hat. Der operative Gewinn dürfte wie im Vorjahr bei rund 100 Millionen Euro liegen, während das Unternehmen gut 300 Millionen für Investitionen und die Forschung ausgab.
Umsatz mit Militärgütern sinkt
Der Umsatz mit Raketen und Panzerketten sank in 2013 erneut um ein paar Prozent. Damit sorgt die Rüstung einschließlich der dem Zivilgeschäft zugerechneten Produktion von Elektronik für Kampfflugzeuge noch für rund 18 Prozent vom Umsatz. 2010 war es knapp ein Viertel der Gesamteinnahmen und in den Neunzigerjahren weit mehr als 40 Prozent. Dafür legte der Umsatz mit Beleuchtung und Kabineneinrichtungen für Zivilflugzeuge, Zulieferungen für Autokonzerne sowie grüner Technologie wie internetfähige Systeme zur Steuerung und Messung des Strom- und Wasserverbrauchs seit 2009 um fast 40 Prozent zu. Das sorgt nicht nur für eine privatwirtschaftlichere Kultur und mehr Kostenbewusstsein. "Die technischen Fortschritte im Zivilgeschäft fördern auch die Technologie im Rüstungsgeschäft – und umgekehrt", sagt Unternehmenschef Thomas Diehl.
Dafür sorgte vor allem Vorstandschef Diehl, indem er die Sparten neben der Rüstung ausbaute sowie eine offenere Unternehmenskultur schuf. Dazu zählen zum Beispiel Bilanzpressekonferenzen und die anschließenden Gespräche mit Journalisten, die der Patriarch gern mit einem Frankenwein aus dem Bocksbeutel auflockert. Dazu hat Diehl bereits 2013 den Großteil seiner Stimmrechte auf seine Kinder übertragen, auch wenn er vorläufig noch nicht ans Aufhören denk. Bei Unternehmen mit der Rechtsform der Familienstiftung, in der Clanmitglieder ins operative Geschäft hineinregieren, ist dies selten.
Diehls Vater Karl, der den Konzern von 1938 an leitete, hatte die Macht der Familie beschränkt, indem er sein Unternehmen 1998 zu einer Stiftung machte. Laut Insidern hatte er wenig Vertrauen in die Fähigkeiten seiner drei Söhne als Manager. Darum sollte die Stiftung diese dazu zwingen, familienfremde Berater in Aufsichtsrat und Beirat zu holen. Diese Unternehmensform sei allerdings "rechtlich umstritten", so Stiftungsrechtler Michael Sommer. Denn im Vergleich etwa zur GmbH mindert die Stiftung die Erbschaftsteuer und verhindert, dass die Familie Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat holen muss.
Dass Diehl bis heute nicht den Ruf der Waffenschmiede ablegen konnte, hat vor allem zwei Gründe: Der Familienkonzern ist weiterhin sehr verschwiegen. Und das Unternehmen verkörpert wie kaum ein zweites die Schattenseiten der deutschen Wirtschaft, seit der Ziseleur Heinrich Diehl 1902 seine "kunstgewerbliche Modellwerkstätte" gründete.
Negativbeispiel für einen Mittelständler
Zum einen hat Diehl wie wenige von den durch Deutschland angezettelten Weltkriegen und dem Nationalsozialismus profitiert. Ende der Siebzigerjahre gipfelte der Hass auf Karl Diehl, der das Unternehmen ab 1938 fast 70 Jahre lang leitete, im Versuch der damaligen terroristischen Rote Armee Fraktion (RAF), den Patriarchen zu ermorden: von einer konspirativen Wohnung mit freiem Blick zur Konzernzentrale in einem schlichten Wohlviertel anderthalb Kilometer südöstlich der mittelalterlichen Nürnberger Innenstadt.
Diehl war im Ersten Weltkrieg in die Produktion von Rüstungsgütern wie Zündern eingestiegen. Im Zweiten Weltkrieg beschäftigte der Betrieb laut Studien Tausende von Zwangsarbeitern sowie KZ-Häftlingen. Deren Schicksal hat der damalige Firmenchef Karl Diehl, so der Berliner Historiker Wolfgang Benz in einer Studie, "den Produktionszielen des Unternehmens nachgeordnet". Erst als Diehl senior 1998 wegen seiner vielen Spenden zum Wiederaufbau Nürnbergs Ehrenbürger seiner Heimatstadt werden sollte, kam die dunkle Geschichte hoch. Nach längerem Zögern und als eines der ersten Unternehmen zahlte Diehl im Mai 1998 an 180 seiner Opfer eine Entschädigung von im Schnitt umgerechnet 500 Euro pro Monat Zwangsarbeit.
Zur Jahrtausendwende drohte das Scheitern
Dazu kam die Nähe zum System der damaligen bayrischen Amigo-Wirtschaft mit ihren gegenseitigen Gefälligkeiten. In der Nachkriegszeit überließ Karl Diehl laut einer Biografie seinem Duzfreund, dem CSU-Politiker, zeitweisen Bundesverteidigungsminister und bayrischen Landesregierungschef Franz Josef Strauß, Diehl-Firmenflugzeuge für private Flüge. Und in den Neunzigerjahren stellte die Oberfinanzdirektion Nürnberg eine Betriebsprüferin kalt, die dem Konzern eine Steuernachzahlung von gut 30 Millionen Euro aufbürden wollte.
Am Ende war Diehl zur Jahrtausendwende sogar auch noch zum Negativbeispiel für einen Mittelständler geworden, der durch den verknöcherten Greis an der Spitze ins Verderben zu schlittern drohte. Mit dem Ende des Kalten Kriegs sanken die Rüstungsausgaben, und die Globalisierung bescherte Diehl neue Wettbewerber, die einfache Schaltuhren oder Feuerwerkskörper billiger produzierten. Hinzu kam Versagen im Innern. Zerfressen von Misstrauen traute der Alte seinen Söhnen Werner, Peter und Thomas echte Führungsaufgaben offenbar nicht zu. Und das, obwohl der jüngste Sohn und heutige Chef Thomas bereits Forschungsvorstand war und die damalige Diehl-Tochter Junghans mit Funkuhren zu einem der führenden europäischen Hersteller gemacht hatte.
Erst als der Benjamin mehrfach mit Kündigung drohte, wurde er Vorstandsvorsitzender. Aber sein kettenrauchender Vater mischte sich als Aufsichtsratschef weiter praktisch in alle Dinge ein. Mehr noch, er machte auch noch Sohn Werner zum Aufsichtsratschef. Dabei konnte der mit den Veränderungen, die sein Bruder Thomas anstieß, laut Insidern nur wenig anfangen. Fertigung in Billiglohnländern oder strikte Kostenrechnung – Thomas Diehl gelang all dies erst, als sein Vater ihm ab 2003 endlich mehr Macht einräumte.
Auch wenn der amtierende Diehl-Chef viele Hemmnisse abgeschüttelt hat: Für die nächsten Jahre muss der nüchterne Ingenieur mit dem trockenen Humor seines Idols Karl Valentin erst mal kürzer treten. Wegen der relativ niedrigen Eigenkapitaldecke müsste er weitere Zukäufe mit Krediten finanzieren. "Damit", so ein Insider, "tun sich die Brüder bei aller Achtung für die Erfolge ihres jüngsten doch schwer."