Es war ein verlockendes Angebot, das die EMT Ingenieursgesellschaft Dipl.-Ing. Hartmut Euer aus dem bayerischen Prenzberg den Saudis unterbreiten konnte. Erstens: ein Drohnensystem namens Luna, wie es seit mehr als zehn Jahren bei der Bundeswehr benutzt wird, und das im Kosovo und in Afghanistan zum Einsatz kam. Und zweitens: eine Produkteinführung der neuen Drohne und entsprechendes Training durch außergewöhnlich erfahrene Ausbilder.
In diesem zweiten Punkt konnte sich das Unternehmen auf einen langjährigen Partner verlassen: Als der Kauf abgeschlossen war, entsandte die Bundeswehr drei deutsche Soldaten nach Saudi-Arabien, um an Luna auszubilden. Vom 8. Januar bis zum 2. März 2011 dauerte ihre Mission. Das ist bemerkenswert: Die deutsche Armee wird im Ausland aktiv, um bei Rüstungsexporten zu helfen.
Die Bundesregierung bestreitet den Einsatz nicht. "Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass industrielle Fähigkeiten in technologischen Kernbereichen der deutschen Rüstungsindustrie erhalten werden", teilt sie mit. Und die Bundeswehr unterstütze seit Jahren als "Referenzkunde" die deutsche wehrtechnische Industrie "beim Export von Rüstungsgütern". Dies geschehe im Einzelfall und »nach erfolgter ausfuhrkontrollrechtlicher Prüfung«.
Einzelfälle? Deutsche Soldaten haben auch schon die Besatzungen von südafrikanischen Korvetten ausgebildet, die in Deutschland gebaut wurden. Sie halfen der Waffenschmiede Krauss-Maffei Wegmann bei einem Wüstentest des Kampfpanzers Leopard 2 in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Luftwaffe schickte Eurofighter-Kampfjets mit deutschen Piloten nach Indien, um dort für die von EADS produzierten Maschinen zu werben. In Indien fanden Tests mit von der EADS-Tochter MBDA hergestellten Panzerabwehrraketen statt, die von einem deutschen Hubschrauber abgefeuert wurden.
"Nicht jeder Auslandsaufenthalt ist ein Einsatz"
Bei internationalen Rüstungsmessen arbeitet die Bundeswehr seit Jahren mit der deutschen Industrie zusammen. Die Truppe stellte Fregatten und andere Waffensysteme deutscher Hersteller auf Rüstungsschauen vor und warb so für das Kriegsgerät made in Germany. Vor wenigen Jahren wurde die Exportunterstützung ausgeweitet, indem Ausbilder in Uniform außerhalb des Nato-Gebiets die Rüstungsausfuhren begleiten. Das Verteidigungsministerium führe keine Statistik über die Kurzeinsätze deutscher Ausbilder, sagt ein Sprecher. Wie oft die Bundeswehr die heimischen Unternehmen mit Ausbildungsmissionen unterstützt habe, könne er nicht sagen.
Auch eine parlamentarische Kontrolle findet nicht statt. Der Bundestag wurde über die Ausbildungsmission in Saudi-Arabien erst im Anschluss und nur auf Nachfrage informiert. "Nicht jeder Auslandsaufenthalt von deutschen Soldaten ist ein Einsatz", sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, und daher müsse das Parlament auch nicht involviert werden. Das Training der saudischen Soldaten an der Drohne Luna habe auch den Interessen der Bundesrepublik gedient, es seien nämlich Informationen über den Einsatz des unbemannten Kleinflugzeugs in heißen Klimazonen gesammelt worden. Ein merkwürdiges Argument. Setzt doch die Bundeswehr Luna bereits in Afghanistan ein, wo im Sommer die Temperatur auf bis zu 50 Grad Celsius steigen kann.
Luna steht für "Luftgestützte unbemannte Nahaufklärungsausstattung". Das Kleinflugzeug wiegt rund 40 Kilogramm, es kann bis zu 100 Kilometer weit fliegen. In Saudi-Arabien brauchten die Trainer der Bundeswehr neun Wochen, um den zuständigen saudischen Major und 19 Feldwebel einzuweisen: Erst eine Schulung auf der Prince Sultan Air Base in der Stadt Al-Kharj, dann drei Wochen lang taktische Missionsflüge an der Grenze zum Jemen. Im Verteidigungsministerium ist Unbehagen zu spüren. Der Einsatz sei nicht geheim, aber ein politisch brisantes Thema, sagt ein Sprecher. Er bestätigt, dass das Ministerium im Dezember 2010 einen Vertrag mit EMT abgeschlossen habe, der "die Ausbildungsunterstützung" für das saudische Heer regele. Die Kosten habe die Industrie getragen. Das Unternehmen EMT, das nach eigenen Angaben 50 Staaten zu seinen Kunden zählt, wollte keine Details nennen: "Dazu nehmen wir keine Stellung."
Der Druck ist groß. Deutsche Waffenschmieden brauchen den Export: Bereits jetzt gehen 70 Prozent der deutschen Rüstungsproduktion ins Ausland. In Asien und Südamerika sollen neue Kunden gewonnen werden. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Brasilien und Indien gelten momentan als die interessantesten Märkte. Das größte deutsche Rüstungsunternehmen, Rheinmetall, will noch in diesem Jahr seine rentable Automotive-Tochter an die Börse bringen, um mit dem Erlös das internationale Geschäft der Rüstungssparte zu stärken. Der Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann hat in den vergangenen beiden Jahren Tochterfirmen in Brasilien und Singapur gegründet.
"Bundeswehr als Partner"
Die Rüstungshersteller fordern schon seit längerem eine Exporthilfe der Bundesregierung. Sie tun das besonders vehement, seit die Finanzkrise die Nato-Staaten zum Sparen bei den Wehretats zwingt. Der Bundesverband der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), die Lobbyvereinigung der Branche, spricht von einem Ausgleich für gestrichene Aufträge der Bundeswehr. BDSV-Präsident Friedrich Lürßen sagte bei einem Parlamentarischen Abend in Berlin: Kunden erwarteten aus Deutschland nicht nur Plattformen und Systeme. Sie "erwarten – neben der generellen Unterstützung durch die Bundesregierung – die Ausbildung ihres Personals in technischer, taktischer sowie operativer Hinsicht durch die Bundeswehr und mit der Bundeswehr als Partner".
Aber es wird auch Kritik an solchen Kooperationen laut. "Ich halte die Hilfe der Bundeswehr für deutsche Rüstungsexporte in Länder wie Saudi-Arabien für hoch problematisch", sagt Katja Keul, Bundestagsabgeordnete und Rüstungsexpertin der Grünen. "Ich glaube nicht, dass deutsche Trainer den Sicherheitskräften von diktatorischen Regimen die Idee von Rechtsstaatlichkeit vermitteln können." Die Linkspartei wirft der Bundeswehr ein "Sponsoring" der Waffenhersteller vor.
Verteidigungsexperten der Union weisen die Kritik zurück. "Solange die Wehrtechnikunternehmen die Kosten übernehmen, halte ich Ausbildungsmaßnahmen durch die Bundeswehr in den Empfängerländern für denkbar", sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn, der früher für Krauss-Maffei Wegmann gearbeitet hat und heute im Verteidigungsausschuss des Parlaments sitzt. "Grundsätzlich bin ich dafür, dass die Bundesregierung die Rüstungsindustrie bei Exporten unterstützt, solange unsere Regeln dabei eingehalten werden."
Die Gegner haben einen schweren Stand, weil die ökonomische Logik ziemlich klar scheint. In Saudi-Arabien gibt es noch einen anderen Rüstungsdeal, der mit dem Training durch erfahrene deutsche Kräfte zusammenhängt: Bundespolizisten bilden saudische Grenzschützer aus. Und mithilfe der EADS-Tochter Cassidian werden die saudischen Grenzanlagen modernisiert: Der Rüstungskonzern liefert moderne Sensortechnik und Bodenüberwachungsradar. Die deutsche Trainingsmission habe den Zuschlag der Saudis für Cassidian bewirkt, heißt es in Riad. Um den Milliardenauftrag hatten sich auch US-Konzerne beworben – Ausbildung durch Staatsbedienstete hatten die Amerikaner jedoch nicht im Angebot.