Rüstungskonzern Diehl setzt auf Luftfahrt statt Waffen

Nur langsam kann sich der Rüstungs- und Technikkonzern Diehl von seinem angestaubten Image befreien. Waffen und Munition sind noch immer ein wichtiger Geschäftszweig, doch nicht der größte Umsatzbringer.

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Diese deutschen Konzerne bewaffnen die Welt
Platz 10: Renk Die Augsburger Firma mit ihren rund 1900 Mitarbeitern liefert Getriebe für Schiffe, Lastwagen und Panzer, darunter das Prestigeprojekt von Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann, den Schützenpanzer „Puma“ (Bild). Im Rüstungsgeschäft fiel bei Renk ein Jahresumsatz von 158 Mio. Euro an. Quelle: dpa
Platz 9: Heckler & Koch Eines der verschwiegensten Unternehmen in Deutschland ist Heckler & Koch aus Oberndorf am Neckar. Der Mittelständler mit seinen insgesamt 650 Mitarbeitern ist bekannt für seine präzisen Handfeuerwaffen, von Dienstpistolen für Polizisten weltweit (im Bild: Walther P99) über die Gewehre G3 und G36 bis zur Maschinenpistole MP5. Heckler & Koch, der das meiste exportiert, kommt auf einen Rüstungsumsatz von 180 Mio. Euro. Quelle: dpa
Platz 8: Tognum Das Unternehmen aus Friedrichshafen am Bodensee mit rund 8700 Mitarbeitern stellt neben Antrieben für zivile Zwecke auch Dieselmotoren für Panzer, Lastwagen und Schiffe her - etwa für die Fregatte Sachsen (im Bild). Hervorgegangen ist die börsennotierte Firma 2006 aus der Ex-Daimler-Tochter MTU Friedrichshafen. Der Defense-Bereich trägt etwa ein Zehntel zum Gesamtumsatz bei, wobei die Rüstungseinnahmen bei 180 Mio. Euro liegen. Quelle: dpa
Platz 7: Atlas Elektronik Die Bremer Firma mit ihren rund 1900 Mitarbeitern ist auf Marinetechnik spezialisiert und liefert hauptsächlich Torpedos (im Bild: „Heavyweight Torpedo“), Seeminenräumgeräte und Navigationstechnik sowie elektronische Systeme, darunter Sonargeräte für U-Boote. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Rüstungsgeschäft. Damit erzielt Atlas Elektronik einen Jahresumsatz von 366 Mio. Euro. Quelle: dpa
Platz 6: MTU Aero Engines MTU Aero Engines aus München (7600 Mitarbeiter) baut Flugzeugtriebwerke, unter anderem für den Kampfjet Eurofighter (das Bild zeigt ein Flugzeugtriebwerk TP400-D6). Daneben gehört MTU mit General Electric, Pratt & Whitney und anderem zum Verbund Engine Alliance, der Triebwerke für die Airbus A380 herstellt. Der Rüstungsumsatz liegt bei 640 Mio. Euro. Quelle: dpa
Platz 5: Diehl Die Lenkwaffe Iris-T des Nürnberger Diehl-Konzerns gilt derzeit weltweit als präziseste Rakete für Kampfflugzeuge. Sie hängt an beinahe allen Militärjets der neuesten Generation - ob Eurofighter, Tornado, der schwedischen Saab Gripen oder den amerikanischen Jets F-16 und F-18. Der Diehl-Konzern, der neben Raketen auch Munition, Panzerketten und Schutzsysteme herstellt, kommt auf einen Rüstungsumsatz von 1,16 Milliarden Euro. Insgesamt beschäftigt Diehl mehr als 12.000 Menschen. Quelle: ap
Platz 4: Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) TKMS ist 2005 aus der Fusion der Thyssen-Krupp-Werften und der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HDW) entstanden. Die Reihen U 212 und 214 sind die Vorzeigeprodukte von HDW. Dank des Elektroantriebs, der den Strom von einer Brennstoffzelle erhält, sind die Boote so leise und damit vom Feind so schlecht auszumachen wie kaum ein anderes Modell. Neben U-Booten baut TKMS auch Fregatten und Minenräumschiffe. Der Konzern kommt mit seinen knapp 8000 Mitarbeitern auf einen Rüstungsumsatz von 1,34 Milliarden Euro. Quelle: dpa

Der Satz klingt wie aus der Broschüre einer Umweltschutzorganisation. „Der Umgang mit Energieressourcen hat unsere Erde bereits deutlich gezeichnet – der Schlüssel liegt im Respekt vor der Natur als Erbe der Menschheit.“ In Wirklichkeit steht die missionarische Formel aber auf der Internet-Seite eines der größten Buhmänner der deutschen Wirtschaft: des Nürnberger Rüstungs- und Technologiekonzerns Diehl Stiftung.

Wenn die hehren Worte für Verwirrung sorgen, freut sich Vorstandschef Thomas Diehl diebisch. „Es ist schön, die zu enttäuschen, die uns für ewig gestrig halten“, sagt der 61-jährige Lenker des Konzerns, der im Gegensatz zu anderen Stiftungsunternehmen statt der Mildtätigkeit ausschließlich dem Wohl der Eigentümerfamilie dient.

Die Kassenschlager der deutschen Rüstungsindustrie
Eurofighter Das international Typhoon genannten Kampfflugzeug ist ein Gemeinschaftsprodukt der deutsch-französischen EADS, der britischen BAE Systems und Alenia aus Italien von EADS. Zu Zeiten des Kalten Kriegs als Jäger 90 erdacht, wollen es die Hauptbestellländer Deutschland, Großbritannien und Italien trotz mehrfacher Erneuerung heute eigentlich nicht mehr abnehmen. Quelle: REUTERS
NH90 Bei der EADS haben den „NATO-Helicopter 90“, wie das Fluggerät mit vollem Namen heißt, 14 Nationen weltweit bestellt. Das Fluggerät ist der der erste Hubschrauber mit einem elektronischen Flugsteuerungssystem wie es in Verkehrsflugzeugen lange üblich ist. Wegen technischen Problemen gibt es jedoch besonders bei den Exemplaren für die Bundeswehr deutliche Verspätungen. Quelle: Pressebild
A400M Der Militärtransporter von Airbus ist mit einem Wert von mehr als 20 Milliarden Euro das bislang größte europäische Gemeinschaftsprojekt der Waffenbranche. Es sollte eigentlich bereits ab Oktober 2009 in den europäischen Luftwaffen die alten Militärfrachter ersetzen. Doch weil sich Airbus bei der Technik überschätzt hat und die Bestellländer nur schwer erfüllbare Vorgaben machten, werden die ersten Exemplare wohl erst 2014 fliegen. Quelle: AP
U 212 und 214 Die U-Boote sind die Vorzeigeprodukte der ThyssenKrupp-Tochter HDW. Dank des Elektroantriebs, der den Strom von einer Brennstoffzelle erhält, sind die Tauchungetüme so leise und damit vom Feind so schlecht auszumachen wie kaum ein anderes U-Boot. Quelle: dpa
G-36 Das Sturmgewehr von Heckler & Koch ist die Standardwaffe der Bundeswehr als Nachfolger des Gewehres G3, das auch Heckler gebaut hat. Das G36 besteht zu einem Teil aus kohlefaserverstärktem Kunststoff mit Einlagen aus rostfreiem Stahl und ist deshalb relativ leicht. Es wird in mehreren Ländern wie Saudi-Arabien in Lizenz produziert. Auch darum taucht es trotz des strengen Exportverbots immer wieder in Krisengebieten wie dem Kaukasus oder in Libyen auf. Quelle: dpa/dpaweb
Leopard 2 – neueste Ausführung A7+. Den Kampfpanzer hat Krauss-Maffei Wegman entwickelt und gebaut mit Zulieferungen unter anderem von Rheinmetall. Das Fahrzeug hat KMW für die neuen Aufgaben der Bundeswehr entwickelt. Aber von dem Panzer möchte auch Saudi-Arabien angeblich bis zu 800 Stück bestellen. Der Leopard ist besonders gut geschützt, hat Schnittstelle zum Anbringen von Anbaugeräten, z.B. eines  Minenpflugs oder Räumschildes, ist für die Wüste klimatisiert und eine besonders gute Optronik für eine gute Sicht bei Nacht und in die Ferne. Die gut 3000 Leos, wie ihn die Branche nennt, sind bei 16 Ländern im Einsatz, darunter neben europäischen Staaten auch Chile, Kanada und Singapur. Quelle: dpa
Dingo 2Der wahrscheinlich sicherste Geländewagen der Welt schützt nicht nur weitgehend vor Bomben, Granaten sowie biologische und chemische Kampfstoffe. Die gut 800 bisher produzierten Dingos können nicht nur als Truppentransporter dienen, sondern auch zum Gefechtsstand, Krankenwagen oder als Aufklärungsfahrzeug umgebaut werden. Quelle: dpa

Rekordzahlen für das Jahr 2011

Denn heute, 110 Jahre nach der Gründung und gut zehn Jahre nach einer tiefen Krise, ist das Unternehmen in Top-Form und macht den Diehl-Clan mit einem geschätzten Vermögen von 2,2 Milliarden Euro zu einem der 50 reichsten Deutschen.

Auf der Jahrespressekonferenz präsentiert Diehl für 2011 Rekordzahlen. Gut 2,9 Milliarden Euro Umsatz. Ein Plus von 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Ergebnis liegt bei knapp 140 Millionen Euro unter dem Vorjahresniveau (145 Millionen Euro) - während das Unternehmen mit gut 400 Millionen gleichzeitig mehr denn je für Investitionen und die Forschung ausgab.

Der Umsatz mit Raketen und Panzerketten sank in 2011 um sechs Prozent. Damit sorgt die Rüstung einschließlich der dem Zivilgeschäft zugerechneten Produktion von Elektronik für Kampfflugzeuge noch für knapp ein Viertel der Gesamteinnahmen. In den Neunzigerjahren war der Anteil noch mehr als doppelt so groß. Dafür legte der Umsatz mit Beleuchtung und Kabineneinrichtungen für Zivilflugzeuge sowie grüner Technologie wie internetfähige Systeme zur Steuerung und Messung des Strom- und Wasserverbrauchs seit 2009 um mehr als ein Drittel zu. Allein im Geschäftsjahr 2011 wuchs der betreffende Teilkonzern "Aerosystems" um 30 Prozent gegenüber Vorjahr.

Organisation und Kennzahlen der Diehl-Stiftung im Überblick

Dafür sorgte vor allem Vorstandschef Diehl, indem er die Sparten neben der Rüstung ausbaute sowie eine offenere Unternehmenskultur schuf. Dazu zählen zum Beispiel Bilanzpressekonferenzen und Gespräche mit Journalisten. Bei Unternehmen mit der Rechtsform der Familienstiftung, in der Clanmitglieder ins operative Geschäft hineinregieren, ist dies selten.

Im Visier der RAF

Fliegend zum Erfolg - Lenkwaffen und Beleuchtungssysteme für Passagierflugzeuge verhelfen Diehl zu Rekordergebnissen. Quelle: Pressebild

Diehls Vater Karl, der den Konzern von 1938 an leitete, hatte die Macht der Familie beschränkt, indem er sein Unternehmen 1998 zu einer Stiftung machte. Laut Insidern hatte er wenig Vertrauen in die Fähigkeiten seiner drei Söhne als Manager. Darum sollte die Stiftung diese dazu zwingen, familienfremde Berater in Aufsichtsrat und Beirat zu holen. Diese Unternehmensform sei allerdings „rechtlich umstritten“, so Stiftungsrechtler Michael Sommer. Denn im Vergleich etwa zur GmbH mindert die Stiftung die Erbschaftsteuer und verhindert, dass die Familie Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat holen muss.

Karl Diehl führte das Unternehmen ab 1938 fast 70 Jahre lang - Seinen drei Söhnen traute er lange Zeit keine Führungsposition im Unternehmen zu Quelle: dpa

Dass Diehl bis heute nicht den Ruf der Waffenschmiede ablegen konnte, hat vor allem zwei Gründe: Der Familienkonzern ist weiterhin sehr verschwiegen. Und das Unternehmen verkörpert wie kaum ein zweites die Schattenseiten der deutschen Wirtschaft, seit der Ziseleur Heinrich Diehl 1902 seine „kunstgewerbliche Modellwerkstätte“ gründete.

Zum einen hat Diehl wie wenige von den durch Deutschland angezettelten Weltkriegen und dem Nationalsozialismus profitiert. Ende der Siebzigerjahre gipfelte der Hass auf Karl Diehl, der das Unternehmen ab 1938 fast 70 Jahre lang leitete, im Versuch der damaligen terroristischen Rote Armee Fraktion (RAF), den Patriarchen zu ermorden: von einer konspirativen Wohnung mit freiem Blick zur Konzernzentrale.

Beliebte Second-Hand-Waffen
Deutscher Eurofighter beim Start Quelle: REUTERS
Ein sowjetischer BTR-60 Quelle: Screenshot
Ein Flugabwehrkanonenpanzer Gepard (v.l.), ein Schuetzenpanzer Marder und ein Kampfpanzer Leopard Quelle: dapd
Ein Kampfpanzer des Typs Leopard 2 Quelle: dpa/dpaweb
Leopard II Kampfpanzer, hier mit deutschen Soldaten auf einem Truppenübungsplatz Quelle: AP
F16-Kampfjet Quelle: REUTERS
Soldat überprüft einen Apache-Kampfhubschrauber Quelle: AP

Diehls dunkle Geschichte

Diehl war im Ersten Weltkrieg in die Produktion von Rüstungsgütern wie Zündern eingestiegen. Im Zweiten Weltkrieg beschäftigte der Betrieb laut Studien Tausende von Zwangsarbeitern sowie KZ-Häftlingen. Deren Schicksal hat der damalige Firmenchef Karl Diehl, so der Berliner Historiker Wolfgang Benz in einer Studie, „den Produktionszielen des Unternehmens nachgeordnet“.

Erst als Diehl senior 1998 wegen seiner vielen Spenden zum Wiederaufbau Nürnbergs Ehrenbürger seiner Heimatstadt werden sollte, kam die dunkle Geschichte hoch. Nach längerem Zögern und als eines der ersten Unternehmen zahlte Diehl im Mai 1998 an 180 seiner Opfer eine Entschädigung von im Schnitt umgerechnet 500 Euro pro Monat Zwangsarbeit.

Ein Negativbeispiel für den Mittelstand

Deutschlands heimliche Rüstungshelfer
Soldat mit einer Waffe und einer Zielvorrichtung von Zeiss Quelle: Screenshot
Screenshot einer Website, auf der ein US-Soldat vor einem DHL-Flieger steht. Quelle: Screenshot
Ein Mitarbeiter von Rolls-Royce arbeitet an einem Antriebssystem Quelle: Pressebild
Ein für die deutsche Marine bestimmtes U-Boot liegt auf dem Gelände der HDW-Werft in Kiel Quelle: dpa
Sanitäranhänger eines Kärcher-Feldlagers Quelle: Screenshot
Lastwagen vom Typ 1017A Quelle: Screenshot
Siemensmitarbeiter bei der Bundeswehr Quelle: Screenshot

Dazu kam die Nähe zum System der damaligen bayrischen Amigo-Wirtschaft mit ihren gegenseitigen Gefälligkeiten. In der Nachkriegszeit überließ Karl Diehl laut einer Biografie seinem Duzfreund, dem CSU-Politiker, zeitweisen Bundesverteidigungsminister und bayrischen Landesregierungschef Franz Josef Strauß, Diehl-Firmenflugzeuge für private Flüge. Und in den Neunzigerjahren stellte die Oberfinanzdirektion Nürnberg eine Betriebsprüferin kalt, die dem Konzern eine Steuernachzahlung von gut 30 Millionen Euro aufbürden wollte.

Am Ende war Diehl zur Jahrtausendwende sogar auch noch zum Negativbeispiel für einen Mittelständler geworden, der durch den verknöcherten Greis an der Spitze ins Verderben zu schlittern drohte. Mit dem Ende des Kalten Kriegs sanken die Rüstungsausgaben, und die Globalisierung bescherte Diehl neue Wettbewerber, die einfache Schaltuhren oder Feuerwerkskörper billiger produzierten.

Hinzu kam Versagen im Innern. Zerfressen von Misstrauen traute der Alte seinen Söhnen Werner, Peter und Thomas echte Führungsaufgaben offenbar nicht zu. Und das, obwohl der jüngste Sohn und heutige Chef Thomas bereits Forschungsvorstand war und die damalige Diehl-Tochter Junghans mit Funkuhren zu einem der führenden europäischen Hersteller gemacht hatte.

Idol Karl Valentin

Erst als der Benjamin mehrfach mit Kündigung drohte, wurde er Vorstandsvorsitzender. Aber sein kettenrauchender Vater mischte sich als Aufsichtsratschef weiter praktisch in alle Dinge ein. Mehr noch, er machte auch noch Sohn Werner zum Aufsichtsratschef. Dabei konnte der mit den Veränderungen, die sein Bruder Thomas anstieß, laut Insidern nur wenig anfangen. Fertigung in Billiglohnländern oder strikte Kostenrechnung – Thomas Diehl gelang all dies erst, als sein Vater ihm ab 2003 endlich mehr Macht einräumte.

Auch wenn der amtierende Diehl-Chef viele Hemmnisse abgeschüttelt hat: Für die nächsten Jahre muss der nüchterne Ingenieur mit dem trockenen Humor seines Idols Karl Valentin erst mal kürzer treten. Wegen der relativ niedrigen Eigenkapitaldecke müsste er weitere Zukäufe mit Krediten finanzieren. „Damit“, so ein Insider, „tun sich die Brüder bei aller Achtung für die Erfolge ihres jüngsten doch schwer.“

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